Krieg der Schuhe

Bei der Fußball-WM in Frankreich kämpfen die Sportschuster Nike und adidas um die Marktführerschaft

Es gibt kaum eine Station der Pariser Metro, die nicht mit dem Logo des weltweit führenden Sportartikelherstellers aus den USA versehen ist. Ein Vergnügungszentrum unter dem Firmenbanner wurde errichtet, Fernsehminuten en gros gebucht, um das Werbeflaggschiff des Konzerns, die brasilianische Equipe, in Aktion vorzuführen. Nike bläst zum Frontalangriff auf die jahrzehntelange Domäne von adidas - dem führenden Fußballausstatter.

Schenkt man dem Wallstreet Journal Glauben, wird Nike den "Schuhkrieg" gegen den Konkurrenten aus dem fränkischen Herzogenaurach gewinnen. In dessen traditionellen Markt ist der Konzern mit Hauptsitz in Beaverton/Oregon längst eingebrochen. Noch bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA war Nike kaum präsent. Dies sollte sich noch während des Turniers ändern. Konzernchef Phil Knight beobachtete das Achtelfinalspiel zwischen Brasilien und den USA und war begeistert vom kommenden Weltmeister und der Samba-Euphorie im Stadion. Zwei Wochen später beim Finale zwischen Italien und Brasilien konnte sich die Welt bereits ein Bild davon machen, wie schnell der Konzernchef gelernt hatte. 70 000 Baseballcaps in den Farben der brasilianischen Equipe wurden verteilt - allesamt natürlich mit dem Logo des Konzerns, dem swoosh, versehen.

Selbst Fernsehkommentator Pelé, vertraut mit Werbestrategien, war damals verwundert, daß das "Stadion einem Nike-Meer glich". Die Manager um Phil Knight hatten ganze Arbeit geleistet: Über Nacht waren um und im Stadion Plakate positioniert worden, Flaggen mit dem swoosh wehten im Winde, so daß so mancher den Eindruck mit nach Hause nahm, die brasilianische Mannschaft habe über Nacht ihren Ausrüster gewechselt. Dem war zwar nicht so, doch Umbro, offizieller Ausrüster der Brasilianer, hatte eine Lehrstunde in Sachen aggressivem Marketing erhalten.

Umbro war denn auch der erste Sportartikelhersteller, der die Expansionsgelüste des Branchenriesen zu spüren bekam. 1996 schloß Nike ein Zehnjahresvertrag mit dem brasilianischen Verband CBF ab und verdrängte damit den weniger zahlungskräftigen Konkurrenten. 400 Millionen US-Dollar legte der Umsatzgigant der Branche (1996/97 rund 15 Milliarden Mark) den Brasilianern auf den Tisch, womit allerdings auch weitreichende Vermarktungsrechte einhergehen. 50 Spiele muß die brasilianische Selecao exklusiv für den Sponsor binnen der Vertragsdauer bestreiten, wobei Nike Sports Entertainment (NSE) alle Rechte an Sponsoren, Fernsehübertragungen und Ticketverkauf erhielt. Auftritte der Kicker vom Zuckerhut sind seitdem gigantische PR-Shows inklusive Sambatruppe, Straßenfußballturnier und einem gigantischen Jahrmarkt rund um das Stadion.

Doch mit der brasilianischen Equipe, inklusive Exklusivvertrag mit Fußballer Ronaldo, gab sich Nike nicht zufrieden. Mittlerweile hat der Konzern zehn Nationalmannschaften unter Vertrag. Unter ihnen Italien, Holland, Nigeria, Südkorea und die USA. Damit sind die "Schuhsoldaten" von Phil Knight auch in den europäischen Markt, traditionelle Domäne von adidas, eingebrochen. Der mit einem Jahresumsatz von 6,7 Milliarden Mark (1997) zweitgrößte Konzern der Branche ist präpariert. Mit Frankreich, Deutschland, Spanien, Rumänien, Jugoslawien und Argentinien stehen namhafte Mannschaften unter Vertrag. Zudem prangt auf jedem Fanartikel das Logo des Hauptsponsors und selbst die Schiedsrichter werden in den Schuhen mit den drei Streifen auflaufen. Die WM steht somit ganz im Zeichen des Konzerns, der vorgibt den europäischen Markt zu dominieren.

Adidas-Boß Robert Lonis-Dreyfus läßt sich denn auch zu markigen Sätzen wie "Europa gehört uns" hinreißen, doch der Einbruch auf dem angestammten Markt macht ihm höchstwahrscheinlich mehr Sorgen als er zugeben mag. Renommierte Vereinsmannschaften wie PSV Eindhoven, FC Barcelona oder Borussia Dortmund spielen bereits mit dem swoosh. Zum Botschafter haben sich die Nike-Strategen keinen geringeren als Ronaldo erkoren, der jüngst eine Audienz beim Papst dazu nutzte, Johannes Paul II. ein Trikot mit dem Nike-Logo zu überreichen.

Die aggressive Nike-Strategie, das sogenannte Ambush-Marketing, rief jüngst denn auch die internationale Fußballorganisation Fifa auf den Plan. Deren Marketingstrategen verschickten Selbsthilfe-Broschüren an die Sponsoren, damit Fußball nicht langfristig weltweit unter dem Nike-Logo firmiert. Dies ist zwar vorerst nicht zu befürchten, allerdings müssen sich adidas, Reebok, Umbro und andere etwas einfallen lassen, um die Rundum-Vermarktungsstrategie des Branchenriesen zu kontern. Aus Sicht der Fifa droht hingegen die Entmachtung der nationalen Verbände, wie das Beispiel des WM-Vorbereitungsspiels zwischen Deutschland und Brasilien zeigte. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) gab bei der Auseinandersetzung mit der Nike Sports Entertainment um die internationale Vermarktung der Fernsehbilder klein bei, um das Spiel nicht platzen zu lassen und verzichtete zugunsten der NSE auf stattliche Einkünfte.

Weitere Verträge nach dem Strickmuster der Nike-Vereinbarung mit Brasilien würden Verbände und Vereine zu Handlangern des Konzerns machen, wie es der mexikanische Journalist Hector Huerta prognostiziert. "Nike hat (in Mexiko) gekauft, was es wollte. Die Hörfunkstationen, den Fernsehsender, den Sound im Stadion, die Freiflächen. Wir mußten alle die Texte lesen, die Nike vorbereitet hatte. Das ist kollektive Gehirnwäsche, totale Manipulation", die auch anderen Ligen drohen könnte. In der Fifa kursieren bereits Befürchtungen, daß Nike mit den vertraglich gebundenen Nationalmannschaften, derzeit immerhin zehn, eigene Meisterschaften austragen könnte. Damit wäre die totale Vermarktung der Ware Fußball auf die Spitze getrieben - die "alternative" Nike-WM.