Guildo Horn ist Kanzlerkandidat

Die Wucht am Rhein

<none>

Auf dieses Gesicht hat die Nation gewartet: Der Schröder am Wahlabend. Keine Frage, daß er ein Sieger sein würde - aber so deutlich? Damit hatte der Ministerpräsident selbst, wie er sagte, in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Wie würde Schröder reagieren? Ein strahlendes Lachen, nun da er endlich den Machtmensch würde zeigen dürfen? Das Gesicht verzerrt vor Gier nach dem Bonner Amt?

Wer dergleichen erwartet hatte, wurde am Wahlabend enttäuscht. Als Schröder gegen 19.30 Uhr im zum Pressekonferenzsaal umfunktionierten niedersächsischen Landtag vor 250 Journalisten trat, war er bereits in die Rolle des Kanzlerkandidaten geschlüpft. Und er zeigte, wie er die Kandidatur zu führen gedenkt: Als Elder Statesman im dunklen italienischen Anzug mit silbergrauer Krawatte, der auch noch geschliffen zu formulieren weiß, wenn eigentlich Zeit zum Jubeln wäre. Zweimal müssen die Journalisten nachhaken, bis Schröder zugibt: "Dieser Tag ist schon eine Wucht" - aber der schönste in seinem Leben sei es nicht.

Vielleicht deswegen nicht, weil es dem Sieger von Hannover nicht selbst überlassen blieb, die bisher beste Nachricht seines Lebens mitzuteilen. SPD-Wahlkampfmanager Franz Müntefering, der noch in der Woche vorher von Schröder und Lafontaine düpiert worden war, als er zugeben mußte, daß er von deren Absprache über die Nominierung des Kanzlerkandidaten am Tag nach der Niedersachsen-Wahl nichts gewußt hatte, konnte diesmal durch Informationsvorsprung glänzen: "Morgen wird Gerhard Schröder Kanzlerkandidat sein."

Er war es bereits an diesem Abend. So wie Lafontaine und Schröder schon am Telefon den Zeitpunkt der Kandidatenkür unter sich beschlossen hatten, so nagelten sie bereits am Nachmittag des Wahltages den Deckel auf die Kandidatenkiste. Als die Wahl noch in vollem Gange war, rief der Parteichef den niedersächsischen Ministerpräsidenten an. Übereinstimmend berichteten beide später, Lafontaine habe Schröder "gefragt, was er sagen würde", wenn der Saarländer ihn als Kanzlerkandidaten vorschlagen würde.

Kaum anzunehmen, daß ein heller Kopf wie Lafontaine tatsächlich eine derart dumme Frage stellte. Tatsächlich reichten wohl am Nachmittag die Wahlprognosen schon aus, um das zu beschließen, was im internen Sprachgebrauch zwischen Schröder und Lafontaine schon längst den Codenamen "Plan A" getragen haben mag.

Am Wahlabend machte Lafontaine überhaupt nicht den Eindruck eines, dessen Partei gerade einen Triumph erlebt hat. Betont nachlässig gekleidet, stieß er vor dem Tor seines Hauses in Saarbrücken mit Journalisten auf Schröders Sieg an - mit saarländischem Schnaps. Den brauchte Lafontaine wohl auch. Denn obwohl der Schröder-Sieg das Ende seiner eigenen Träume vom Wohnsitz im Kanzleramt bedeutete, blieb Lafontaine nichts anderes übrig, als diesen Sieg herbeizuwünschen.

In einer ähnlichen Zwickmühle befanden sich am Wahlabend die Bündnisgrünen. Sie mußten ausgerechnet den Intimfeinden von der FDP die Daumen halten. Die Gründe lagen allerdings weniger in besonderer Sympathie füreinander, sondern in schlichter Wahlarithmetik: Wäre die FDP in den Landtag gekommen, dann hätte Schröder trotz seiner starken Zugewinne die Grünen als Koalitionspartner gebraucht. Nur weil die Pünktchenpartei es nicht schaffte, müssen die Grünen mit der CDU auf den Oppositionsbänken bleiben. Spitzenkandidatin Rebecca Harms: "Ich würde es der FDP schon vergönnen, in Niedersachsen den Steigbügelhalter für Rot-Grün zu machen." Vor allem aber hätte sie es wohl der eigenen Partei vergönnt, mit Hilfe der FDP Schröder noch ein halbes Jahr demonstrative rot-grüne Regierungsfähigkeit abzutrotzen.

Den ließen solche Kalkulationen ziemlich kalt. Wahlarithmetik, das kann Schröder auch. Und in Bonn geht das so: Schröder holt die neuen Wähler für die SPD rechts bei der CDU ab. Und was den Sozialdemokraten dafür links abbröckelt, das landet sowieso bei den Grünen. Und damit ist dann auch Frau Harms wieder einverstanden.