Vor den Parlamentswahlen

Wahlen in Mono

Am Wochenende wählen die Tschechen ein neues Parlament. Die politische Machtverteilung dürfte sich kaum ändern.

Die tschechische Ausgabe des Erotikmagazins Hustler startete kürzlich eine Kampagne, die schon in den Vereinigten Staaten vor einigen Jahren für Aufsehen sorgte. Die tschechischen Leser des Blattes wurden aufgefordert, die Redaktion über Korruptionsfälle in der Politik und der Verwaltung zu informieren, die schönsten Beispiele würden in den nächsten Ausgaben zwischen diversen Nacktfotos platziert.

Selbst Tschechiens Präsident Vaclav Havel konnte der Kampagne etwas abgewinnen. Havel, der Ende dieses Jahres sein Amt aufgeben wird, sagte, dass der Hustler diese Aktion überhaupt starte, sei ein »Symbol für den bedauernswerten Zustand der tschechischen Politik«. Denn die Leute seien »angewidert« von der politischen Klasse.

Tatsächlich werden die Korruption und der Mief in der Politik 13 Jahre nach dem Ende des parteikommunistischen Regimes immer mehr zum Problem für Tschechien und seine Bestrebungen, voll in die europäischen Strukturen integriert zu werden. Ein jüngst veröffentlichter Bericht der EU unterstreicht die Sorgen Havels. Demnach nimmt Tschechien in Sachen Korruption unter den zehn aktuellen Beitrittskandidaten der Union eine prominente Stellung ein.

Dass es gerade um die Korruption so gut bestellt ist, hat auch mit der Personalsituation im politischen Establishment zu tun, denn die meisten führenden Politiker Tschechiens befinden sich schon seit 1989 in ihren Positionen. Das beste Beispiel dafür ist Vaclav Klaus, der Vorsitzende der Bürgerlich-Demokratischen Partei (ODS). Vor mehr als vier Jahren musste er den Job als Regierungschef an den Sozialdemokraten Milos Zeman abgeben, er hält sich aber noch immer an der Spitze seiner Partei.

Mit knapp 60 Jahren hat er immer noch zwei große Ziele in seinem Leben. Wenn die ODS die stärkste Partei bei den Parlamentswahlen am Freitag und am Samstag dieser Woche wird, dann möchte Klaus wieder Premier werden. Klappt das nicht, so hofft er, das Erbe Vaclav Havels als Staatspräsident antreten zu können.

Die Wahlkampagne der ODS war eine, die wenig überraschte. Zwar tritt die Partei für den EU-Beitritt ein, aber »nicht um jeden Preis«. So verlautete auch aus EU-Kreisen in der vorigen Woche, Klaus könne in den Beitrittsverhandlungen ein weitaus schwierigerer Partner sein als der noch amtierende sozialdemokratische Ministerpräsident Zeman. Zu Recht, denn »der EU-Beitritt birgt die Gefahr, dass die Tschechische Republik in der EU aufgelöst wird wie ein Würfel Zucker im Kaffee«, erging sich Klaus auf einer Wahlveranstaltung in einem eigenwilligen Vergleich.

Mit seinen schärfsten Widersachern, den Sozialdemokraten, hat er seit dem Ende seiner Regierungszeit im November 1997 einen Nichtangriffspakt geschlossen. Seither unterstützt die ODS die Minderheitsregierung der Sozialdemokraten im Parlament. Damit verfügen die beiden großen Volksparteien Tschechiens zwar über eine stabile Mehrheit, doch gleichzeitig hat das dazu geführt, dass viele Tschechen die Politik als unveränderliche Struktur betrachten. In den Umfragen der vergangenen Wochen konnten beide Parteien jeweils rund 30 Prozent Zustimmung erringen. Die Reaktionen von Klaus und Zeman, der sich nach den Wahlen aus der Politik zurückziehen möchte, waren dabei auch von äußeren Einflüssen bestimmt, vor allem vom Streit um die Sudetendeutschen und die Benes-Dekrete.

Dabei zahlte es sich für Zeman aus, dass er so konsequent auf die Kampagnen reagierte, die Edmund Stoiber in Deutschland und Jörg Haider in Österreich gegen Tschechien und die Benes-Dekrete angezettelt hatten. Selbst Staatspräsident Vaclav Havel konnte ihn nicht erschüttern, der während des Besuchs von Bundespräsident Johannes Rau am Mittwoch voriger Woche in Prag zu beschwichtigen versuchte.

Dass sich Rau besorgt über »populistische Töne« in der Debatte um die Benes-Dekrete und die Sudetendeutschen zeigte, dürfte Zeman dabei zu Recht nur wenig beeindruckt haben. Ebenso wenig wie Havel, der von »schrillen Tönen« sprach, die im Wahlkampf beider Länder in letzter Zeit zu hören gewesen seien. Havel nannte das Verhältnis zwischen Tschechien und Deutschland exzellent. Es sollte nicht an »schwülstigen und hysterischen« Äußerungen von Politikern gemessen werden, die durch die in beiden Ländern anstehenden Wahlen bedingt seien, fügte er hinzu.

Während Zeman die Revisionisten in Österreich und Deutschland direkt angriff und seiner Partei damit steigende Umfragewerte einbrachte, machte Klaus den Streit um die Benes-Dekrete zu einer Angelegenheit der EU. Nur noch 41 Prozent der Tschechen waren im Mai für den EU-Beitritt, im Januar waren es noch 53 Prozent. Dabei mutet es etwas seltsam an, dass die Benes-Dekrete überhaupt ein Faktor der EU-Erweiterung sein sollen. Die Europäische Kommission hatte erst kürzlich festgestellt, dass die Benes-Dekrete nicht mit EU-Recht kollidieren, weil sie eben totes Recht seien.

Immerhin tritt auf sozialdemokratischer Seite anstatt des bisherigen Premiers Milos Zeman der Kandidat einer neuen Generation an. Jaroslav Spidla möchte das lange eingespielte Machtsystem zwischen Sozialdemokraten und den Bürgerlichen von Vaclav Klaus aufbrechen und versuchen, mit der liberalen Freiheitsunion und den konservativen Christdemokraten eine Koalition zu formen. Die bürgerliche Alternative zu Vaclav Klaus tritt bedingungslos für einen Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union ein und möchte ebenfalls die erstarrten Strukturen verändern.

So warnt Cyril Svoboda, der Parteivorsitzende der Christdemokraten, davor, dass eine abermalige Koalition zwischen Sozialdemokraten und den Bürgerlichen unter Klaus zum »Aufstieg eines tschechischen Haider« führen könnte, denn auch der Erfolg des österreichischen Rechtspopulisten sei untrennbar verbunden mit der politischen Erstarrung, von der die österreichischen Sozialdemokraten und die konservative Volkspartei mehr als 13 Jahre lang befallen waren. Außerdem sei Klaus, so Svoboda, ohnehin mit außerordentlichem Geltungsdrang gesegnet, er wolle »der alleinige Herrscher sein und möchte keine Regeln von außen, wie es bei einem EU-Beitritt der Fall wäre«.

Eine Koalition zwischen Sozialdemokraten und den beiden bürgerlichen Parteien ist derzeit jedoch schon rein rechnerisch unwahrscheinlich. Die Freiheitsunion und die Christdemokraten kommen zusammen auf nicht mehr als 13 bis 15 Prozent, gemeinsam mit den Sozialdemokraten, denen höchstens ein Drittel der Stimmen prognostiziert werden, reicht das für die Bildung einer Regierung nicht aus.

Nur die Kommunistische Partei, die einzige in Zentraleuropa, die sich nach 1989 nicht vollständig gewendet hat, gewinnt derzeit in den Umfragen dazu. Sie darf auf 18 Prozent hoffen. Doch mit den Kommunisten möchte in Tschechien niemand koalieren. Obwohl sie es zumindest recht gut verstanden haben, dem derzeitigen politischen Establishment genau das vorzuwerfen, was sie selbst 1989 die politische Macht kostete, nämlich erstarrt und unbelehrbar zu sein.

Sie haben wohl auch Recht damit, denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird den beiden großen Parteien Tschechiens gar nichts anderes übrig bleiben, als wieder zu koalieren und darauf zu warten, dass sich vielleicht bei der nächsten Wahl in vier Jahren etwas ändert.