Israels Linke und der Frieden

Allein auf dem Gipfel

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»Ganz allein auf dem Gipfel« - so titelte vorige Woche die linksliberale Ha'aretz zum palästinensisch-israelischen Gipfel in Camp David. Tatsächlich war Ministerpräsident Ehud Barak unmittelbar davor seine parlamentarische Mehrheit abhanden gekommen, weil die Nationalreligiöse, die Shas-Partei und Israel b'Aliyah wahr machten, womit sie zuvor schon mehrfach gedroht hatten. Zudem erlitt Barak am selben Tag noch eine weitere Niederlage im Parlament: 54 Abgeordnete sprachen der Regierung das Misstrauen aus, lediglich 52 stimmten gegen den Misstrauensantrag. Zwar werden 61 Stimmen benötigt, um die Regierung zu stürzen, doch war dies die erste verlorene Vertrauensabstimmung für Barak. Als er nach Maryland abflog, wollte ihn auch sein Außenminister David Levy von der Gesher-Partei nicht begleiten - weil er nicht ausreichend informiert und beteiligt worden sei.

Die abtrünnigen Regierungsparteien werfen Barak vor, von der gemeinsam formulierten »roten Linie« abgewichen zu sein. Vor allem eine - wenn auch nur partielle - palästinensische Autonomie über Ost-Jerusalem wird hier als Verrat an der Koalitionsvereinbarung gewertet. Innenminister Nathan Sharansky beschuldigt den Premier, die Nation zu spalten, und zielt damit auf die Selbststilisierung Baraks als Führer »eines Israels«. Für die Shas-Partei spielt darüber hinaus der anhaltende Streit um staatliche Gelder für ihr Bildungsnetzwerk eine wichtige Rolle.

Zudem ist aber gerade bei der Shas, dem bislang größten Koalitionspartner von Baraks »One Israel«, ein klarer Rechtsruck zu verzeichnen. Akiva Eldar, ein Kenner der Bewegung, sieht in der Ablösung des Ex-Parteichefs Aryeh Deri einen wichtigen Grund dafür. »Deri war der Linksaußen von Shas«, so Eldar in Ha'aretz. Der gerade zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilte Politiker hätte Barak wohl die Unterstützung seiner Bewegung für die Verhandlungen mit Jassir Arafat gesichert. Unter dem jetzigen, sehr schwachen Parteichef Eli Yishai jedoch gewinnen die Falken immer mehr Einfluss auf die Bewegung.

Der Weg der Ex-Regierungsparteien nach rechts folgt aber auch einer gewissen Eigendynamik. Wenn die Nationalreligiöse Partei die Koalition verlässt, so glaubt Israel b'Aliyah, nicht länger dort verbleiben zu können, und umgekehrt. Fatalerweise scheinen diese Parteien überzeugt zu sein, dass ihre Chancen in den nächsten Wahlen steigen, je kompromissloser sie sich gegenüber den Palästinensern zeigen. Für die israelische Linke wiederum ist das der Punkt, an dem sie meint, eingreifen zu müssen. Mit öffentlichen Aktionen will sie zeigen, dass eine Mehrheit der Israelis einen Frieden mit den Palästinensern wünscht. Eine Reihe von Demonstrationen hat bereits stattgefunden, das für den 22. Juli geplante Peace Camp in Tel Aviv soll die größte Massenkundgebung seit Jahren werden.

Bei der linken Friedensgruppe Gush Shalom hofft man, dass Baraks politisches Überleben von einem Erfolg des Gipfels in Camp David abhängt: »Die Israelis sind alles andere als begeistert von der Vorstellung eines Krieges, um die Besetzung aufrechtzuerhalten.« Barak selbst glaubt, per Referendum seine Politik auch gegen eine parlamentarische Mehrheit durchsetzen zu können. Seine Überzeugung, den Frieden von einer breiten Mehrheit in der israelischen Bevölkerung legitimieren zu lassen, wird aber immer wieder von den realen Segmentierungen in der Gesellschaft konterkariert, deren Produkt auch die Shas ist. Die sozialdemokratische, also marktliberale Politik seiner Regierung trägt das Ihre dazu bei. Die Parole von Gush Shalom, vor den innenpolitischen müss-ten die außenpolitischen Probleme Israels gelöst werden, hat gute Argumente für sich. Mehr und mehr stellt sich aber die Frage, ob die außenpolitischen Probleme allein überhaupt zu lösen sind.