Petersens »Sturm«

Sie fangen Fische!

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Im Herbst 1991 braut sich über der Ostküste der USA ein Unwetter zusammen. Das Tief Grace trifft auf zwei weitere Schlechtwetterfronten, ein gewaltiger Sturm formiert sich so schnell, dass die Wetterfrösche nicht einmal Zeit finden, dem Gebilde einen Namen zu geben. Kapitän Billy Tyne (George Clooney) aus dem Hafennest Gloucester will dennoch in See stechen, die Fangquoten waren schlecht, der Grossist setzt ihn unter Druck. Tyne sammelt ein paar Arbeiter, die gewillt sind, für die fälligen Alimente ihr Leben zu riskieren, und macht sich, allen Warnungen zum Trotz, auf die Reise zu den entlegenen Schwertfisch-Gründen. So weit die Handlung. Außerdem gesehen: Die Wellen sind 30 Meter hoch. Zwei, drei Frauen spielen auch mit in dem als Film des Jahres angekündigten »Der Sturm« von Wolfgang Petersen.

Wie hier schwer arbeitende, nicht immer ganz helle Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, wie der Alltag nahe der Sozialhilfe funktioniert, wie Männer und Frauen uneheliche Kinder in die Welt setzen, für die hernach kein Geld da ist - all das sind schöne Kinothemen. Und eine Reihe von Filmen rund ums Fischen gibt es ja auch. Aber schon »Moby Dick« zum Beispiel hat gegen »Der Sturm« den Tiefgang eines Öltankers. Von der Arbeit erfährt man wenig, die sozialen Beziehungen sind so spießig interpretiert wie im Heimatfilm.

George Clooney, bar jeglichen Talents für den Actionfilm, muss mit dem Bart von Jürgen Prochnow aus »Das Boot« rumrennen, weil sich Petersen offensichtlich von diesem Film inspirieren ließ - er hat ihn ja auch selbst gedreht. Der Rest der Crew besteht aus einer Bagage von Dicken, Tätowierten und romantischen Typen, die irgendwelche Konflikte haben, wie sie in solchen Filmen immer auftauchen, aber sich beim ersten bedrohlichen Unfall toll gegenseitig helfen.

Dazu passt die Unbeweglichkeit der Darstellergesichter. Ob Clooney, Mark Wahlberg oder Diane Lane als fisherman's girlfriend: Sie sehen alle aus wie in Beton gegossen. Was Wunder, dass Michael Ironside als Fischkapitalist Bob Brown da die beste Figur macht: Er wird seit 20 Jahren ausschließlich als Roughneck gebucht. Idiotentum scheint sich auch beim technischen Stab breit gemacht zu haben. Als Diane Lane zum Winkewinke ans Hafenbecken kommt, zeigt die Kamera zunächst ihr Gesicht, rutscht dann aber ruckartig nach unten.

Seit 30 Jahren lebt Petersen sein Faible für dreckige Männerhaufen aus. Diesmal regnet es und stürmt, und die Leute müssen was tun! Am besten gemeinsam. So beschissen die Schauspieler, so bescheuert Dialoge, Handlung und Plot.

Wenn Petersen schon den amerikanischen Arbeitsmythos nicht auseinander nehmen will, wie es das Neue Britische Kino des Öfteren so wunderbar vormacht, dann könnte er ja wenigstens für Ruhe sorgen. Aber nein: Es gibt so gut wie keine Szene, die nicht mit Hörnern und Posaunen aus dem Orchestergraben kommentiert wird. Das beste Solo aber bringt Clooney als Billy Tyne: »Du weißt, du bist ein Schwertfisch-Käpt'n - gibt's was Besseres?« Das sagt er am Anfang, zwischendrin und am Schluss. - For heaven's sake: Mein Gott! Sie fangen Fische!

»Der Sturm«. USA 1999. R: Wolfgang Petersen, D: George Clooney, Mark Wahlberg, Michael Ironside, Diane Lane, Mary E. Mastrantonio. Start: 20. Juli