Khatamis Deutschland-Besuch

Gut gebrüllt, Mullah

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Zeitenwende. Jubelperser, deutsche wie iranische, schlagen beim Besuch eines iranischen Staatsmannes nicht mehr mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein. Keine Provokationen, keine Straßenschlachten, als Mohammad Khatami letzte Woche Berlins politischer und ökonomischer Elite eine Visite abstattete. Das haben Jubelperser von heute nicht mehr nötig.

Sie unterscheiden zwischen Links- und Rechtsislamisten. Und sie erklären, dass mit Khatami erstmals jemand den Islam an die Moderne anpassen will. Wen interessiert da noch, dass sich der Präsident an islamistisch-fundamentalistischen Intellektuellen der zwanziger Jahre orientiert?

Die Jubelperser zogen es vor, Khatami anzupreisen. Schließlich gehöre er zu einer Bewegung, die von vier Fünfteln der iranischen Wähler unterstützt werde. Was das bedeutet? Wenig. Denn gerade die unterstützende Masse ist es, die das Hauptmerkmal der modernen Diktatur des politischen Islam ausmacht. Dass zudem seit der islamischen Revolution von 1979 nur islamistische Kandidaten gewählt werden konnten, weiß auch Außenminister Joseph Fischer. Was ihn aber nicht daran hinderte, erneut Khatamis Sieg bei »freien Wahlen« hochzuhalten.

Keine Frage: Für beide Seiten stand vergangene Woche viel auf dem Spiel. Und so sprachen der iranische Bettelmönch und seine deutschen Freunde lieber nicht vom Ausverkauf des Iran, sondern von Kultur und Zivilisation. Etwa in Weimar, wo mit der Enthüllung des Denkmals des altiranischen Dichters Hafis und dem Besuch des Goethe-Hauses feierlich in Szene gesetzt wurde, was künftig die beiden Länder verbinden soll: das deutsch-iranische Kulturabkommen, das 1988 ausgehandelt wurde, aber unter der CDU/FDP-Regierung nie in Kraft trat. Die Vereinbarung soll nun, wie Kanzler Gerhard Schröder wissen ließ, »den neuen Bedingungen angepasst« werden.

Die neuen Bedingungen sind so neu nicht: Khatami orientiert sich am Staatsverständnis Platons. Der platonische Staat kann jedoch genau so totalitär sein wie der Khomeinis, auch wenn dieser die neoliberalen Anforderungen des Marktes akzeptiert. Wie der italienische Faschist Gentile, der Nationalismus, Hegelsche Nationalstaatsvorstellungen und Faschismus zu vereinigen suchte, ist auch Khatami bestrebt, den Gottesstaat mit Zivilgesellschaft, Menschenrechten und Demokratie zu harmonisieren.

Wie das funktionieren soll? Der iranische Präsident benutzt die Begriffe als Worthülsen ohne Inhalt - und begründet mit Hilfe dieses banalen ideologischen Tricks die Versöhnung der Tradition mit der Moderne.

Eine Verbindung, die durchaus Sinn macht. Schließlich geht es beim deutsch-iranischen Tête-à-tête um den Erhalt einer islamischen Diktatur auf der einen und um Profite der Industrie auf der anderen Seite. Die Deutschen können nun auf rosige Zeiten hoffen: Mit der wahrscheinlichen Zuwendung Teherans zum Euro-Raum könnte sich auch die deutsche Handelsbilanz im Iran positiv verändern. Einen ersten wirtschaftlichen Erfolg konnte Khatami schon verbuchen. Schließlich hat die Bundesregierung zugesagt, künftig deutsche Firmen besser mit Hermesbürgschaften abzusichern: Von derzeit 200 Millionen soll der Absicherungs-Betrag auf eine Milliarde Mark erhöht werden.