Bewohner des Blitzes

Über René Chars Résistance

To a Dog Injured in the Street

it is myself, not the poor beast lying there
yelping with pain that brings me to myself with a start -
as at the explosion of a bomb, a bomb that has laid
all the world waste.
I can do nothing but sing about it
and so I am assuaged from my pain.

A drowsy numbness drowns my sense
as if of hemlock I had drunk. I think
of the poetry of René Char
and all he must have seen and suffered
that has brought him to speak only of
sedgy rivers, of daffodils and tulips
whose roots they water, even to the free-flowing river
that laves the rootlets of those sweet-scented flowers
that people the milky way.

I remember Norma our English setter of my childhood
her silky ears and expressive eyes.
She had a litter of pups one night
in our pantry and I kicked one of them
thinking, in my alarm, that they
were biting her breasts to destroy her.

I remember also a dead rabbit
lying harmlessly on the outspread palm
of a hunter's hand As I stood by
watching he took a hunting knife
and with a laugh thrust it
up into the animal's private parts.
I almost fainted.

Why should I think of that now?
The cries of a dying dog are to be blotted out
as best I can.
René Char you are a poet who believes
in the power of beauty to right all wrongs.
I believe it also.
With invention and courage we shall surpass
the pitiful dumb beasts, let all men believe it,
as you have taught me also to believe it.

William Carlos Williams, »The Collected Poems«, II, 1939-1962, hg. v. Ch. MacGowan, New York 1988

1. Hypnose

Wenn, wie René Char sagt, die Tat blind ist und die Dichtung sieht, sah seine, als sie die Augen aufschlug, das Fanal eines Werks und einer Existenz.

»L'Emploi

Brûlé le trottoir en quarantaine
Toi nuage passe devant

Le rôle effacé du nuage
Soi disant.«

(zit. n. Jean-Claude Mathieu, »La Poésie de R.C. ou le sel de la splendeur«, 2 Bde., Paris 1985; »Der Einsatz // Verbrannt der unbegehbare Gehsteig / Ziehst du Wolke davor vorbei // Die gestrichene Rolle der Wolke / Das sei.«)

Das Gedicht, 1927 geschrieben, ist das erste in Chars zweitem Buch (das erste, »Cloches sur le c¦ur«, 1928, verwirft er und makuliert fast die komplette Auflage), »Arsenal«, das der damals 22jährige im August 1929 veröffentlicht, als er den Weg, der ihm zu gehen vorgeschrieben ist, in Brand setzt und befriedigt den Rauchwolken, die vorbeiziehen, seinen ersten Versen, nachblickt. »Wo Rauch ist, da ist Anderswerden« (175*; die Seitenangaben beziehen sich auf die »ëuvres complètes«, Paris 1983) wird er 17 Jahre, »Dieser Rauch, der uns trug, war Bruder des Stocks, der den Stein verschob, und der Wolke, die den Himmel öffnet« (241) 21 Jahre, »Das Unendliche greift an, aber eine Wolke rettet« 30 Jahre, »O meine kleine Rauchwolke, von jedem wahren Feuer aufsteigend, wir sind Zeitgenossen und die Wolke derer, die uns lieben« (490) 45 Jahre später schreiben.

In einer zweiten Fassung, Anfang der Dreißiger, schließt er in das Gedicht alle wichtigen Motive, die da kommen werden, ein:

La Torche du prodigue

Brûlé l'enclos en quarantaine
Toi nuage passe devant

Nuage de résistance
Nuage des cavernes
Entraîneur d'hypnose.

(»Die Fackel des Verzehrers // Verbrannt das Verlies / Ziehst du, Wolke, davor vorbei // Wolke des Widerstands / Wolke der Höhlen / Lehrmeisterin der Hypnose.« (7))

Dass der Dichter Brand und Brandstifter zugleich ist, erhellt nicht allein aus einer Zeichnung Chars auf dem Umschlag, die »die Silhouette einer Dichter-Fackel« zeigt, »aus der eine Flamme auflodert« (Mathieu). Darauf verweisen auch die Wörter »résistance«, »cavernes«, »hypnose«. In ihnen erscheint sein gegen die Autoritäten des Staates, der Kirche, der Gesellschaft gerichteter Widerstand, die Résistance des unter die Erde gezwungenen Lebens, »LA-FRANCE-DES-CAVERNES« (204), das »HÖHLEN-FRANKREICH«*, wie er es während der Kämpfe der vierziger Jahre nennen wird, schließlich die »Hypnose«, die nicht nur den »nervous sleep« des Dr. James Baird, der ihn zu einem der nervösen Schlafwandler des Surrealismus werden lässt, sondern auch Hypnos, die Fackel in der Nacht, ankündigt.

Lange Zeit bleibt Char mit dem Licht, das er entzündet, allein. Vor der Schalheit des Tages hat er sich zu den Fantomen der Nacht geflüchtet. In L'Isle-sur-Sorgue, dem provenzalischen Dorf, in dem er aufwächst, habe, wird er sich am Ende seines Lebens erinnern, einzig sein Freund Francis Curel die »imagination nocturne«, die Gabe des Nachthellsehens, besessen (Paul Veyne, »R.C. en ses poèmes«, Paris 1990). Der jähzornige Char, der als Zehnjähriger beschließt, den Bruder zu ermorden - »Ich habe / Meinen Bruder erwürgt / Weil er nicht schlafen mochte / Bei off'nem Fenster« (93) -, sich tatsächlich eine Pistole besorgt, die er jedoch nicht abfeuern kann, weil man ihm vorsorglich keine Kugeln ausgehändigt hat, wird mit 18, nachdem er einem Lehrer ein lateinisches Wörterbuch an den Kopf geworfen hat, des Gymnasiums verwiesen, und sehnt sich, als er zutiefst angeödet die Handelsschule absolviert, nach Gefährten der Nacht und der Revolte, findet sie 1929 in der Gruppe um André Breton und beginnt ein Jahr später die Gemeinschaftsarbeit »Ralentir Travaux« (Die Arbeiten verlangsamen) mit den Versen »Der Blick, der über meine Schultern / Das unentzifferbare Netz der Nacht werfen wird«, die Breton mit »Wird wie ein Regen der Finsternis sein« (1266) fortsetzt.

Doch kurz nachdem er zu den Surrealisten gestoßen ist, zieht eine ganz andere Nacht über Europa auf. Ihrer ansichtig, kann Char, Verfechter eines »seiner Pflichten bewussten, in Bezug auf die ihm innewohnenden Kräfte Zurückhaltung übenden Humanismus« (173*), weder den naiven seines Freundes Paul Eluard noch den autoritären Bretons (»Sie müssen wissen, dass es unter seinen Vorfahren eine lange Reihe von Gendarmen gab«) schätzen, und wenn in der letzten Zeile von »Placard pour un chemin des écoliers« (Plakat für einen Schulweg, 1936/37) erneut vom Widerstand die Rede ist, dann vom »sang de résistance«, dem Blut des Widerstands.

»Les Vivres du retour« (Der Proviant der Rückkehr) ist geschrieben unter dem Eindruck des Mordes an Lorca. »Am Grund der völlig nackten Nacht« - ein Vers, der vorwegnimmt, dass das »Nu perdu« (417), das verlorene Nackte, auch eine nuit perdue, eine verlorene Nacht ist - erhebt sich die Verzweiflung wie eine Sonne, die in der letzen Strophe unbarmherzig strahlt: »Wir bleiben gefühllos gegen das schwarze Lamm / Gegen jeden Tropfen Wassers des Tintenfischs / Wir haben das Bett aufgedeckt / Im hohlen Gebirge des Tages auf der Suche nach dem Blut / Des Widerstands.« (99f.) Das schwarze Lamm ist das Opfer, das Aeneas bringt, bevor er ins ewige Dunkel der Unterwelt hinabsteigt, und die Tinte das Opfer des Dichters, bei hellichtem Tag aber ruht im »hohlen Gebirge« noch immer Hypnos, der Gott des Schlafs.

Der Band trägt die Widmung: »Kinder Spaniens - ROTE, oh wie viele halten für immer den Stahlschlag in Gang, der Euch zerfetzt -, für Euch.« (89) Darin heißt es auch: »Das Massengrab wurde verjüngt. Es ist groß wie ein Schlafsaal, tief wie ein Schacht. Unvergleichliche Schlächter! Schande! Schande! Schande!«

2. Nacht

Char hat als Mann des Midi, als »Ascien«, wie er sich, z.B. in den »Poèmes militants« (1932), nennt, das heißt als einer derjenigen, die »die heißen Zonen bewohnen & die am Mittag überhaupt keinen Schatten haben, weil die Sonne in ihrem Zenit steht« (»Dictionnaire Universel François et Latin«, I, Paris 1752), den Schatten und die Nacht gesucht, und sein Werk erscheint wie eine große Widerrede zu den Versen von Pindars erstem Olympischen Gedicht: »Das Beste ist das Wasser, Gold wiederum prangt wie nächtens leuchtendes Feuer / über allem stolzen Reichtum. / Wenn du aber von Kampfpreisen künden / willst, mein Herz, / dann suche neben der Sonne / auf dem einsam weiten Himmel kein Gestirn, das sein Licht am Tage wärmer verströmte« (Übers. v. E. Dönt).

Aber Schrecken hat sich in die Nacht gestohlen, in der Char sich heimisch fühlt, und nur die »yeux matinals«, die morgendlichen Augen der Spanienkämpfer, sehen noch Hoffnung, die bald schon enttäuscht wird, denn es schlafen nicht nur die Zerfetzten im Schlafsaal des Massengrabs, es schlafen auch die eidbrüchigen Franzosen, die den Spaniern die Hilfe versagen, ohne zu ahnen, was auf sie selbst zukommen wird. Char sieht seine Landsleute in Hypnose versetzt, aber nicht von der Rauchwolke seiner Gedichte: »Im Juli 1939, in der Hypnose von Paris, der eidbrüchigen Hauptstadt, sich ohne schwach zu werden den Verpflichtungen entziehen und das gemeinsame Leben mit unseren Melusinen und unseren Jugendspielzeugen wieder aufnehmen ... O lieber Picasso, Don Giovanni!« (700)

Hier feiert sich noch das künstlerische Gegenleben zum »kunstvollen Antileben (antivie artistique) des Nationalsozialismus, das sich nach und nach aller Hebel der Tätigkeit und des Wunsches bemächtigt«. Picassos Werk aber hat »bewusst oder unbewusst vorausschauend, lange bevor dieser Terror aufkam, dem Geist einen Gegenterror (contre-terreur) zu schaffen gewusst, den wir ergreifen und dessen wir uns aufs Beste bedienen müssen inmitten der Höllen, in die wir schon bald gestürzt werden«. Und ebendieses Werk vollziehe sich »par lunaison«, in der Umrundung des Mondes.

Der Mond ist das, was bleibt; er bescheint das somnambule Leben des Surrealismus und das schlaflose der Résistance. Im Licht des Mondes orientieren sich die Piloten der alliierten Flugzeuge und der Dichter, der sich in den »Feuillets d'Hypnos«, den Blättern des Hypnos, am »Feuer des Mondes, das nie eine Feuersbrunst sein wird« (209*), wärmt, am »Mond über Hypnos«, »voll heute nacht in jedem seiner Viertel, morgen Vision über ziehenden Gedichten« (215*). Das »Band zwischen Handeln und Schreiben wird sich unter dem Licht des Mondes knüpfen« (Albert Mingelgrün, »Agir - Écrire. Feuillets d'Hypnos de R.C.«, in »Littérature et Résistance«, Reims 2000).

Die Nacht behält also trotz ihres Schreckens den Vorzug, denn sie »bringt Nahrung« (392), bietet Schutz und mondhelle Freiheit, während der Tag mit dem finsteren Bild der Unterwerfung und Demütigung konfrontiert, im Zenit steht »die vorgezeichnete, die abscheuliche Blume«, die mit »ihren schwarzen Blütenblättern im irren Fleisch der Sonne quirlt« (184*), das Sonnensymbol also, das Hakenkreuz. Der Tag ist eine »Erhellung des Zuchthauses«, in dem Gedicht (»L'Éclairage du pénitencier« (144)) klingt er, »jour«, mit »joug«, dem Joch, zusammen. Über dem Kampf der Mondsüchtigen gegen die nazistischen Hypnotiseure steigt »La lune d'Hypnos« (640) auf, der Mond jenes Gottes Hypnos, der Mensch wird, »um diese lastende Hypnose zu wenden« (Mathieu), Hypnos, der Anführer des Widerstands.

3. Hypnos

Der Gott des Schlafes, Hypnos oder Somnus, ist wie sein Bruder, der Tod, Sohn der Nacht. Der »Schlaf und der Tod, die furchtbaren! Nimmer auf jene / Schauet Helios her mit leuchtenden Sonnenstrahlen, / Steig' er zum Himmel empor, und senk' er sich wieder vom Himmel«, heißt es etwa in Hesiods »Theogonie« (V. 752f., Übers. v. Voß). In jenem ersten Gedicht, das in seiner vollendeten Fassung »La Torche du prodigue« heißt, ist der Gott nicht allein in der »hypnose« zugegen, die sich wie sein Name vom griechischen Wort für Schlaf herleitet, auch die Fackel bezeugt die Nähe dieses Nachtwesens; als »schlafenden Genius, auf eine Fackel gestützt, sieht man ihn bei Creuzer, entlehnt von einer Grablampe von gebrannter Erde bei d'Agincourt« (»Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste«, Leipzig 1836).

Außerdem nimmt Hypnos bevorzugt in Höhlen, »cavernes«, Wohnung. In den »Metamorphosen« des Ovid heißt es: »Nah beim Land der Cimmerier erstreckt sich im hohlen Gebirge / Tief eine Höhle, das Haus und Gemach des untätigen Schlafgotts« (XI, V. 592f., Übers. v. H. Breitenbach). Bleibt zu bedenken, weshalb Char ihn mit dem Widerstand gleichsetzt.

Er selbst gibt diese Auskunft: »Hypnos ergriff den Winter und kleidete ihn in Granit. Der Winter wurde zu Schlaf, Hypnos zu Feuer. Das Weitere ist Sache der Menschen.« (172*) Es liegt ein harter Kontrast zwischen dem totenähnlichen Dämmern des Schlafgotts im Stein, im Granit, im »hohlen Gebirge«, in das kein Licht dringt - »Phoebusí Strahlen vermögen dort nie sich zu nahen: beim Aufgang / Nicht, noch um Mittag und nicht, wenn er sinkt; mit Dunkel vermischte / Nebel entsteigen dem Boden und Zwielichts Dämmerungsschleier« (Ovid, XI, V. 594-596) - und der wenn auch scheinhaften Lebendigkeit seiner Kinder, die allesamt Traumgötter sind, Morpheus, Icelos oder Phobetor und Phantasos.

Ihre Gabe ist die Mimesis, die Kunst.

»Doch von den Söhnen, den tausend, erweckt sich der Vater den einen, / Welcher, ein Künstler, versteht, nachbildend Personen zu formen, / Morpheus. Die Art des Schreitens, die Miene, den Klang in der Stimme, / All das weiß kein andrer geschickter als er zu gestalten. / Auch die Gewänder fügt er hinzu und die jedem gewohnten / Worte. Doch sind es nur Menschen, in die er sich wandelt. Ein zweiter / Macht sich zum Wild, zum Vogel, zur lang sich windenden Schlange; / Icelos nennen die Himmlischen ihn, die Menschen Phobetor. / Dann ist ein dritter vorhanden, ein Meister in anderen Künsten, / Phantasos; dieser versteht es, in leblose Dinge zu schlüpfen: / Täuschend gestaltet er Felsen und Balken und Wasser und Erde. / Diese pflegen sich nächtlicherweise nur Fürsten zu zeigen / Und dem Adel, doch andre durchschweifen die Leute des Volkes.« (V. 633-645)

Begibt sich also, in Gestalt seiner 1 000 Söhne, der Schlaf aus dem Stein, spendet er das Licht der Träume und der Kunst, muss er die, denen er sich zeigt, doch versteinern. Nirgendwo ist die Gefahr, die dann von ihm ausgeht, eindringlicher gestaltet als am Ende des V. Buches der »Aeneis«. Palinurus, der Steuermann, hält das Ruder in der Nacht, da tritt »sanftgleitenden Ganges« Hypnos auf, »Dir, Palinurus, zu nahn, und dir Unschuldiger, bringend / Träume des Wehs« (V. 840f., Übers. v. Voß). In der Gestalt des Phorbas flüstert er ihm ein, dem Meer selbst das Schiff zu überlassen, dem metrisch »gleich atmenden Wind« (aequatae spirant aurae) zu lauschen und zu ruhen. Noch sträubt sich Palinurus, er will dem »falsch lächelnden Antlitz« des »Scheusals« (monstrum) Meer nicht trauen, nicht den trügerischen Lüften (fallacibus auris) und auch nicht dem Himmel, der ihn so oft schon betört, geblendet, getäuscht (deceptus) hat, er stemmt sich gegen die Künste des Schlafgotts »und, fest an das Steuer sich schmiegend, / Ließ er durchaus nicht los und schauete fest nach der Sternbahn« (V. 852f.), Kurs zu halten, dem Trug zu widerstehen. Doch »Siehe der Gott mit dem Zweige, vom Tau der Lethe gefeuchtet / Und einschläfernden Kräften der Styx, umschüttelt ihm beide / Schläfen; und bald schwimmet des Sträubenden Augí in Betäubung.« (V. 854-856)

Nun geschieht etwas Seltsames, denn zwar stürzt Palinurus in die See und ertrinkt, aber, als ob Hypnos sein Versprechen doch wahr machte, für ihn das Schiff zu lenken, »fort auf der Meerbahn läuft nicht weniger sicher die Flotte« (V. 862), passiert sogar das »Felsengeklüft der Sirenen« (V. 864), und ebendahin treibt die Leiche des von Träumen, der Kunst des Körpers, überwältigten Steuermanns. »O der zu dreist du dem Himmel und heiterem Meere vertrautest, / Nackt nun liegst du hinfort an fremdem Gestadí Palinurus.« (V. 870f.)

Herman Melville, der von Char Hochgeschätzte, greift die Szene im 96. Kapitel des »Moby Dick« auf. Auch Ishmael wird auf der Nachtfahrt von Schlaf umfangen, »Starting from a brief standing sleep, I was horribly conscious of something fatally wrong«, er versucht, sich sträubend, die Lider offen zu halten und »convulsively« Kurs zu halten wie Palinurus, doch wie dessen »Träume des Wehs« kommt »a stark, bewildered feeling, as of death, over me«, eine »unnatural hallucination of the night«. Anders als Vergils Steuermann kann er den Trug abschütteln und rät: »Look not too long in the face of the fire, O man!«

Dem »antivie artistique« der Nazis leuchtet Hypnos Fackel heim. Doch das Feuer dieser Fackel bringt auch den Tod.

4. Capitaine Alexandre

Während des drôle de guerre ist Char im Elsass stationiert. »Im Mai/Juni 1940 zum Schutz eines Munitionstransports eingeteilt, stand ich mit zwei Untergebenen auf einer Art kleinem Lastwagen mit Maschinengewehr und sollte die Stukas im Auge behalten, die uns unaufhörlich angriffen. Ich hatte keine Sonnenbrille, die Sonne brannte mir in den Augen und ich hasste sie. Ich rief: 'Ich verabscheue das Licht, ich verabscheue die Sonne', und wann immer sich die Gelegenheit ergab, steckte ich meinen Kopf ins Wasser der Bäche.« (Gespräch mit France Huser, Le Nouvel Observateur, 3. März 1980)

Nach der Demobilisierung wird er von den Behörden gesucht. In einem Bericht der örtlichen Präfektur, den Char nach dem Krieg in den Akten der Gestapo in Avignon findet, heißt es über das Haus, in dem er vor dem Krieg gelebt hat: »In derselben Villa wohnten bis vor kurzem (...) der Kommunist René Char mit seiner Frau, einer jüdischen Pariserin (Georgette, geborene Goldstein, mit der Char von 1933 bis 1949 verheiratet ist; S.R.), deren jüdische Eltern sich nach L'Isle geflüchtet haben. (...) Der Kommunist René Char steht in fortwährendem Kontakt mit den militanten Kommunisten von L'Isle, sieht täglich Fay, den Vorsitzenden der wichtigen und umtriebigen Parteigruppe von L'Isle.« (zit. n. Marie-Claude Char, »R.C. Dans l'atelier du poète«, Paris 1996)

Von einem Polizisten rechtzeitig gewarnt, versteckt er sich, seine Familie und Freunde, schließt sich wenig später dem Widerstand an, bewährt sich und führt seit 1942 - zu der Zeit, als die Wehrmacht in den von Vichy kontrollierten Süden Frankreichs einrückt - die Abteilung der S.A.P., Section atterrissage et parachutage, der Fallschirm-Landetruppen in Céreste (Basses-Alpes) im Rang eines Hauptmanns; er wird, mit dem Namen eines Heerführers, zu Capitaine Alexandre.

Im Gegensatz zur Mehrzahl der französischen Schriftsteller, die deutschfeindlich eingestellt ist, aber Konsequenzen kaum zu ziehen bereit ist, bricht Char Ende 1939 die Verbindung zum Literaturbetrieb ab und wird bis zur Befreiung im August 1944 keine Zeile mehr veröffentlichen. Char, für den mit Rimbaud die »Dichtung aufgehört hat, ein literarisches Genre zu sein« (731), bleibt ein Dichter. Während seiner Gewaltmärsche auf dem Luberon 1940 entsteht »Partage formel« (Ausdrücklicher Anteil); Veyne berichtet er: »Ich trug Zettel und Bleistift bei mir. Ich dachte, die Dichtung werde, vielleicht für Jahrhunderte, verschwinden, weil, selbst wenn die Nazis uns nicht töteten, wir niemals wieder atmen könnten. Also musste doch ein letztes Mal gesagt werden, was war, bevor die Dichtung erstickt wurde und verschwand; das Wort des Dichters musste eingegraben werden. Es war, selbst wenn meine Blätter niemals wiedergefunden würden, eine Art Testament der Dichtung, weil ein Testament nicht bekannt zu werden braucht, um zu bestehen.«

Gehetzt, wie er von nun an leben muss, schreibt er nur mehr selten Gedichte. Es bleibt allein Zeit für Notizen, Gedankensplitter, Versuche. Lyrische Bruchstücke mischen sich mit Gedächtnisstützen und Berechnungen, ohne Unterschied in ein Heft eingetragen, von dem sich eine einzige Originalseite erhalten hat:

»Abgabe für die Gruppe von Léon (in den Eichen): 113,50 Francs
Versetzung Félix und Halbstiefel: 100 Francs
- - - - - - - - - -
Komm zu uns, die wir taumeln von Sonnenbränden, Schwester, die du
keine Verachtung kennst, Nacht! (218*)
- - - - - - - - - -
Dies ist die Stunde, da die Fenster der Häuser sich davonmachen, um sich
am äußersten Rand der Welt zu erhellen, da, wo unsere Welt dereinst tagt.
(218*)
- - - - - - - - - -
Schuster: Vorsicht bei der Auslage, in der Werkstatt reparieren. Man sieht
sie zu häufig in seiner Nähe.
- - - - - - - - - -
(folgen mehrere durchgestrichene Sätze)
- - - - - - - - - -
Arznei Félix: 100 Francs
Kornkauf, 3 Säcke zu 80 Kilo: 3.250 Francs
Was wollte diese Frau im schwarzen Umhang?« (zit. n. Mathieu)

Die Sorgfalt, die er dem Schuhkauf widmet, erinnert an sein entzücktes »Ich will darauf achten, dass man sie mit Schuhwerk versieht, wie es die Götter tragen!« (194*), aus Freude darüber, dass die Wilderer der Gegend sich seinem Kampf anschließen. Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner besteht die Résistance aus einer Handvoll Abenteurer und Verrückter, aus »einigen wild entschlossenen und wohl unterrichteten Offizieren, ganz wenigen hohen Funktionären, die Charakter besaßen, Jesuiten, die wussten, was Nazismus ist, mutigen Militanten, die außerhalb der Gesellschaft lebten, einem leidenschaftlichen Royalisten oder einem Bischof, den der Antisemitismus empörte, einem schrulligen Krauter von der Action française« (Veyne), aber weder aus Intellektuellen noch aus Realisten, denn, so Char, die Aufständischen »glaubten an etwas«. Nach dem Krieg gehört er zu den Ersten, die sich gegen Säuberungen aussprechen und damit zugleich gegen eine Idealisierung des Widerstands, der gewiss ein Ruhmesblatt Frankreichs ist, aber auch ein Feigenblatt (die nahezu rückhaltlose Unterstützung des Vichy-Regimes durch sowohl die rechte als auch die linke Elite beschreibt R.O. Paxton in »Vichy France«, London 1972).

Als ihn das Oberkommando der Résistance 1944 nach Algier beordert, versteckt er sein Notizheft in einem Mauerloch. Nach der Befreiung beginnt er eine Überarbeitung, das Original und die Abschriften zerstört er fast vollständig. Das Albert Camus gewidmete Büchlein mit insgesamt 237 Notaten erscheint im Juni 1946. Aus den flüchtig hingeworfenen Sätzen sind die »Feuillets d'Hypnos« (Blätter des Hypnos) geworden, aus Capitaine Alexandre Hypnos.

5. Winter und Kerze

»Hypnos ergriff den Winter und kleidete ihn in Granit.« Im Winter 1943/44 verschärfen sich die Truppeneinsätze gegen den Maquis (wörtl. Unterholz, der militante Widerstand). Das Marinegruppenkommando meldet im Januar: »In allen Fällen wird den Terroristen gegenüber schonungslos durchgegriffen. Wo erforderlich, werden in sofortiger Vergeltung Kollektivstrafmaßnahmen durchgeführt. Hierunter fallen zahlreiche sofortige Erschießungen sowie umfangreiche Verhaftungen mit anschließender Überstellung der Verhafteten zur Zwangsarbeit in das Reich. Häuser und Gehöfte, aus denen geschossen wurde, werden seit mehreren Wochen grundsätzlich sofort niedergebrannt.« (zit. n. Ahlrich Meyer, »'Die friedlichen Zeiten sind vorüber'«, in S. Martens / M. Vaïsse, Hg., »Frankreich und Deutschland im Krieg«, Bonn 2000)

Ab Februar gilt der so genannte Sperrle-Erlass des Oberbefehlshabers West, der die Hinrichtung von »Freischärlern« vorschreibt. Da die Erfolge nicht immer den Wünschen der Wehrmacht, Polizei und Gestapo entsprechen, hält man sich an der Zivilbevölkerung schadlos. Wie später die SS-Division »Das Reich« umstellen zu dieser Zeit Truppen der Wehrmacht »planmäßig größere Gebiete, besetzten die Dörfer, nahmen nach vorbereiteten Listen eine 'Sichtung' aller männlichen Bewohner vor, führten summarische Hinrichtungen durch, plünderten, brannten Gehöfte und Weiler nieder, verhafteten Refraktäre und jüdische Flüchtlinge, die nicht ihren Kugeln zum Opfer gefallen waren, um sie dem SD zu übergeben«. (Meyer)

Um die Bevölkerung und die Soldaten aufzuhetzen, wird das Bild eines jüdisch-kommunistischen Widerstands an die Wand gemalt. »Wer waren die Anführer der Terroristen? Wir haben die Gesichter der Festgenommenen betrachtet. (...) Es sind die Gesichter von Juden, geflüchteten Rotspaniern und englischen Agenten«, heißt es in einem Artikel der Propagandakompanie 619 vom 19. März 1944. (zit. n. Meyer)

Für Char und seine Freunde ist dieser »Winter 1943/44 von allen derjenige, in dem wir uns im Maquis den härtesten Prüfungen ausgesetzt sahen. Die Repressalien der Deutschen, die Militär-Expeditionen vervielfachten sich, während der Leuchtturm von Algier nur von weitem mit den Augen blinzelte. Aber sein Herz hörten wir nicht mehr schlagen ... Hoffnung wechselte sich mit der grausamsten Verzweiflung ab, unsere Einsamkeit war so groß wie unsere Brüderlichkeit.« (Char, Marginalie in Max Fischers Exemplar der »Feuillets«, zit. n. Mathieu)

General de Gaulle, der die Kämpfenden im Stich lässt und später den gerade der Hölle Entronnenen in Algier nichts anderes zu fragen weiß als: »Hatten Sie eine gute Reise?«, hasst Char sein Leben lang mit Inbrunst. Einen »Hl. Michael ohne Nächsten« (634) nennt er ihn und »diesen der Tombola entsprungenen Hornisten von Saint-Cyr, den der Adler der Götter niemals zum Himmel erhob« (651).

In diesem Winter aus Granit wechselt sich das Hoffen auf ein Zeichen des »phare d'Alger«, des Leuchtturms von Algier, mit der Hoffnung des Hoffnungslosen ab. In sein Heft notiert er: »Nach dem kurzen Regenschauer (London) ziemlich niedergeschlagen; eben noch, dass er die Sehnsucht nach Beistand weckt.« (193*) Die onde, die Kurzwelle des Londoner Senders, wird zu »ondée«, einem kalten Guss.

Doch er schreibt auch: »Wir gehören niemandem, es sei denn dem Goldflämmchen jener uns unbekannten, uns unerreichbaren, den Mut und das Schweigen wach haltenden Lampe.« (176*) Der »point d'or« der Lampe korrespondiert der »voix d'or du méteore« (»In der Goldstimme des Meteors: alle Strahlkraft des Augusthimmels, alle Strahlkraft unserer mitwissenden Angst.« (231*)), und Mathieu hört in »l'orvet, fils du verre« (»Blindschleiche - das Glaskind« (217*)), nicht nur den Namen eines Kampfgefährten, Lefèvre, sondern auch den Goldschmied, l'orfèvre.

Das Glitzern der Blindschleiche, der Meteor am Abendhimmel und die Lampe - diese Lichter in der Nacht sind Gold gegen das blecherne Blinzeln des Leuchtturms, den Londoner Kurzwellenregen. »Or«, das leuchtende Metall, ist kostbar wie die Konjunktion or, das »Also« des Im-Sprechen-Fortfahrens, Weiterschreitens und Weiterscheiterns. Gemeint ist bei Char, der nie Kommunist war, nicht das »Trotz alledem!« des nicht zu verdrießenden Genossen, sondern die »santé du malheur« (748), die Gesundheit des Unglücks, der starke Pessimismus des Nietzscheaners. »Ob Leuchter oder Meteor, es ist kein schweres Herz mehr, keine Zukunft mehr auf Erden.« (229*)

6. Georges de La Tour

In der nächtlichen Szenerie strahlt das Bild der angezündeten »Laterne« (130), der »im Norden des Herzens sich neigenden Kerze« (179*) oder der »unvergänglichen Blume: des Feuers« (643) auf, hell in der Passage, die einem Gemälde des Lothringer Meisters Georges de La Tour (1593-1652) gewidmet ist. Es zeigt eine Frau in Reifrock, Schürze und Haube, die, sich zu ihm hinabneigend, auf einen sitzenden, halbnackten alten Mann einredet, der seine Hände wie im Krampf zusammenpresst. Beide blicken sich an. Die Frau zeigt mit der Linken nach draußen, der Mund des selbstvergessen zuhörenden Greises steht leicht offen. Der Tontopf unter seinem Stuhl ist zerbrochen. Den Mittelpunkt bildet eine Kerze, das einzige Licht im düsteren Raum, sie lässt das Gewand der Frau blutrot aufglühen und den ohnehin ausgezehrten Leib des Mannes noch bleicher erscheinen. Auf sein bärtiges Gesicht wirft sie harte Schatten und ihre Hand zeichnet sie auf die ansonsten kahle Mauer.

»Die farbige Reproduktion des 'Gefangenen' von Georges de La Tour, die ich an die weiß getünchte Wand des Raumes geheftet habe, in dem ich arbeite: je mehr die Zeit verstreicht, desto stärker scheint sie ihren Sinn auf unsere Lage zurückzustrahlen. Sie schnürt das Herz zusammen, gewiss, doch wie löscht sie den Durst! Kein einziger Widerstandskämpfer seit zwei Jahren, der, zur Tür hereingekommen, sich nicht die Augen verbrannt hätte an den Beweisen dieser Kerze. Die Frau erklärt, der Ummauerte lauscht. Die Worte, die von dieser irdischen Engelsgestalt herabfallen, sind die wesentlichen, unverzüglich bringen sie Hilfe. Die Züge des in der Tiefe des Kerkers Sitzenden: die Talgminuten des Lichts dehnen sie, lassen sie verfließen. Der Mann ist ausgetrocknet wie eine welke Nessel - keine Erinnerung, bei der er erschauern könnte. Die Schüssel ist eine Ruine. Aber das gebauschte Kleid füllt plötzlich den ganzen Kerker aus. Das WORT der Frau setzt das Unverhoffte in die Welt - keine Morgenröte, die es ihr hierin zuvortun könnte. Dank sei Georges de La Tour, der die Hitlernacht bezwang mit einem Gespräch von Menschen!« (218*)

Wie die Hypnose der Nazis zu der der Surrealisten, so verhält sich die »Hitlernacht« (les ténèbres hitlériennes) zu der der »imagination nocturne«, der Nazismus bemächtigt sich »der Tätigkeit und des Wunsches«, schiebt sich zwischen Wirklichkeit (réalité) und Darlegung (exposé). »Zwischen der Wirklichkeit und ihrer Darlegung gibt es dein Leben, das die Wirklichkeit verherrlicht, und diesen Nazi-Abhub, der ihre Darlegung zuschanden macht.« (204*) Und so gibt es einerseits jenes lichte »WORT« (Verbe), das »Rede des höchsten Schweigens« (179) ist, und andererseits die »Wortnacht« (les ténèbres du Verbe), die »mich unempfindlich« (198) macht. »Das Licht ist aus unseren Augen verjagt worden.« (201*) Also gilt es, die »Phantasie (imagination) aller jener (zu) durchsonnen (ensoleiller), die mit der Zunge anstoßen, wenn sie sprechen, erröten, wenn sie etwas bekräftigen sollen. Es sind standhafte Partisanen.« (189*)

Die Frau sagt das »WORT«, aber die Kerze (chandelle) singt (chante) es, sie ist es, die das Gold des Morgens (l'aurore) ankündigt und die Imagination des mit der Zunge anstoßenden Ummauerten durchsonnt. Freilich steht Char mit seiner Deutung des Gemäldes allein. Seit Werner Weisbachs Buch über »Französische Malerei des XVII. Jahrhunderts« (Berlin 1932) wird das Werk als »Hiob, von seiner Frau verspottet« geführt und für eine Darstellung von Hiob 2,9f. gehalten; Gott und Satan wetten, wer die Macht über Hiob erlangen kann, der Satan belegt den Frommen mit Aussatz, seine Frau will Zweifel an Gottes Barmherzigkeit säen: »Vnd sein Weib sprach zu jm / Heltestu noch fest an deiner frömkeit? Ja / Segene Gott vnd stirb. Er aber sprach zu jr / Du redest wie die nerrischen Weiber reden. Haben wir guts empfangen von Gott / vnd solten das böse nicht auch annemen?« (Übers. v. Luther)

Doch genau dies ist nicht zu sehen, weder Spott noch Zweifel, eine Handreichung, aber keine Herablassung auf der einen, Fatalismus eher als Frömmigkeit auf der anderen Seite. Jacques Thuillier (»Georges de La Tour«, Paris 1992) räumt ein, weder könne der dargestellte Alte für den Trotz Hiobs herhalten noch die Frau als eine Abgesandte des Satans gelten. »Man sollte denken, dass Hiobs Frau nicht, präzise profiliert, von ihrem roten Gewand herab fragte und sich entrüstete, dass weder ihre Schürze von solch kraftvollen Vertikalen vertieft wäre noch ihre angewinkelte Hand solche Zartheit besäße, wäre La Tour nicht auch von ihr eingenommen, wäre er nicht auch diese Frau, die sich beklagt und wünschte, der kauernde Greis öffnete sich, erhöbe sich wieder, strebte danach, seine Gesundheit und seine Reichtümer wieder zu erlangen.« Tatsächlich stützt sich (so Philip Conisbee, »Georges de La Tour and His World«, Washington u.a. 1997) die Deutung, es handele sich um Hiob und seine Frau, auf ein einziges Detail, den zerbrochenen Napf. »Vnd er nam eine scherben vnd schabet sich / vnd sass in der asschen« (2,8), mit einer Scherbe kratzt sich Hiob den Aussatz vom Leib.

Dass das Gemälde, was es auch immer darstelle, Klarsicht mit Geheimnis verbindet, wird kein Betrachter bestreiten können, und wie alle nocturnes von La Tour bietet es nicht das Fett der Erbaulichkeit, wohl aber den »Dolch der Flamme, der Öl auf die unmögliche Lösung gießt« (276), die Misere des Lebens und ihre Wende. Jean-Dominique Poli (»Pour R.C.«, Le Poiré-sur-Vie 1997), bemerkt, dass »je mehr wir die Flamme, von ihr wie ein Insekt fasziniert, betrachten, um so mehr erkennen müssen, dass sie aus dem Stoff gemacht ist, den sie in Liebe verzehrt«. Die »Talgminuten des Lichts« sind gezählt, es verbraucht sich in der Liebe. Kein himmlisches Licht also, sondern ein zutiefst irdisches, eine »Kerze, beweglich wie der Blick« (»La Nuit talismanique«, zit. n. Eric Marty, »R.C.«, Paris 1990).

7. Feuer und Winter

»Der Winter wurde zu Schlaf, Hypnos zu Feuer.« Wenn La Tour Fackeln, Kerzen, Flammen gestaltet, dann stets gleichzeitig als ein in Augen und Spiegeln widerscheinendes Wunder (deutlich in »Die Anbetung der Hirten«, »Das Neugeborene«, »Die Würfelspieler«, »Die Magdalena mit den zwei Flammen«, »Das Blasen in die Glut«), und als Abbrennendes, Verlöschendes, das er häufig mit Totenschädeln assoziiert (etwa in »Die bußfertige Magdalena«, »Magdalena mit der rauchenden Flamme«, »Die Ekstase des Hl. Franziskus«). Die doppelte Bestimmung des Feuers als Leben und Tod mag sich aus der Vorstellungswelt des Barock erklären, Char, der sein Leben lang Heraklit las, muss sie an diesen Denker des Widerspruchs erinnert haben.

Feuer ist für Heraklit das ursprüngliche, alles bestimmende Element. Es gibt, indem es nimmt, und indem es vergeht, besteht es. (Absurd erscheint das nur dem, der, wie Lukrez, »De rerum natura«, I, 635ff., das Element für ein natürliches, nicht für ein buchstäbliches hält.) Einige Fragmente nach der Nummerierung von Hermann Diels mögen den Zusammenhang zeigen: »In der Nacht entzündet der Mensch ein Licht für sich selbst, sterbend, seine Sehkraft ist erloschen; dennoch lebendig, rührt er an den [bzw. entzündet er sich an dem] Toten im Schlaf, seine Sehkraft ist erloschen; im Wachen rührt er an den [bzw. entzündet er sich an dem] Schlafenden. (B 26) [...] das Feuer sei vernünftig. [...] (B 64) Alles steuert der Blitz. (B 64a) Er nennt [das Feuer] Mangel und Sättigung. (B 65) Über alles wird das Feuer, sagt er, einmal herangekommen, urteilen und es verurteilen. (B 66) Der Gott ist Tag-Nacht, Winter-Sommer, Krieg-Frieden, Sättigung-Hunger - alle Gegensätze, das ist die Bedeutung -; er wandelt sich, genau wie Feuer, wenn es sich mit Duftstoffen verbindet, nach dem angenehmen Eindruck eines jeder [der Duftstoffe] benannt wird. (B 67) Sich wandelnd ruht es aus. (B 84a) Alles ist austauschbar gegen Feuer und Feuer gegen alles, wie Waren gegen Gold und Gold gegen Waren. (B 90)« (Übers. v. J. Mansfeld)

Mangel und Sättigung, Zerstörung und Bewahrung erzeugen einander im Widerspruch, halten einander in der Spannung; so löscht das Licht der Frau in Rot den Durst der Blicke und verbrennt den sie Betrachtenden zugleich die Augen, so können, eben weil sie vergehen, die »Talgminuten« (minutes de suif) der Kerze »unverzüglich Hilfe bringen«, so kann sie das Gesicht des Leidenden zugleich anziehen (tirer) und verfließen lassen (diluer) wie der Mond das Meer.

Heraklit, wie Char ein Schattenloser, ist selbst dieses Feuer, das nehmend gibt und vergehend lebt, er verkörpert die poetische Sprache, weil er die »souveräne Macht des 'Ascien'« besitzt, »die die Sprache mit Offenheit schlägt und mit Bewegung begabt, indem sie sie ihrem eigenen Verzehr dienen lässt. Indem er sich vom Anderen absetzt, teilt er mit ihm die Transzendenz. Jenseits seiner Lehre bleibt zeitlose Schönheit im Angesicht der Sonne, die auf der Mauer reift, aber die Frucht ihres Strahls woanders trägt. Heraklit rundet jene Moderne ab, die sich im Zeichen des Dionysos und der Tragödie zu einem letzten Gesang anschickt. Sein Weg mündet in der dunklen und blitzerhellten Etappe unserer Tage. Sein Finger, sein Zeigefinger mit dem abgerissenen Nagel, streicht über unsere Lippen wie eine erfüllte Eintagsfliege.« (721)

Vor 2 500 Jahren kündigt eine Eintagsfliege, deren Tag sich erfüllt, die von Blitzen zerrissene Nacht der Moderne an. Heraklit legt, so definiert »Partage formel« penibel, den »Akzent auf die exaltierende Allianz der Gegensätze« und sieht in ihnen den »Motor, Harmonie herzustellen«. Das erinnert an das Bretonsche Ideal einer »Resorption der Gegensätze« und deren hegelianische Aufhebung (Marty), doch gerade sie ist hier nicht gewünscht. Ein weiterer wesentlicher Unterschied kommt hinzu: Die Heraklit-Maschine des Surrealismus führte »in dem Moment, in dem die Fusion dieser Gegensätze sich ereignete, einen Zusammenprall unbestimmten Ursprungs« herbei, der »zersetzend und einsam ein Gleiten der Abgründe« provozierte. Dagegen besteht Char darauf, der Dichter selbst müsse eingreifen und mit »le feu d'une démiurgie miraculeuse«, mit dem Feuer des wundertätigen Demiurgen, das Chaos gliedern, die Gegensätze »personifizieren«, denn »Dichtung und Wahrheit sind, wie wir wissen, Synonyme« (159).

In der Zeit des Widerstands begründet sich so die Zurückweisung einer unpersönlichen Lesart dieser Dichtung und eines rein technischen und destruktiven Gebrauchs ihrer Mittel. Die Gegensätze müssen auf die Person bezogen werden, nur so beruhigen sie sich nicht. Denn allein der Rauch, der von einem »wahren Feuer« (490) aufsteigt, verspricht Anders-Werden. Das Wahre, Schöne, Gute bilden eine Einheit, und doch ist niemand von der Ästhetik der Weimarer Klassik weiter entfernt als dieser Hüter des Feuers, »das Absage singt« (216*; le feu qui chante le refus).

Die Kraft des Widerspruchs, das Gesetz des Feuers manifestieren sich überall im Werk Chars, sie sind dieses Werk selbst. »Inmitten der Dichtung wartet ein Widersprechender deiner. Das ist dein Herrscher. Bekämpfe ihn loyal (loyalement).« (754) »Wie erschien mir die Schrift? Wie der Flaum eines Vogels auf meinem Fenster im Winter. Zugleich entflammte in meinem Herd der Kampf der geschürten Scheite (tisons), der bis jetzt kein Ende genommen hat« (377), »Die Tinte des Schürenden (tisonnier) und die Röte der Wolke sind eins« (266).

Der Titel von »Le bibliothèque est en feu« (Die Bibliothek steht in Flammen; 1956) geht zurück auf eine chiffrierte Botschaft des Londoner Senders, die einen Fallschirmabsprung ankündigt, und ist zu einer leicht zu dechiffrierenden Botschaft des Dichters geworden. Weil die »wahren, reinsten Baumeister die Schläfrigkeit (léthargie) der Festungen hassen«, ist eine Bibliothek in Flammen die einzige, die jenen Genüge tut und, wenn auch vorübergehend, besteht, und es werden, wenn auch vorübergehend, die »Feuillets« bestehen, weil aus ihnen Feuer, feu, schlägt: »Für ihr Erscheinen hätte ebensogut ein Feuer von dürren Gräsern sorgen können.« (173*)

Weil der Gott mit der Fackel, mit Heraklit gesprochen, sich wie Feuer wandelt, Winter und Sommer zugleich ist, Leben und Tod, Schlaf und Wachen, und nur als Widerspruch in flagranti auftritt, besitzt er selbst die Kraft zu wandeln, Winter in Stein, Schlaf in Feuer. Es ist eine dichterische und tödliche Kraft, die in seinem Namen beschlossen liegt, der mit dem Atem, also der Dichtung, beginnt, und mit dem Tod endet: »Hypnos, männlicher Gott, nicht weibliche Gottheit, ergreift den Winter mit der ganzen Macht des Anhauchs seines Initials und versteinert, verknöchert ihn mit der ganzen Härte seiner Endsilbe« (Mathieu), also mit os, dem Knochen. Der Anklang von Hypnos an hiver, den Winter, markiert zugleich Nähe und Abstoßung der einander feindlichen Mächte.

8. Heirate oder heirate nicht

»Das Weitere ist Sache der Menschen.« Weil Capitaine Alexandre sich in den Gott Hypnos verwandelt, verwandelt sich dieser in einen Menschen. »Hypnos ist ein Menschenname«, heißt es in einem Brief an den Schriftsteller Gilbert Lely (17.7. 1945; zit. n. Mathieu). Als Führer des Widerstands erteilt Hypnos seinem Kampfgefährten Léon Saingermain (alias Pierre Zyngerman) Anweisungen, unter anderem für die Sicherung der Homodépôts, das sind befestigte Bodenstationen, in denen die Résistance, die das Landen und Starten der alliierten Flugzeuge schützt, deren Besatzungen unterbringt und Maschinen lotst.

»Dank für Homodépôt Durance 12. Tritt heute Nacht in Funktion. Darauf achten, dass die dem Gelände zugeteilten jungen Leute sich nicht allzuoft in den Straßen von Duranceville (d.i. Oraison; S.R.) sehen lassen. Mädchengesellschaft und Cafés gefährlich, wenn länger als eine Minute. Dennoch die Zügel nicht zu straff anziehen. Kein Einander-Bespitzeln in der Gruppe. Keine Verbindungen mit nicht zu unserem Netz Gehörenden. Großsprecherei stoppen. Bei Überprüfung von Nachrichten stets zwei Quellen. Im Auge behalten, dass in den meisten Fällen fünfzig Prozent Schwärmerei. Die Leute darin unterweisen, die Augen offen zu haben, genau zu berichten, die Arithmetik der Situationen zu erfassen. Umlaufende Gerüchte erst sammeln, dann synthetisieren. Treffpunkt und Briefkasten beim 'Weizenfreund' (d.i. Roger Chaudon, der 'den Getreidesilo in Oraison zu einer Gefahrenfestung ausbaute' (191*)). Möglichkeit Aktion Waffen-SS gegen Ausländerlager in Les Mées, mit Übergreifen auf Juden und Résistance. Spanische Republikaner äußerst gefährdet. Müssen unverzüglich gewarnt werden. Eigene Teilnahme an Kampfhandlungen möglichst vermeiden. Homodépôt sakrosankt. Bei Alarm sich zerstreuen. Außer um Kameraden zu befreien, Feind niemals Vorhandensein merken lassen. Verdächtige abfangen. Ich vertraue Ihrem Urteil. Lager wird niemals gezeigt. Kein Lager vorhanden, nur Kohlenmeiler, die nicht rauchen. Keine ausgehängte Wäsche, wenn Flugzeuge; alle Mann unter Bäumen oder im Gebüsch. Außer dem 'Weizenfreund' und dem 'Schwimmer' (d.i. der Verbindungsoffizier Gabriel Besson) wird niemand in meinem Auftrag zu Ihnen kommen. Härte und Aufmerksamkeit Ihren Leuten gegenüber. Disziplin, in Freundschaft gebettet. Bei der Arbeit immer ein paar Kilo mehr als jeder von ihnen, doch ohne sich darauf etwas einzubilden. Merklich weniger essen und rauchen als die andern. Keinen bevorzugen. Lügen nur dann dulden, wenn improvisiert oder absichtslos. Keine Zurufe aus der Entfernung. Auf saubere Körper und saubere Wäsche achten. Sie sollen lernen, mit leiser Stimme zu singen, keine Melodien zu pfeifen, die einen verfolgen, die Wahrheit so zu sagen, wie sie auf einen zukommt. Nachts am Wegrand entlanggehen. Ihnen die Vorsichtsmaßregeln andeuten, aber ihnen das Verdienst lassen, sie selbst gefunden zu haben. Wetteifern ist ausgezeichnet. Monotonen Gewohnheiten entgegenwirken und solche anregen, die man selber ungern dahinschwinden sähe. Und schließlich: die Menschen lieben, die sie lieben, im selben Augenblick wie sie. Addieren Sie, dividieren Sie nicht. Hier geht alles gut. Herzlich. HYPNOS.« (195f.*)

Die Aufzeichnungen des Hypnos sind durchsetzt mit Porträts der Freunde, der Kämpfer, der Gefallenen. Der 23jährige Dichter Roger Bernard, der auf dem Weg zum gemeinsamen Versteck die Vorsichtsmaßregeln missachtet, wird am 22. Juni 1944 von den Deutschen gefasst, er kann gerade noch den Zettel mit der Botschaft, die er überbringen soll, hinunterschlucken und wird vor den Augen Chars erschossen. Die Gestapo und die französische Polizei umstellen am 29. Juni das Dorf, in dem er sich versteckt hält, foltern einen Bewohner und schüchtern die anderen ein, aber niemand verrät ihn, er entkommt. »Unbändig habe ich sie an jenem Tag geliebt, meine Mitmenschen, weit über alle Aufopferung hinaus«, notiert er, setzt aber 1945 hinzu: »Ob es nicht eher der Zufall war, der mich an jenem Tag zum Fürsten erkor, und nicht das mir zugereifte Herz des Dorfes?« (206*)

Mehr als die Menschen ist es das Tal, das Widerstand leistet:

»Eines Tages während des Krieges bat man mich, in der Ebene von Valensole ein freies Feld zu finden, auf dem die alliierten Flugzeuge zur Not landen könnten. Ich fand einen passenden großen Acker, in dessen Mitte jedoch sich ein wunderbarer, jahrhundertealter Walnussbaum erhob. Der Besitzer willigte darin ein, den Acker abzutreten, aber weigerte sich beharrlich, den schönen Baum fällen zu lassen. Ich sagte ihm schließlich, weshalb wir das Feld brauchen; daraufhin gab er nach. Als wir damit begannen, den Stumpf des Baumes zu beseitigen und den langen und verzweigten Hauptwurzeln folgten, fanden wir die Gebeine eines Kriegers in seiner Rüstung, der da begraben lag. Dieser Mann musste ein Krieger aus dem Mittelalter gewesen sein und er musste, als er getötet wurde, eine Walnuss in seiner Tasche gehabt haben, denn die Hauptwurzel endete genau in der Höhe seiner Schenkel. Die Nuss hatte im Grabe ausgetrieben.« (zit. n. Veyne)

Die Erde trägt die Ernte des Widerstands, und noch der Colt in »Allem, ALL DEM gegenüber: ein Colt als Verheißung von Sonnenaufgängen!« (187) klingt an récolte (Ernte) an. So erklärt sich andererseits der Groll gegen die Pflanzen des Tals, die Bernards Ermordung reglos mit ansehen. »Ich bin heute auf dem Sonnenblumenfeld vorbeigekommen, dessen Anblick ihn zu begeistern pflegte. Die Dürre bog die Köpfe der so wunderbaren, der so nichts sagenden Blumen nieder. Ein paar Schritte davon war sein Blut verströmt, am Fuß des alten Maulbeerbaums, der mit der ganzen Mächtigkeit seiner Rinde (de toute l'épaisseur de son écorce) taub blieb.« (210*) Der »Horizont der Monstren war seiner Erde zu nahe gekommen.« (257)

Seiner Erde, nicht seinem Leben, denn das Gegenleben, der »Gegenterror (contre-terreur): das ist jenes kleine Tal, das sich nach und nach mit Nebel füllt, jenes flüchtige, einem Schwarm klammer Raketen gleichende Knistern der Blätter (...).« (209*) Auch hier gilt es, die lautliche Verklammerung der Wörter zu beachten; »fugace« (flüchtig), »feuilles« (Blätter), »fusées« (Raketen) verleihen dem mit Nebel gefüllten Tal etwas Unwirkliches, Entschwindendes, Fliehendes. Nur einsam Singende verlassen sich auf diesen unsicheren Boden. »Es war Nacht. Wir waren unter der großen Eiche der Tränen zusammengedrängt. Die Grille sang. Wie wusste sie, einsam (solitaire), dass die Erde (terre) nicht sterben wird, dass wir, die Kinder ohne Licht, bald sprechen werden?« (148) Die einsam Singende verlässt sich auf die Erde, weil es sie nicht gibt. »Die reinsten Ernten gehen aus einem Samen auf, der in einen Boden gesenkt ist, den es nicht gibt. Sie schließen alle Dankbarkeit aus, sie sind nur dem Frühling verpflichtet.« (195*)

Nicht Bodenständigkeit, sondern die Treue zum Vergehenden sichert den Widerstand. Char verlässt die Gegend seiner Kindheit nie auf lange und ist doch der, der schreibt: »Du hast wohl daran getan zu gehen, Arthur Rimbaud!« (275), und der die Erde besingt, an den sich die maquisards wie Schlangen schmiegen, ist derselbe, der feststellt: »In der Dichtung bewohnt einer nur den Ort, den er verlässt, schafft er nur das Werk, von dem er sich absetzt, bewahrt er nur die Dauer, indem er die Zeit zerstückelt.« (733) Es herrscht die Logik der Dichtung, nicht des Heimatschutzes.

Von dieser Art ist auch die Liebe zu den Menschen, mit denen er kämpft - stark, aber auf die Situation bezogen. Ein Veteran der Résistance ist Char nie geworden; nach der Befreiung lehnt er die ihm angebotenen Posten ab. Er will »zum Sprunge gehören. Nicht zu dessen Epilog, dem Gelage« (222*). Die »Feuillets« fassen die auflösbare Bindung zu den Mitkämpfern in das Verb »épouser« (heiraten): »Wir sind ein für allemal vor dem Wesentlichen die Ehe eingegangen.« (179) »Archiduc vertraute mir an, er habe die Wahrheit entdeckt, als er sich mit der Résistance verheiratete.« (182) »Heirate dein Haus, heirate es nicht.« (183)

Dieses letzte Notat spielt an auf eine Passage aus Kierkegaards »ekstatischem Vortrag« »Entweder - Oder«: »Heirate, du wirst es bereuen; heirate nicht, du wirst es auch bereuen; entweder du heiratest oder du heiratest nicht, du bereust beides.« (Übers. v. H. Fauteck)

9. Louis Curel

In der Ehe auf Zeit mit den Kameraden, den »compères«, spiegelt sich das Verhältnis zu den Eltern, zum früh gestorbenen Vater, »Der Dichter ist für lange Jahre zurückgekehrt ins Nichts des Vaters (néant du père)« (146), zur Mutter, die ihm nichts zu sagen hat, »Deine Nacht habe ich so kurz gewollt, dass deine stumme Rabenmutter (marâtre taciturne) alt wurde, bevor sie deren Kräfte empfing« (144).

Vater und Mutter schweigen beide, sein Schweigen aber ist eines, das dem poetischen Sprechen voraufgeht, ihr Schweigen ist eines, das es beendet. Die Mutter (mère) lässt der Dichter-Kämpfer zurück (derrière), »Weit hinter ihnen zurück, verriet ihre Mutter sie nicht länger, ihre so unbewegliche Mutter« (141), den Vater (père) entdeckt er, in drei aufeinander folgenden Fragmenten (Nr. 93-95) der »Feuillets«, im Geheimnis (mystère), »So viele Geheimnisse, die weder ergründet noch zerstört worden sind«, und im Stein (pierre), »Nüchtern wie die Steine, bleibe ich die Mutter ferner Wiegen«. Im mittleren wird die mystische Hochzeit vollzogen. »Heute morgen, als ich eine winzige Schlange beobachtete, die zwischen zwei Steinen hindurchglitt -: 'Die Trauerschleiche!' rief Félix aus. Der Verlust Lefèvres, der vergangene Woche getötet wurde, schimmert als Bild auf, als Aberglaube.« (198*)

Und als Schlange, als sich auf dem Boden Schlängelnder, begegnet er auch der Mutter, wenigstens ihrem Leib, wieder. »Wenn man der unteren Grasschicht glauben soll, wo heute nacht ein Grillenpaar sang: wie süß muss es doch gewesen sein, das Leben vor der Geburt.« (192*) »Wiese, du Gehäuse des Tags« (217*), kann er in einem entspannten Augenblick ausrufen und die »zarte, giftlose Schönheit« des »Wiesenvolks« rühmen, ohne dadurch vergessen zu machen, dass die Gesundheit des Wiesenvolks, zu dem er gehört, im feurigen Gift besteht, das es besitzt. »À la santé du serpent« (Auf die Gesundheit der Schlange) beginnt mit dem Satz: »Ich singe (chante) das Sengen (chaleur) mit dem Gesicht des Neugeborenen, das verzweifelte Sengen.« (262) Darin heißt es auch: »Wer auf die Welt kommt, um nichts in Aufruhr zu bringen, verdient weder Achtung noch Geduld.« (263)

»À la santé du serpent!« bekräfigt er später, »Ich wiederhole es: 'Auf die Gesundheit der Schlange!' Und mein Trinkspruch gilt euch, den Vögeln, im Kreis auf dem Boden oder auf den Ästen, zusammengekauert oder abwehrbereit. (Ich bin mitunter das, was morgen der erste Mensch sein wird, der in das wahnsinnige Abenteuer geworfen wird, für die Stunde ohne Begierde ins Sperma des Schöpfers.)« (1297)

Bukolik und »Poème militant« sind endgültig ununterscheidbar geworden in einem seinem Freund Louis Curel gewidmeten Prosagedicht, das im Juni 1943 abgeschlossen wird. Louis Curel ist wie sein Sohn Francis Kommunist und tritt wie dieser nach Bekanntwerden des deutsch-sowjetischen Paktes aus der Partei aus. Seiner politischen Haltung wegen werden ihm von der Gemeinde niedere Arbeiten zugewiesen. Er mäht die Wiesen in den Auen der Sorgue. Char nobilitiert ihn zu »Louis Curel de la Sorgue«, Louis Curel von der Sorgue.

»Sorgue, der du hervortrittst aus einem Vorhang schillernder Schmetterlinge, um dein Tagwerk eines Mannes zu vollbringen, deine Sichel des treuen Vorsitzenden (faucille de doyen loyal) in der Hand, die Spindel der Marter (crémaillère du supplice) am Strick um den Hals, wann werde ich erwachen und mich glücklich fühlen im modellierten Metrum (rythme modelé) deines tadellosen Roggens (seigle)? Blut und Schweiß (le sang et la sueur) haben sich in ihr Gefecht geworfen, das andauern wird bis zum Abend, bis zu deiner Rückkehr; Einsamkeit, deren Grenzen sich ausweiten und ausweiten. Die Waffe deiner Herren, die Uhr der Gezeiten, verwest vollends. Schöpfung und Spottgelächter trennen sich. Königsluft kündigt sich an. Sorgue, deine Schultern sind wie ein offenes Buch, das seine Lektüre empfiehlt. Als Kind warst du der Verlobte (fiancé) dieser Blume (fleur) auf diesem bezeichneten Wege im Felsen, der sich mit der Hornisse (frelon) verlor ... Gebeugt beobachtest du heute den Todeskampf des Verfolgers, der der Anziehung (aimant) der Erde die Grausamkeit zahlloser Ameisen entreißt, um sie als Millionen von Mördern gegen die Deinen und deine Hoffnung zu schleudern. Zerdrück also noch einmal dieses Pest-Ei (¦uf cancéreux), das sich widersetzt ... Ein Mann hat sich jetzt aufgerichtet, ein Mann in einem Roggenfeld, einem Feld, das einem mit Maschinengewehren niedergemähten Chor (ch¦ur mitraillé) gleicht, einem geretteten Feld.« (141f.)

Der historische Curel steht auf einer Wiese, Char versetzt ihn in ein Roggenfeld, denn der Dichter war, Kontrafaktur des christlichen Bildes, ein »faiseur de pain« (129), ein Brot-Macher (aber auch -Herbeizauberer), er verwandelte, wie es, im »Chant du refus« (Lied von der Weigerung (146)) heißt, »Leiden in Brot« (panifiait la souffrance), doch nun sind die einfachen Leute vom Tal, die Partisanen, die neuen Dichter, die »poètes du tympan«, die »Trommelfell-Dichter« (211*), befähigt zum Hören, Sehen, Schmecken der Natur um sie her. Louis Curel, der mit der kommunistischen Sichel, den Wetzstein an einer Schnur um den Hals, das Metrum vorgibt, der Bauer, dessen gebeugte Schultern ein offenes Buch sind, der der liebenden Anziehung der Erde gibt, was ihr entrissen wurde, der sich verirrte, als er der Hornisse folgte, die keinen Honig hervorbringt, aber sich nun, während sich die Tonfarbe des Verses abdunkelt (»à présent debout«), aufrichtet, um das Feld zu retten, ist, nachdem »die Uhr der Gezeiten«, also der Mond, untergegangen ist, der Dichter der Stunde, aber er ist, natürlich, auch der Schnitter.

10. Unsere Liebe Frau der Lichter

Das Tagwerk, das zu vollbringen ist, besteht auch im Töten, Char hat es nie verschwiegen. Können Denunzianten, die den Tod von maquisards verschulden - denn die Deutschen fackeln nicht lange -, gefasst werden, lässt Char sie hinrichten und richtet sie auch selbst hin. »Ich besorge es selbst« (178*), heißt es an einer Stelle der »Feuillets«, an einer anderen ist von »höllischen Pflichten« (200*) die Rede.

Veyne berichtet er, wie ihn eine Exekution wieder zur Kirche Notre-Dame-de-Lumières - also etwa Unsere Liebe Frau der Lichter, les lumières bedeutet aber auch Aufklärung - führt, zu der er als Kind mit seiner Mutter, der Frömmlerin, gepilgert ist.

»Ich bin während des Krieges wieder an dieser Kirche vorbeigekommen, als ich Céreste verlassen hatte, um einen Exekutionstrupp zu schützen, der zwei Milizionäre töten sollte. Mein Gewissen war ruhig, denn zuvor hatte ich sorgfältig überprüft, was diese Beiden zu verantworten hatten - Denunziationen, die zu Festnahmen und Folterungen führten. Aber angenehm ist es nicht, an einer Hinrichtung teilzunehmen, und sei es als Teil der Eskorte. Auf der Rückkehr von dieser Mission, kam ich wieder an diesem verwitterten, vom Regen ausgewaschenen Standbild von Notre-Dame-de-Lumières vorbei, dieser Statue nach Art von Saint-Sulpice. Aber ringsumher war Krieg, und diese Statue zerriss mir das Herz.«

Char, geharnischter Gegner des Christentums, schreibt in der Erinnerung an diese bitter-komische Madonnenbegegnung »À une ferveur belliqueuse« (Einem kriegerischen Eifer (277f.)): »Du bist der Augenblick der aufgeklärten Lüge, des schmutzigen Knüppels, der sträflichen Lampe. Mein Kopf ist hitzig genug, dich in Trümmer zu legen oder deine Hand zu ergreifen. Du bist schutzlos. (...) O Entschwundene, dreiste Bäuerin, die Lichter sind kalt, dort, wo die Menschen geboren sind.« Es ist auch die Stätte, an der die Menschen sterben.

Das Manuskript geht verloren, Char rekonstruiert für die 1947 erscheinende Fassung die Verse aus dem Gedächtnis und mildert sie unwillkürlich hier und da ab: »(...) Mein Herz ist stark genug, Störrische, dich zu ohrfeigen oder dich bei der Hand zu nehmen. An dir ist es, dich zu schützen. (...) O Entschwundene, Magd des Zufalls, die Lichter zeigen sich dort, wo der Ausgehungerte sie sieht.« (zit. n. Veyne) Einige Jahre später findet Georgette Char das ursprüngliche Manuskript in einem Kochbuch wieder, der Dichter entscheidet sich für die harte alte Fassung.

Für nicht mehr als winterliches Licht sorgen die kalten Kerzen der Kirche und die Kamine des aufgeklärten Frankreich, und manchmal können sich die Aufständischen nur an Ginster und Granaten wärmen. Diese beiden Notate (Nr. 120 und 121) folgen in den »Feuillets« aufeinander: »Du hältst ein Zündholz an deine Lampe, und was aufscheint, spendet kein Licht. Weit, sehr weit von dir leuchtet er, der Kreis«, »Ich zielte auf den Leutnant, Esclabesang auf den Obersten. Der blühende Ginster verbarg uns hinter seinem flammend-gelben Dunst (vapeur jaune flamboyante). Jean und Robert warfen die Granaten. Sofort trat die kleine feindliche Kolonne den Rückzug an. Bis auf den MG-Schützen, der jedoch nicht dazu kam, gefährlich zu werden: es riss ihm den Bauch auf. Wir stiegen in die beiden Wagen und machten uns davon. Die Mappe des Obersten war höchst aufschlussreich.« (203*)

Francis Curel, dem Jugendfreund und Mitkämpfer, klagt Char 1943:

»... Ich werde niemals vergessen, dass man mich - für wie lange? - gezwungen hat, ein Monstrum der Gerechtigkeit und der Unnachsichtigkeit, ein eingekerkerter Vereinfacher, eine arktische Persönlichkeit zu sein, die sich für das Schicksal von niemandem interessiert, der sich nicht mit ihr verbündet, um die Hunde der Hölle niederzuschlagen. Die Razzien gegen Juden, die Skalp-Sitzungen auf den Kommissariaten, die terroristischen Übergriffe der Hitlerschen Polizeitruppen auf verschreckte Dörfer, empörten mich aufs Höchste, hämmerten rotes Gusseisen in die Risse meines Gesichts. Was für ein Winter. Wenn ich schlafe, harre ich in einer Gruft aus, die mir die Dämonen gerade mit Dolchen und Pestbeulen geschmückt haben. Der Humor ist nicht länger mein Retter. Was mich bedrückt und mich aus der Fassung bringt, ist, dass der Nation im Innern, durch einander feindliche Strömungen, gefolgt von trüben und allzu nachgiebigen Kräften, die Spitze genommen wurde - die Unterdrückung der Arbeiterpresse und die grausamen Expeditionen in den Kolonien beiseite, Dolch, den der Klassenhass und die ewige Habsucht den zuvor Ausgestoßenen ins Fleisch stößt -, dass es so viele nachdenkliche Individuen gibt, die den Lockvögeln der Folterknechte erliegen und sich in deren Legionen einreihen. Welches Vernichtungsunternehmen verschleiert seine Ziele weniger als dieses? Ich begreife es nicht, und wenn ich es begreife, erschreckt mich, was ich zu fassen kriege. Nach dieser Maßgabe ist unser Planet heute Abend nicht mehr als die Kugel eines unermesslichen Schreis in der Kehle des zerrissenen Unendlichen. Es ist möglich und es ist nicht möglich.« (633)

Im September 1943 werden Francis Curel, seine Frau, sein Bruder und seine Mutter verhaftet, Curel wird ins Konzentrationslager Linz deportiert. »Mein Bruder, der Baumputzer, von dem ich ohne Nachricht bin, pflegte sich scherzend einen Hausfreund der Katzen von Pompeji zu nennen. Als wir erfuhren, dass sie ihn, den Weitherzigen, deportiert hatten, ließ sein Kerker sich nicht mehr auftun, trotzten Ketten seinem Mut, hielt Österreich ihn fest.« (177f.*) 1945, als Curel aus dem KZ zurückkehrt, macht Char auf das Schicksal der heimkehrenden Häftlinge aufmerksam.

11. Blitz

Bevor er am 16. Juli 1944 de Gaulles Befehl folgt, nach Algier zu fliegen, warnt ihn Roger Chaudon vor den Intrigen, die ihn dort erwarten. Die Warnung wird sich als nur allzu berechtigt erweisen. Die Reise rettet Char gleichwohl das Leben, Chaudon wird noch am selben Tag festgenommen, seine Freunde finden ihn zwei Tage später, von der Gestapo lebendig begraben. Der Abreisende betrachtet in »Lune d'Hypnos« das Tal, das ihn grüßt: »Feuer, Strohfackeln entzünden sich überall, steigen von der Erde auf, Rauchwolken (bouffées) leuchtender Rede, die sich an mich, der davonfliegt, richten. Aus der Hölle, im Vorbeifliegen, reicht man mir dies Band, diese wie ein Schrei schneidende Freundschaft, diese unvergängliche Blume: das Feuer (cette fleur incorruptible: le feu).« (643)

Am Ende hat Hypnos-Prometheus, der das Feuer brachte, es selbst zurückerhalten, von dem Tal, von den Menschen, mit denen er kämpfte. Als er mit ihnen zusammen ist, wissen die meisten nicht einmal, dass Char ein Dichter ist, und er ist es zu dieser Zeit weder im traditionellen Sinn noch in dem der Résistance-Dichter Aragon, Eluard, Emmanuel. Nicht mit dem, was er schreibt, hilft er, aber damit, dass er schreibt. Zyngerman legt das in seiner Erinnerung nahe: »René Char blieb besonders gelassen in unerwarteten und in ungewöhnlichen Situationen; er schien nachgerade eine Vorliebe für sie zu besitzen, zweifellos aufgrund des ihm eigenen Charakters eines Dichters. Vielleicht weil diese Situationen, die mit der Plötzlichkeit eines Blitzes eintraten, eine Blitzantwort forderten und jede Bloßstellung unmöglich machten. Ohne die Dichter, die die Verbindung herstellen und das Leben weitergeben, verlöre sich, glaube ich, das Leben.« (L'Herne, »R.C.«, hg. v. D. Fourcade, Paris 1971)

»Alles steuert der Blitz«, sagt Heraklit, »Wenn wir einen Blitz bewohnen, ist er das Herz des Ewigen« (266), sagt Char, der das Leben nicht im ruhigen Puls, sondern im Schlag sucht. »Der Blitz dauert mir.« (378) Gerade im Plötzlichen des Blitzes erhält sich diese Dichtung, die weder von eherner Tradition noch von ewiger Dauer etwas wissen will, »im selben Zug ballt der Blitz die Ewigkeit zusammen und zeigt das Fragment für einen Augenblick das Ganze« (Michel Jarrety, »Char: une éthique de la rupture«, in ders., »La Morale dans l'écriture«, Paris 1999).

Das heraklitische Oxymoron von der »unvergänglichen Blume: dem Feuer« erhebt gerade das Verwelken, Verlöschen, Vergehen zum Maß von Kunst und Aktion. In »Les Compagnons dans le jardin« (Die Begleiter im Garten) differenziert Char das Verhältnis in drei aufeinander folgenden Aphorismen aus: »Mit einer Rose verbünde ich mich«, »Wir sind unregierbar. Der einzige Meister, der uns gnädig wäre, ist der Blitz, der uns bald erhellt, bald spaltet«, »Blitz und Rose gesellen sich, in ihrer Flüchtigkeit, in uns, um uns zu vollenden.« (381)

Sie gesellen sich, um uns zu spalten. In »Partage formel« ist das Gedicht »die Dampfgabel (fourche de vapeur), einen Körper prometheischer Größe in der Luft haltend, den der Blitzschlag (foudre) erhellt und dreht«, welcher uns »in einem Moment erfasst, dann erlischt« (168). Unregierbar die, die den Blitz regieren lassen. Nur in der Spannung, der »tension«, ist Wahrheit, das gilt für sein Schreiben und Handeln gleichermaßen. Char hat mit der Widerstandsdichtung nichts zu schaffen, seine Dichtung ist Widerstand. Die Wechselbeziehung von Dichtung und Tat aus der revolutionären »Perspektive von Rimbaud und der Pariser Commune« leuchtet er 1966 in »Fragenden Antworten auf eine Frage« aus, die ausgerechnet Martin Heidegger gestellt hat, ungefähr der Letzte, der mit diesen Bestimmungen etwas hat anfangen können. Der Dichter hält den Deutschen, der unbewaffnet kommt, für harmlos (über die konstitutiven Missverständnisse ihrer »Schönwetter-Freundschaft« unterrichtet Philipp Rippel, Neue Rundschau, 3/1992).

»Die Tat begleitet die Dichtung mit erstaunlicher Fatalität, die Brechung der letzteren im brennenden und bewölkten (brûlant et brouillé) Spiegel der ersteren erzeugt einen Gegensatz und vermittelt dem schroffen Stoff der Tat das Pluszeichen (+)« (734f.), das auch ein überschüssiges Zeichen (signe plus) ist, denn die Dichtung hat auf immer der Tat voraus, dass sie »unbestimmte Bestimmtheit« (libre détermination) und »beweglicher Weg« (chemin mobile) ist. »Die Tat ist blind, es ist die Dichtung, die sieht. Die eine ist der anderen wie eine Mutter ihrem Sohn verbunden; der Sohn der Mutter voran, führt er sie, mehr aus Notwendigkeit denn aus Liebe.« (ebd.)

»Die Frucht ist blind. Es ist der Baum, der sieht«, sagt Hypnos (215). Die Mutter, die der Dichter zurückließ, wird hier zur Tat, der er vorausgeht. Also ist er der Baum, sie die Frucht. Nicht nur »mère«, jedes einzelne dieser Wörter, »action«, »aveugle«, »avant«, »amour«, »nécessité«, »poésie«, »fils«, gewinnt für den, der Char liest, eine neue Bedeutung. Der sie schrieb, ist kein Vertiefer und Verdichter, sondern ein Verwandler, und in dem Rauch, der von seinem Feuer aufsteigt, ist Anders-Werden.

Argumentum e silentio
Für René Char

An die Kette gelegt
zwischen Gold und Vergessen:
die Nacht.
Beide griffen nach ihr.
Beide ließ sie gewähren.

Lege,
lege auch du jetzt dorthin, was herauf-
dämmern will neben den Tagen:
das sternüberflogene Wort,
das meerübergossne.

Jedem das Wort.
Jedem das Wort, das ihm sang,
als die Meute ihn hinterrüc