Mörder ohne Motiv

Die türkischen Behörden machen die PKK für den Palme-Mord verantwortlich. In Schweden glaubt das kaum jemand

"Ich weiß, daß die PKK hinter dem Mord an Olof Palme steht. Aber ich kenne nicht alle Details und weiß deshalb nicht, warum Palme eigentlich sterben mußte", lautete das Geständnis des früheren PKK-Funktionärs Semdin Sakik, das in der letzten Woche von der in Ankara erscheinenden türkischen Tageszeitung Sabah veröffentlicht wurde. Sakik, jahrzehntelang die rechte Hand von PKK-Chef Öcalan, war nach einem Zerwürfnis mit ihm zur Kurdisch-Demokratische Partei Iraks (KDP) übergelaufen. Zuvor hatte Öcalan angeblich seine Exekution befohlen.

Am 13. April war Sakik im Nordirak von türkischen Sicherheitskräften festgenommen worden, er wird seitdem in Diyabakir verhört. Zwei Wochen nach seiner Festnahme soll er gestanden haben, der Mord an Olof Palme sei von der PKK geplant und durchgeführt worden. Ein Motiv konnte er zwar nicht angeben, trotzdem waren sich die türkischen Bekörden von Beginn an sicher, daß der Mord an dem schwedischen Ministerpräsidenten, der im Frühjahr 1986 nach einem Kinobesuch in Stockholm von Unbekannten erschossen worden war, damit aufgeklärt sei.

Die PKK-Spur gehörte jahrelang zu den Lieblingstheorien der schwedischen Polizei. Besonders der später abgesetzte Chefermittler Hans Holmér, der als erster die mit der Aufklärung des Falles befaßte Sonderkommission leitete, sowie der ehemalige Regierungschef Ebbe Carlsson behaupteten wiederholt die Verwicklung der kurdischen Organisation in den Mord, die vorgelegten Beweise waren allerdings dürftig. Es handelte sich lediglich um vor und nach dem Mord abgehörte Telefongespräche zwischen einem Mann namens Hakun und PKK-Chef Abdullah Öcalan, in denen man sich darüber einigte, daß "die Hochzeit bald durchgeführt" werden solle. Diese Hochzeit, so verkündete Holmér, sei das Codewort für den Mord an Palme gewesen. Der schwedischen Öffentlichkeit leuchtete das nicht ein, man machte sich über die PKK-Ermittlungen eher lustig, zumal die Ermittler zugeben mußten, daß die kurdische Organisation der schwedischen Polizei zuvor noch nie durch politische Morde - auch nicht an Überläufern - aufgefallen war.

Nun aber wird die PKK-Spur wieder sehr ernst genommen, jedenfalls von den türkischen Behörden. Die stellvertretende schwedische Botschafterin in Ankara, Katarina Wislez Berggren, wurde in der letzten Woche offiziell ins türkische Außenministerium bestellt, der stellvertretende Staatsminister Bülent Ecevit erklärte zuvor auf einer Pressekonferenz, bei diesem Treffen würden weitere Beweise und Ermittlungsergebnisse präsentiert werden. Die seit 1986 ausschließlich mit dem Mordfall beschäftigte "Sonderermittlungsgruppe Palme" der schwedischen Polizei wurde anschließend über die Ermittlungen der türkischen Behörden und den Inhalt des angeblichen Geständnisses informiert, offiziell dazu äußern wollte sich jedoch auch Tage danach noch niemand. Insgesamt nahm man die Aussage von Semdin Sakik in Schweden eher skeptisch auf. Zum einen, weil man bald schon regelmäßig glaubt, endlich den oder die Mörder Palmes gefunden zu haben, aber ebenso häufig feststellen muß, daß an den vielversprechenden Spuren nichts dran ist.

Erst im letzten Jahr gab es große Aufregung um angebliche Beweise für eine Verstrickung des südafrikanischen Geheimdienstes, aber nach intensiven Ermittlungen war recht schnell klar, daß die auf keinen Fall zur Aufklärung des Mordfalls Palme führen würden. Und zweitens, weil der PKK ein Motiv fehlt. In türkischen Zeitungen wurde der Palme-Mord zwar darauf zurückgeführt, daß die PKK über die Gewährung von politischem Asyl für eine Reihe von PKK-Abtrünnigen durch den schwedischen Staat erbost gewesen sei. In den schwedischen Medien vermutet man jedoch, daß Sakiks Geständnis erzwungen wurde und deutete an, der Ex-PKK-Funktionär sei womöglich gefoltert worden. Die PKK dementierte ihrerseits in einer Anfang letzter Woche herausgegebenen Presseerklärung jegliche Verstrickung in den Mordfall, ihrer Argumentation schlossen sich die meisten skandinavischen Zeitungen an: Für die türkische Regierung gebe es schließlich keine bessere Propaganda im Kampf gegen die PKK als der Organisation den Mord an dem populären schwedischen Ministerpräsidenten anzuhängen, das angebliche Geständnis sei nur Teil einer türkischen Kampagne zur Diskreditierung des kurdischen Widerstands.