Parlamentswahlen in Frankreich

Bonjour tristesse

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Die bürgerliche Rechte ist klare Siegerin des ersten Durchgangs der französischen Parlamentswahlen. Der Regierungswechsel ist sicher. Allerdings mochten 36 Prozent der Wahlberechtigten diesem Wechsel weder zustimmen noch ihn verhindern. Sie blieben der Wahl fern. Nie zuvor in der Geschichte der Fünften Republik war die Wahlbeteiligung so niedrig.

Die konserservativ-liberalen Parteien erhielten insgesamt 44 Prozent, 33 davon bekam das Parteienbündnis Union für die Mehrheit des Präsidenten (UMP). Die bisherige Regierungslinke kam auf etwa 36 Prozent. Damit hat sich das Verhältnis zwischen den beiden großen Blöcken umgekehrt.

Bei jeder Wahl zur Nationalversammlung seit 1981 haben die Wähler die jeweiligen Regierungen bestraft, wenn auch nicht immer so drastisch wie dieses Mal. Nicht zuletzt, weil alle Koalitionen, ob Mitte-Links oder Mitte-Rechts, eine ähnliche Politik verfolgten, die sich gegen soziale Errungenschaften richtete und sich allein an den Interessen der »Wirtschaft« orientierte.

Hinzu kam diesmal, dass die Mehrheit der Wähler die Kohabitation, das Nebeneinander eines Staatspräsidenten und eines Premierministers, die unterschiedlichen politischen Richtungen angehören, leid war. Der Zwangskonsens aller etablierten politischen Kräfte wirkte lähmend, viele hatten den Eindruck, dass sich so nie etwas ändere.

Der Mehrzahl der Verantwortlichen in der Sozialistischen Partei dürfte dieses Ergebnis ganz recht sein. Zur Zeit wollen sie nämlich gar nicht regieren, sondern in der Opposition die Partei wieder aufbauen. Denn bei der Präsidentschaftswahl im April mussten die Sozialisten große Einbußen bei ihren traditionellen Wählern und den sozialen Unterschichten hinnehmen.

Zu den Ergebnissen gehört auch die stärkere Konzentration zugunsten der großen Parteien. Das liegt am Mehrheitswahlrecht, das sie begünstigt. Vor allem aber ist diese Konzentration eine Folge des Schocks der Präsidentschaftswahl, bei der ein Rechter und ein extremer Rechter in die Endausscheidung gelangten.

Insbesondere die Linkswähler hat die Logik des vote utile überzeugt, des »nützlich Stimmens«, um wenigstens einen Vertreter der Linken im weiteren Sinne in die Stichwahl schicken zu können. Die KP mit knapp 5 Prozent (gegenüber 10 bei der Wahl 1997), die Grünen mit vier und die radikale Linke mit drei Prozent haben unter dieser Angst vor einer »rechten Republik« gelitten, die die Sozialdemokratie begünstigte.

Die extreme Rechte, deren zwei Parteien zusammen 12,5 Prozent erhielten, fiel deutlich hinter ihre Resultate bei der Präsidentschaftswahl zurück. Ihr Problem ist es, dass zwar Jean-Marie Le Pen als »starker Mann« ihre Ideen erfolgreich verkörpert, seine Medienpräsenz aber nicht ausreicht, um eine Partei auf lokaler Ebene zu verankern. Hier wirkt noch immer die Spaltung von 1999 nach, als Bruno Mégret die Kader mitnahm, die Wähler aber bei Le Pen blieben. Das Überleben der Mégret-Partei MNR - sie erhielt gut ein Prozent - scheint ernsthaft gefährdet.

Die Rechte wird mindestens zwei Drittel der Sitze erhalten Die interessante Frage ist, welche Politik sie damit betreiben kann. Zwischen 1993 und 1997 hatten die bürgerlichen Parteien sogar 84 Prozent der Sitze, aber die soziale Gegenmacht der Straße blockierte die Regierung. Auch dieses Mal könnte eine ähnliche Situation eintreten. Allerdings hat auch die Rechte aus ihren Erfahrungen gelernt. Sie will keine brachialen antisozialen Offensiven mehr, sondern redet einer »neuen Sozialpartnerschaft« das Wort.