Warren Zevons neues Album

Ich war im Haus, als das Haus abbrannte

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In brenzligen Situationen bete ich stets dieses De Profundis herunter: »Send lawyers, guns, and money / to get me out of this« . Das sang Warren Zevon vor über 20 Jahren. Inzwischen fasst er sich kürzer: »My shit's fucked up«. Kürzer ist besser, brenzlige Situationen erlauben ja häufig keine ausgedehnten Rezitationen.

Gute Platten, sagt der Kenner, brauchen ihre Zeit. Zevons letzte, »Mutineer« (1995), gehörte zu diesen. Sie war so gut, dass man sogar ihre elektronisch gestützten Schweinerock-Arrangements immer wieder geduldig ertrug. Sie prägte sich langsam ein. Nach einer Weile konnte ich dann in meine Gegensprechanlage flöten: »Don't knock on my door / If you don't know my rottweiler's name«. Die neue Platte ist das genaue Gegenteil von »Mutineer«, eine von denen, die man eine Weile ununterbrochen hört und dann gar nicht mehr, weil man sie bis auf den letzten Fiddle-Ton intus hat.

Sie handelt von brenzligen Situationen: »I had the shit till it all got smoked / I kept the promise till the vow got broke / I had to drink from the lovin' cup / I stood on the banks till the river rose up / I saw the bride in her wedding gown / I was in the house when the house burned down«. Ich gestehe, dass ich bei einer Platte, die mit einem so flinken Hämmern beginnt, die überhaupt keine Zeit braucht und die man auf der Stelle mitsingen kann, alle meine guten Vorsätze fahren lasse. Die Einsamer-Wolf-Attitüde, die um klassische Größe buhlenden Zeilen, die süffigen Zynismen - wie gut, dass ich kein Rock-Kritiker bin, sondern hier nur herumdilettiere, bis das Abendessen fertig ist. Ich darf doch, wenn ich mich beeile, sagen, dass ich diese quicke Katastrophe für einen großartigen Anfang halte, für einen, der einen durch den Tag bringt. Nicht nur durch einen Tag.

Die Vorspeisen werden schon aufgetischt. Deshalb ganz kurz: Der Titelsong »Life'll Kill Ya« könnte von Randy Newman stammen, der ihn auch nicht besser hinbekommen hätte; »go on without me / I'll just slow you down« gehört zu den Refrains, die daran erinnern, dass - wie das Ich dem Es - Zevons Werke den Fluten des Alkohols abgerungen sind; »Dirty Little Religion« wirkt wie das heitere Gegenstück zu Captain Beefhearts »Gimme that old time religion / it's good enough for me«, ein Gospel für die Ungläubigen; »Porcelain Monkey« erweitert die Galerie der desperaten Sonderlinge durch ein weiteres Exemplar; »Hostage-O« könnte man eine zarte S/M-Fantasie nennen; in der Kreuzzugs-Ballade »Ourselves To Know« erkennt die Village Voice »an air of quixotic nobility»; mit »You can dream the American dream / But you sleep with the lights on / And wake up with a scream« (»Fistful of Rain«) beweist sich der Singer/ Songwriter erneut als ein Piranesi des Pop, als Konstrukteur des Klaustrophobischen; und »you want to die / but you just can't quit« fasst alles trocken zusammen, sonst gibt es ja genug zu lachen. Die Musik klingt manchmal wie Guy Clark, ohne dessen feierlichen Ton, es ist Country, Folk, selbst Vibrato und Mundharmonika werden einem nicht erspart. Niemals hat Zevon ausdrucksvoller gesungen.

Als ich die Platte kaufen ging, stand Helga Goetze an der Gedächtniskirche und rief mir zu: »Außer Wixn nix gewesen.« An manchen Tagen trifft man Warren Zevon an jeder Ecke.

Warren Zevon: »Life'll Kill Ya«. Artemis Records