Die Rettung von Opel

Mein Werk, dein Werk

Wenn »der Opelaner« entdeckt wird, ist die Lage ernst. Die Suche nach einem Investor gestaltet sich schwierig.

Um Opel ist es in den letzten Tagen merkwürdig still geworden, nachdem einige Politiker zuvor öffentlichkeitswirksam ihren Tatendrang de­mons­triert hatten, um die Arbeitsplätze bei dem Unternehmen zu erhalten. Bundeswirtschaftsminis­ter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) etwa, der in den USA Gespräche mit der Führung von Gene­ral Motors (GM) und mit der US-Regierung geführt hatte, nicht ohne mehrmals am Tag per Live-Schaltung Statements von beeindruckender Inhaltslosigkeit abzugeben, hat sich inzwischen der Abwrackprämie zugewandt.
So fiel sogar die Kritik des quasi amtlichen Automobilexperten und staatlich besoldeten Industrielobbyisten an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, an der USA-Reise des Ministers harsch aus. CDU und CSU wollten Opel nicht retten und betrieben eine Hinhaltetak­tik, sagte er der Leipziger Volkszeitung. »Man will nichts machen, aber sucht einen Ausstieg, der einen vor der Wahl nicht blamiert. Deshalb soll der Eindruck erweckt werden, man tue alles für die Rettung.« Damit dürfte Dudenhöffer nicht einmal ganz falsch liegen.

Die Bundeskanzlerin entschwebte nach ihrem Auf­tritt im Rüsselsheimer Opel-Werk, bei dem sie krampfhaft versuchte, die Erfordernisse des beginnenden Wahlkampfs mit der nüchternen Realität zu verbinden, dass die Bundesregierung keine konkreten Pläne für Opel haben dürfte, zum internationalen Gipfeltreffen. Ihr Besuch in Rüsselsheim offenbarte vor allem, dass die Lage wohl ernst sein muss. Denn wie immer, wenn eigentlich nichts mehr zu retten ist, wurde der altbekannte, penetrant-klebrige Betriebskorporatismus bemüht.
So beschwor man die Werkstraditionen und die Verbundenheit der »Opelaner« mit »ihrem« Werk und betonte die paternalistische Verantwortung von Management und Staat für »ihre Mitarbeiter« – wie es eben auch schon bei den »Kruppianern«, den »Siemensianern«, den »Hoeschianern« und all den anderen »-ianern« gemacht wurde, deren Jobs dann leider doch nicht zu retten waren.
Im Normalzustand des Ausbeutungsverhältnis­ses ist diese ständische Betriebs- und Standort­ideologie längst Geschichte, weshalb sie im Ausnahmezustand umso hemmungsloser zelebriert wird. »Wir sind Opel« stand auf den gelben T-Shirts geschrieben, die irgendwer (war es die Werksleitung oder die IG Metall?) den Arbeiterinnen und Arbeitern zur Verfügung gestellt hatte. Dass diese Behauptung bestenfalls Selbstbetrug, an­sons­ten aber eine schamlose Lüge ist, weiß inzwischen jedes Kind.

Nun ist die Show erst mal vorbei, und wer etwas über den aktuellen Stand erfahren will, muss wieder in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen blät­tern. Opel braucht nach Angaben von GM rund 3,3 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen sowie einen neuen Investor, um das Überleben zu sichern. Spekuliert wird über eine mögliche Beteiligung eines Staatsfonds aus Abu Dhabi, dessen stellvertretender Premierminister zwar bestätigt, prinzipiell interessiert zu sein, sich aber noch nicht festlegen will. Es wäre derselbe, der inzwischen auch schon mit Daimler ins Geschäft gekommen ist.
Nach der Ankündigung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), nach Abu Dhabi zu reisen, um das Emirat zu einer Beteiligung an Opel zu bewegen, will es ihm Guttenberg offenbar gleichtun.
Auch eine Beteiligung Dubais scheint eine Option zu sein, ebenso wie die des US-amerikanischen Investmentfonds Cerberus, der, wie gemut­maßt wird, gerade im Begriff ist, seine Beteiligung von 80 Prozent bei Chrysler abzustoßen, und sich auf der Suche nach europäischen Industriebeteiligungen befindet. Der Staatsfonds Aabar und der größte Staatsfonds der Welt, die Abu Dhabi Investment Authority (Adia), sowie die dort beheimatete Investmentgesellschaft Mubadala haben dagegen bereits abgelehnt.

Was die Investoren zögern lässt, dürfte nicht nur die enge Verquickung des Unternehmens mit dem Mutterkonzern General Motors sein, dessen Insolvenz offenbar vorbereitet wird, um ihn in rentable und unrentable Geschäftsbereiche aufspalten zu können – wobei niemand so genau weiß, in welchem Segment Opel dann wohl landen würde. Nur so viel gab die Leitung von GM bekannt, dass es einen »Notfallplan« für Opel ge­be, falls die Verhandlungen über Finanzhilfen für das Europageschäft nicht bis Mitte des Jahres abgeschlossen seien.
Entscheidender dürfte sein, dass eigentlich niemand außer den Verantwortlichen bei Opel und GM Genaues über die tatsächliche ökonomische Lage bei Opel weiß, eigenständige veröffentlichte Bilanzen gibt es seit 2004 nicht mehr, und selbst die Konten des Unternehmens laufen über GM. Zwar soll dem Gesamtbetriebsrat zufolge der Absatz an Neuwagen trotz der Krise im ersten Quartal 2009 um 50 Prozent gestiegen sein – wohl nicht zuletzt dank der Abwrackprämie –, doch ist selbst die Frage, wem Opel eigentlich wirklich gehört, nicht geklärt.
Der Focus zitierte in der vergangenen Woche ein nicht namentlich genanntes Mitglied der Bundesregierung mit den Worten, die ohnehin schwie­rige Suche nach Investoren gerate zur »Mission impossible«. Zur Begründung verwies jener Unbekannte darauf, dass GM neben den Opel-Patenten, die als Sicherheiten für Milliardenhilfen an die US-Regierung abgetreten wurden, auch sämtliche Vermögenswerte von Opel wie Werksgelände und Fabriken an diverse US-Banken verpfändet habe. Ein Sprecher von Opel bestätigte das indirekt. Er sagte, wenn es in dieser Hinsicht Probleme gäbe, würden die ebenso gelöst wie die inzwischen geklärte Frage mit den Patenten. »Opel ist nur eine Hülle«, sagte das ominöse Regierungsmitglied. Wer sich für einen Einstieg bei Opel interessiere, müsse mit mehreren US-Kredit­instituten verhandeln. Entsprechen diese Aussagen den Tatsachen, besitzt Opel keinerlei Vermögenswerte. Dem Focus-Bericht zufolge sind alle vier deutschen Werke in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern betroffen.

Der Gesamtbetriebsrat bei Opel versucht trotz alle­dem verzweifelt, gute Stimmung zu verbreiten. Dabei kommt der Vorsitzende Klaus Franz mit den Dementis kaum mehr nach. Ob es um die angeblich geplante Schließung von drei europäischen Werken geht oder darum, ob 3 500 Stellen oder doch 7 600 in Europa abgebaut werden sollen – es herrscht Konfusion. Als die gute Seele des Konzerns profiliert sich der mit dem Management verwachsene Gesamtbetriebsrat, aber nur noch die IG Metall glaubt daran, dass der deutsche Staat ein spezielles Interesse an einem Einstieg bei Opel haben könnte. Bezahlen werden ohnehin die Beschäftigten des Unternehmens, mit dem Verlust ihres Jobs, Einschränkungen bei den Betriebs­renten oder indem ihnen die Löhne gekürzt werden. Die Verpflichtungen des Konzerns aus den Betriebsrenten werden dabei bereits als Investitionshindernis gehandelt.
Dementiert wird erst mal alles, aber sicher ist nichts. Franz bestätigte lediglich Pläne für einen möglichen Verkauf des Werkes Eisenach: »Wir kön­nen uns vorstellen, Eisenach an einen soliden Investor zu verkaufen, der die Arbeitsplätze dann langfristig sichert.« Er betonte aber: »Weitere Werke stehen aber nicht zum Verkauf. Außerdem wollen wir verhindern, dass auch nur ein Werk geschlossen wird.«