Schwarz-Blau und die Vergangenheit

Ein Herz für Heimat

Die schwarz-blaue Koalition in Wien sieht Österreich als Opfer der Nazi-Herrschaft und nimmt sich der Forderungen der Sudetendeutschen an.

Hier werden Sie geholfen. Nachdem Peter Ustinov mit Deutschlands Sprachtalent Verona Feldbusch für die Pleiteveranstaltung Expo in Hannover geworben hat, springt er nun für Österreich in die Bresche. Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hatte vergangenen Donnerstag zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Industriellenvereinigung geladen. Unter Mitwirkung von Peter Ustinov sollte Österreichs Bild im Ausland zurechtgerückt werden. Das gelang tatsächlich. »Wenn Joseph Fischer jüngst von besonderen historischen Erfahrungen Österreichs und Deutschlands gesprochen hat und damit beide Staaten gleichermaßen für den Nationalsozialismus verantwortlich machen möchte, dann ist das schlichtweg falsch«, interpretierte die Verona Feldbusch der Diplomatie die jüngste Geschichte des Landes neu. »Insbesondere ist unsere historische Erfahrung, dass das ehemalige Hitler-Deutschland am 13. März 1938 Österreich militärisch überfallen und okkupiert hat. Hier kann es keinen Geschichtsrevisionismus geben. So kann das Wiedererwachen des Rechtsextremismus in Deutschland nicht weggeschoben werden«, sagte Ferrero-Waldner.

Kein Wunder, dass Ferrero-Waldner versucht, die Gewalttaten neonazistischer Schlägertrupps in Deutschland für sich zu nutzen: So fällt es leichter, die heimischen Rechtsextremisten im Kabinett zu vergessen. Dass die Rechtsextremisten im nördlichen Nachbarland jedoch weder Regierungsverantwortung besitzen noch derzeit auf die Duldung von Bundeskanzler Gerhard Schröder setzen können, spielt in der diplomatischen Vorwärtsstrategie der österrreichischen Bundesregierung keine Rolle.

Peter Ustinov, offenbar ein Freund der Kleinen und Bedrängten, verglich die so genannten Sanktionen gegen Österreich mit dem Militärschlag der Nato gegen Jugoslawien: »Auch diese Intervention konnte ihr Ziel nicht erreichen«, erklärte Ustinov, um dann auch noch seine Freundschaft mit dem ebenfalls anwesenden österreichischen Ex-Präsidenten Kurt Waldheim zu betonen: »Wir sind gut befreundet.«

So hatte es Ferrero-Waldner unter stimmgewaltiger Mithilfe von Alt-Star Ustinov geschafft, in weniger als einer Stunde ein neues österreichisches Weltbild zu basteln. Und das sieht ungefähr so aus: Die deutsche Regierung setzt auf mordende Banden oder duldet sie zumindest. Deshalb soll sich die Koalition in Berlin, die nach dem Kosovo-Krieg nun schon wieder ein Land in Grund und Boden sanktioniert, lieber nicht in die Angelegenheiten Österreichs einmischen. Schließlich wurde das Land schon einmal von den Deutschen überfallen und okkupiert. Erstes Opfer dieses Gewaltaktes war Kurt Waldheim, der von Kriegsverbrechen der Wehrmacht, in der er ein hoher Offizier war, selbstverständlich nichts wusste. Österreich, ein Opfer deutscher Interventionen.

Wenige Wochen vor der vermutlichen Aufhebung der so genannten Sanktionen der Europäischen Union gegen die offiziellen Repräsentanten Österreichs mutet eine derartige Geschichtsglättung eigenartig an. Doch nur auf den ersten Blick. Die Freiheitlichen besinnen sich wieder auf ihre revisionistischen Tendenzen und haben die letzten Wochen genutzt, um auch die Volkspartei von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Bedrängnis zu bringen.

Begonnen hatte alles mit dem Streit um den Regierungsbeauftragten für die EU-Osterweiterung, Erhard Busek. Der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler sollte dafür sorgen, Österreichs Positionen in der Erweiterungsdebatte mit den Beitrittskandidaten aus Osteuropa zu vertreten.

Eine schwierige Aufgabe: Während die ÖVP die Aufnahme befürwortet und den europäischen Einigungsprozess nicht bremsen möchte, ist die FPÖ eher eine Gegnerin der Ost-Erweiterung. Noch dazu hatte sich Busek in den Sommerwochen kritisch zur FPÖ geäußert und so den Zorn von FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler und de-facto-Parteichef Jörg Haider heraufbeschworen. »Ich habe Haiders Aussagen noch selten als hilfreich erachtet. Hier strampelt einer, der genau weiß, dass er in Österreich nie Bundeskanzler wird«, bemerkte Busek beispielweise über Haiders Attacken gegenüber ausländischen Politikern.

Besonders Buseks Engagement für eine rasche Ost-Erweiterung nahm ihm der Kärtener Landeshauptmann krumm: »Busek tritt so vehement für den EU-Beitritt Tschechiens ein, weil er einem Land, von dem er offenbar stammt, zur EU verhelfen will«, sagte Haider und erntete ein mindestens ebenso eigenartiges Dementi Buseks: »Da merken Sie die Primitivität. Nicht einmal in der Ahnenforschung ist er gut. Meine Vorfahren kommen aus Hessen.«

Um Busek zu demontieren und wieder die alten deutschnationalen Kader zu begeistern, hat sich die FPÖ einer gewagten Taktik verschrieben. Tenor: Österreich wird nur einer EU-Osterweiterung zustimmen, wenn damit eine Aufhebung der tschechischen Benes-Dekrete und der jugoslawischen AVNOJ-Bestimmungen einhergeht. Für die Tschechische Republik und Slowenien eine ernsthafte Provokation, denn beide Beschlüsse gelten als gesetzliche Grundlage der Aussiedlung der deutschen Minderheiten aus den jeweiligen Staatsgebieten und sind noch immer Tabu-Themen.

Für die FPÖ wiederum ist die ziemlich entbehrliche Debatte um die alten Verträge ein willkommenes Mittel, um wieder die Themenführerschaft zu bekommen und Wähler bei der Stange zu halten: »Die FPÖ ist der einzige legitime Verbündete der Vertriebenen«, meint etwa FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler, der ursprünglich Hojac geheißen hatte und sich nach seinem Beitritt zur FPÖ einen arisierten Namen zulegte.

Ex-Parteichef Jörg Haider wiederum reicht offenbar seine Rolle in Kärnten nicht mehr - er möchte wieder in der großen Politik mitspielen und verweist dabei auf seine geopolitischen Kompetenzen. »Der beste Ost-Erweiterungsexperte bin ich, weil ich bisher eine Linie vorgegeben habe, die auch von der gesamten Regierung geteilt wird«, behauptete Haider als Mitglied des Koalitionsausschusses. Er beharrt auf einem Junktim zwischen Ost-Erweiterung und »Wiedergutmachung« für die ausgesiedelten Deutschen: »Es ist das gute Recht der EU-Mitglieder, solange zu verhandeln und zu blockieren, bis alle Bedenken ausgeräumt sind«.

Schaltet Haider auf stur, so bringt er sowohl Kanzler Schüssel als auch die EU in eine schwierige Situation. »Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat mir wiederholt versichert, dass Haider keine politischen Mittel habe, um seinen Standpunkt in die Tat umzusetzen«, hofft etwa EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Außer etwa, die Koalition zu sprengen.