Abwahl der rechtsextremen MNR in Frankreich

Neofaschistin mit Herz

Erst im zweiten Wahlgang verlor Catherine Mégret vom rechtsextremen MNR die Kommunalwahlen im südfranzösischen Vitrolles.

Ein rotes Herz prangt auf den Wahlplakaten. »Wählen wir Catherine«, steht daneben und: »Bleiben wir gemeinsam in Vitrolles«. Catherine Mégret, die Kandidatin und bisherige Bürgermeisterin, küsst ein Kind. Auf dem Plakat sind weder ihr Familienname noch der Name ihrer Partei zu lesen. »Ich bin keine Berufspolitikerin, ich bin eine Mama«, sagt sie über sich. Mit Flugblättern, die ebenfalls von roten Herzchen übersät sind, versucht die seit fünf Jahren amtierende Bürgermeisterin der Marseiller Trabantenstadt Vitrolles, sich als Mutter zweier Kinder in Szene zu setzen.

Dabei hatten die Wählerinnen und Wähler der Industriesiedlung, die seit den siebziger Jahren am Binnenmeer Etang de Berre aus dem Boden gestampft wurde, an den letzten beiden Sonntagen indirekt über die Zukunft des französischen Neofaschismus zu entscheiden. Vor allem über die zweite rechtsextreme Partei neben dem Front National, den Mouvement National Républicain (MNR) von Bruno Mégret, dem Ehemann der Kandidatin.

Die Kommunalwahl vom Vorjahr musste in Vitrolles wiederholt werden, weil die extreme Rechte damals eine Schmutzkampagne gegen den bürgerlichen Kandidaten Christian Rossi betrieben hatte. Auf anonymen Flugblättern war er bezichtigt worden, einen Obdachlosen vergewaltigt zu haben. Kein Wort davon war wahr. Das oberste Verwaltungsgericht annullierte Ende Juli die Wahl.

Die extreme Rechte konnte in den späten neunziger Jahren vier Rathäuser erobern. Sie stellte die Kommunalregierungen in Toulon sowie in den kleineren Städten Marignane, Vitrolles und Orange. Doch als politisches Aktionsfeld ist ihr mittlerweile, streng genommen, allein Vitrolles geblieben. Toulon mit seinen 180 000 EinwohnerInnen wurde zum Beispiel für die Unfähigkeit der sich gegenseitig bekämpfenden Parteigänger von Le Pen und Mégret. Bei den Kommunalwahlen im März 2001 eroberten die Konservativen das Rathaus an der Côte d'Azur zurück. Bald darauf zeigte sich bei Jacques Bompard, dem Bürgermeister von Orange (FN), wie auch bei Daniel Simonpieri (ehemals MNR) in Marignane die Tendenz, die Interessen ihrer jeweiligen Partei gegenüber den persönlichen hintanzustellen.

Vitrolles ist ein anderer Fall. Und sei es, weil hier der rechtsextreme Chefideologe Bruno Mégret, dessen politisch unerfahrene und weitgehend ahnungslose Ehefrau 1997 als seine »Strohfrau« ins Rathaus gewählt wurde, direkten Zugriff auf die kommunalen Geschicke hat. Hier wurde tatsächlich versucht, eine knallharte ideologische Modellverwaltung zu schaffen: Das Rathaus führte nach wenigen Monaten eine »Geburtenprämie« ein, auf die nur französische oder aus der EU stammende Eltern ein Anrecht hatten - eine offene Diskriminierung, die von den Gerichten für illegal erklärt wurde. Die Neofaschisten versuchten, die Stadt in »Vitrolles-en-Provence« umbenennen, um der gesichtslosen Stadt eine »historische Identität« zu verpassen. Auch wollten sie zahlreiche Straßen umtaufen: Nelson Mandela sollte etwa einer provençalischen Königin aus dem Frühmittelalter weichen. Es gab Rockkonzerte auf Kosten des Kommunalhaushalts mit Songtiteln wie zum Beispiel »Hitler hatte Recht« und »Ethnische Säuberung«.

Zuletzt bekamen im Juli dieses Jahres über 50 Parteifunktionäre aus ganz Frankreich Stellen im öffentlichen Dienst. Einer von ihnen kam gerade aus der Haftanstalt: Mario d'Ambrosio war im Juni 1998 wegen Mittäterschaft bei dem rassistischen Mord an Ibrahim Ali, einem 17jährigen Franzosen komorischer Herkunft, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. (Jungle World 26/98, 48/98) Wegen guter Führung und des Einstellungsversprechens aus dem Rathaus wurde er im Frühsommer vorzeitig entlassen.

Ihre Vorstellung von Kommunalpolitik hat den MNR-Mitgliedern im Rathaus von Vitrolles mehrere Verurteilungen wegen gesetzeswidriger Maßnahmen, Diskriminierung und rassistischer Äußerungen eingebracht. Falls die Urteile demnächst in dritter und letzter Instanz bestätigt werden, könnten Catherine Mégret ihre Mandate gerichtlich entzogen werden. Doch die WählerInnen schien dies bisher nicht zu schrecken.

Am vorletzten Sonntag erlangte Madame Mégret im ersten Wahlgang mit 36,7 Prozent der Stimmen erneut die Führungsposition. Dieses Ergebnis verdankt sie nicht zuletzt der Unfähigkeit der kommunalen Opposition. Sowohl die Sozialdemokraten als auch die Bürgerlichen traten mit zwei getrennten Listen an, denn es erschien ihnen zunächst wichtiger, die Konkurrenz im eigenen Lager auszustechen. Anfang voriger Woche aber kam es dann doch zum Zusammenschluss. Der liberale Kandidat, Henri-Michel Porte, und der gescheiterte Sozialdemokrat Dominique Tichadou zogen ihre Bewerbungen für die Stichwahl zurück und sprachen sich für die Wahl des »offiziellen« Kandidaten der Linksparteien aus, des ehemaligen Christdemokraten Guy Obino, der im ersten Wahlgang mit 31 Prozent auf den zweiten Platz kam. Der Konservative Christian Borelli zog zwar seine Kandidatur ebenfalls zurück, wollte aber nicht zur Wahl Obinos, sondern nur gegen die Mégrets aufrufen. Dennoch gelang es Obino am Sonntag, mit 54 Prozent der Stimmen gegenüber 46 Prozent für Catherine Mégret die Wahl für sich zu entscheiden.

Damit blickt der MNR, der sich bei den letzten französischen Parlamentswahlen nicht gegen den FN behaupten konnte, nicht gerade rosigen Zeiten entgegen. Zwar konnte die neue Partei nach der Spaltung der Neofaschisten Anfang 1999 den größeren Teil der Kader und Vordenker sowie rund die Hälfte der Mandatsträger des »alten« FN mitnehmen. Doch blieben die WählerInnen zum größten Teil Le Pen treu. Der MNR ist infolge seiner teuren Wahlkämpfe mit über drei Millionen Euro verschuldet. Zudem hat die kriselnde Partei seit Anfang September mit den Abgängen hochrangiger Kader zu kämpfen. Der Machtverlust