Generalstreik in Italien

Kündigung verschoben

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Busse und Bahnen standen still, Flüge wurden abgesagt, die TV-Nachrichten beschränkten sich auf die Mitteilung, dass gestreikt wird. In allen größeren Städten wälzten sich riesige Demonstrationszüge durch die Straßen.

Nichts ging mehr am Dienstag der vergangenen Woche in Italien. Zwischen 80 und 90 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in den Fabriken befolgten den Streikaufruf der großen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL, der Berufsverbände, der alternativen Basisgewerkschaften sowie der Sozialen Foren. Die Streikbeteiligung war beispielsweise bei Fiat in Turin größer als noch zu Zeiten des Kampfs um den Erhalt des automatischen Lohnausgleichs in den achtziger Jahren.

Nach Angaben der CISL streikten 13 Millionen Italiener gegen die vom Präsidenten des Unternehmerverbands Antonio D'Amato geforderte und von der Regierung Silvio Berlusconi als Dekret formulierte Lockerung des im Arbeiterstatut verankerten Kündigungsschutzes. An den Kundgebungen der großen Gewerkschaften nahmen etwa zwei Millionen Menschen teil. Darunter auch die Aktivisten der faschistischen Gewerkschaft UGL, Mitglieder der Rifondazione Comunista sowie Linksdemokraten und -liberale, Grüne und Umweltschützer. Etwa eine Viertelmillion Menschen folgte den Aufrufen des Bündnisses aus Basisgewerkschaften und sozialen Netzwerken.

In der Nacht vor dem Generalstreik hatten Aktivisten der autonomen Initiative »Die Ungehorsamen« die Türschlösser von etwa 100 Zeitarbeitsagenturen mit Silikon versiegelt. Tagsüber wurden weitere Filialen besetzt oder blockiert nach dem Motto: »Die Rechte der Lohnabhängigen müssen nicht nur erhalten, sondern auf alle in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeweitet werden.«

Schließlich gibt es für Zeitarbeiter keinen Kündigungsschutz. Hinzu kommt, dass in Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten der famose Artikel 18, der das Recht auf Wiedereinstellung bei »ungerechtfertigter Kündigung« garantiert, keine Gültigkeit besitzt. Hier muss lediglich eine Entschädigung gezahlt werden. In Mailand drangen einige Aktivisten in die Räume der Agentur »Italia Lavora« ein, schrieben »Zeitarbeit ist Scheiße« an die Wand und schütteten Mist auf Schreibtische und Computertastaturen.

Ausgerechnet an diesem bewegten Tag wollte die rechte Regierung im Parlament eine Vertrauensabstimmung zur Verabschiedung zweier Gesetze durchführen, von denen eines ebenfalls einen Eingriff in das Arbeiterstatut darstellt. Betriebe, die in der Grauzone der Schattenwirtschaft angesiedelt sind, erhalten künftig eine besondere Vergünstigung, sobald sie sich registrieren lassen. Für einen Zeitraum von drei Jahren soll deren Angestellten die Wahrnehmung gewerkschaftlicher Rechte versagt bleiben. Von diesem Angebot an die Unternehmer erhofft sich Wirtschaftsminister Giulio Tremonti eine Legalisierung von 900 000 Arbeitsverhältnissen.

Die Koalition in Rom zeigte sich vom Erfolg des Generalstreiks unbeeindruckt. Berlusconi beschränkte sich darauf, die gewerkschaftlichen Zahlenangaben infrage zu stellen. Denn anders als 1994, als ein Streik gegen die Rentenreform seinen Sturz einleitete, weiß er diesmal die Mehrheit im Parlament hinter sich.

Bis zu den Kommunalwahlen am 26. Mai wird die Regierung ohnehin auf Zeit spielen. Der viel beschäftigte Ministerpräsident überlässt es vorerst seinem Stellvertreter von der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, die drei Gewerkschaften an den Verhandlungstisch zu bringen, um mit ihnen über die Finanzierung des Sozialausgleichs und liberale Regeln für den Arbeitsmarkt zu verhandeln. Die Reform des Kündigungsschutzes bleibt aufgeschoben.