Schröders dritter Weg

Zaibatsu für Deutschland

<none>

Europa nimmt erstaunt zur Kenntnis: Es gibt ihn doch, den deutschen Sonderweg. Gleich zweimal konnte man ihn vergangene Woche bestaunen. Zuerst verteidigten Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer den Düsseldorfer Telekommunikations-Konzern Mannesman gegen die Attacken der britischen Vodafone. Dann lenkten die Banken in Frankfurt bei der Sanierung des Bauunternehmens Holzmann ein.

In Europa sind solche Konflikte schon fast alltäglich. Der beschleunigte Kapitalismus sprengt die nationalen Grenzen und befördert bei mangelnder Rentabilität ganze Wirtschaftszweige ins Nirwana. Die Art, wie die verschiedenen Mitgliedsländer damit umgehen, unterscheidet sich dennoch wesentlich.

So hat sich Großbritannien spätestens seit Ende der siebziger Jahre auch ideologisch an den US-amerikanischen Wirtschaftsraum angekoppelt. Seitdem dominieren hier die radikalen Apologeten des freien Markts. Während der Thatcher-Ära gingen ganze Branchen unter. Und als notwendige Marktbereinigung bezeichnet heute auch Tony Blair, was weniger vornehm ausgedrückt eben heißt: Nur die Starken werden überleben.

In Frankreich versagte hingegen der Marktradikalismus zunächst: Ende der achtziger Jahre ging der als Super-Unternehmer gefeierte Bernhard Tapie Bankrott, wenig später erzielte die sozialistische Regierung ihr schlechtestes Wahlergebnis. Wesentlich beigetragen haben dazu aber vor allem die heftigen sozialen Proteste, die jeden Versuch, die Deregulierung durchzusetzen, begleiteten. Heute werden die Reformen von Lionel Jospin peu ˆ peu eingeführt.

Deutschland weicht von beiden Ländern ab. Einen radikalen Liberalismus wie in Großbritannien gibt es hierzulande kaum. Auch die verhaltene Kritik an dem "dirigistischen Staatseingriff" bei Holzmann nimmt der Opposition niemand so richtig ab: Die Union hat nie radikal mit dem Rheinischen Kapitalismus gebrochen, während die Wirtschaftsliberalen um Guido Westerwelle heute den Status einer Polit-Sekte besitzen.

Auf der anderen Seite kennen auch die Beschäftigten ihre Pflicht. Bei Massenentlassungen und Sparmaßnahmen folgt keine Straßenschlacht, sondern der Gang zum Opferstock. Holzmann ist überall: Auch bei der maroden bayerischen Maxhütte haben die Banken vergangene Woche einen 140-Millionen-Kredit spendiert; die 1 500 Mitarbeiter verzichteten im Gegenzug auf 70 Millionen Mark an Lohn.

Der deutsche Volkskapitalismus hat daher nur wenig mit Frankreich oder Großbritannien gemein. Wenn überhaupt, dann ist er mit den japanischen Zaibatsus zu vergleichen - den unheimlichen Konglomeraten aus Wirtschaft, Staat und dem dazugehörigen Inventar.

Zaibatsu für Deutschland, so könnte daher das Motto aus Frankfurt lauten. Schröder als Verteidiger des Vaterlandes: Ihm gelingt das Kunststück, den Turbo-Kapitalismus zu propagieren und sich gleichzeitig als Retter vor dessen Folgen zu inszenieren.

Ihm bleibt auch kaum etwas anderes übrig. Weder der Marktradikalismus noch die französischen Arbeitskämpfe sind auf das deutsche Konsensmodell übertragbar. In der EU stehen sich die verschiedenen Modelle gegenüber. Fragt sich, wem am Ende die feindliche Übernahme gelingt.