Bauhaus ist überall

90 Jahre Bauhaus

Bauhaus ist überall. Nur nicht in Weimar.

Wer etwas über das Bauhaus wissen will, muss sich auf die museale Kunstgeschichte einlassen und nach Berlin fahren: Im Martin-Gropius-Bau gibt es noch bis 4. Ok­tober »Modell Bauhaus – Die Ausstellung« zu sehen. In Berlin gibt es zwar auch das Bauhaus-Archiv, doch für die stets gemeinte Geschichte der Institution »Bauhaus« ist Berlin nur die kurze Schlussstation: Mies van der Rohe hatte hier im Herbst 1932 die Räume einer leer stehenden Telefonfabrik bezogen; wenige Monate später, am 13. April 1933, wurde das Bauhaus von den Nazis geschlossen. Es kam nach Berlin, nachdem es in Dessau vertrieben worden war; nach Dessau war das Bauhaus gegangen, nachdem es Weimar hatte verlassen müssen.
Weimar, Dessau, Berlin: Das sind die drei Stationen, wenn man das, womit das Bauhaus kunstgeschichtlich identifiziert wird, auf das Bauhaus als faktische Institution bezieht – »Bauhausstil«. Doch damit fängt der Mythos an, der sich schließlich in der absurden Gleichsetzung von Bauhaus = Moderne = Avantgarde kristallisiert.
Das Bauhaus hat eine Vorgeschichte, eine Nachgeschichte, viele Nebengeschichten. Wenn man es schon als Avantgarde begreift und der klassischen Moderne zuordnet, dann ist das nur kritisch möglich: mit Blick auf die europä­ischen Kunstavantgarden, Dadaismus, Surrealismus etc., auch mit Blick auf den deutschen Sonderweg der Avantgarde der Expressionismus-Gruppen, vor allem aber mit Blick auf die junge Sowjetunion und den dortigen wirklich wirkenden Avantgarden. Das sind Perspektiven, die schnell erkennbar machen, dass die Bauhaus-Geschichte nur politisch erzählt werden kann und weit über die Institution Bauhaus hinausweist, nämlich untrennbar mit der Entwicklung des Industriekapitalismus und des Fordismus verbunden ist.
Es ist dies eine politische Geschichte nicht nur, weil das Bauhaus und der damit verbundene Stil immer wieder mit Rechtskonservatismus und Faschismus konfrontiert werden, sondern weil sich mit der Moderne, für die das Bauhaus programmatisch steht, der Begriff des Politischen selbst verändert – und das bezieht sich nicht nur auf die Zeit der Weimarer Republik. Schließlich mündet das, was mit sehr deutschen Vorstellungen in Weimar 1919 begann, in einem International Style, der überall auf der Welt seine Spuren hinterlassen hat.
Anders gesagt: Will man wissen, was eigentlich aus dem Bauhaus geworden ist, nämlich in welcher Weise der Bauhausstil den gegenwärtigen Alltag, unser heutiges Leben bestimmt, dann reicht ein Blick in die Küche, auf die Heizungen und Lichtschalter, auf so manches Möbel, auf die Hausfassaden, auf die Anordnung der Fenster, auf die Straßen; dann muss man sich nur ein wenig umsehen und hat es mit Gegenständen und Strukturen zu tun, die direkt oder indirekt vom Bauhaus beeinflusst sind. Das gilt für ungefähr jeden Ort auf der Erde, außer – wie sich mit etwas Übertreibung sagen lässt – für Weimar, wo angeblich alles seinen Anfang genommen haben soll.
Also geht’s nach Weimar, auf die Suche nach dem Bauhaus. Fährt man mit der Bahn von Berlin einen kleinen Umweg an Alfeld vorbei, ist das Fagus-Werk zu sehen, denkmalgeschützt renoviert, gebaut 1911 nach Entwürfen des jungen Architekten Walter Gropius: Ein Meilenstein moderner Industriearchitektur – mit Glas und Stahl und großen Fenstern – ist das Gebäude vom Tageslicht durchleuchtet, es präsentiert ein freundliches Bild der Arbeit. Gelernt hatte Walter Gropius bei Peter Behrens, der durch seine Architektur und Gestaltung für die AEG-Werke bereits berühmt war. Das Fagus-Werk bietet indes einen Vorgeschmack auf das Bauhaus in Weimar (dessen Gründer und Direktor für lange Jahre Gropius ja war), der merkwürdigerweise Vorgeschmack bleibt: Kommt man in Weimar an, geben Bahnhof und Bahnhofsvorplatz den ersten Blick auf eine hübsch, aber billig inszenierte Touristenstadt frei, etwas verunstaltet durch herumlungernde Nazijugend­liche. Der Fußweg in die Innenstadt führt über die Carl-August-Allee. In die Fenster des Gymnasiums haben die Schüler Symbole gehängt: gelbes Dreieck, rotes Quadrat, blauer Kreis. Diese drei Zeichen haben sich mittlerweile als Signet des Bauhauses verselbständigt; dabei dienten sie eigentlich experimentellen Zwecken – Wassily Kandinsky, der seit 1922 am Bauhaus Formmeister der Werkstatt für Wand­malerei war, hatte mit den Symbolen den Zusammenhang von Grundfarbe und Grundform »wissenschaftlich« zur Darstellung bringen wollen. Das eigentliche Bauhaus-Signet – der von Oskar Schlemmer 1922 entworfene Kreis mit dem kantigen Linien-Profilgesicht – ist hingegen weit weniger bekannt; und kaum jemand wird auf den ersten Blick das erste, von 1919 bis 1922 gültige Signet mit dem Bauhaus identifizieren (wollen): Im dynamischen Duktus entwarf Karl-Peter Röhl ein Zeichen, bestehend aus religiösen Symbolen – u. a. einem Hakenkreuz.
Weiter geht’s in Weimar, der Goethestadt, in der das Bauhaus nunmehr, zum neunzigjährigen Jubiläum, zum touristischen Begleitprogramm gehört. »Das Bauhaus kommt aus Weimar«, heißt eine auf fünf Orte verteilte Ausstellung, die aber am 5. Juli schon wieder zu Ende war. Umbaupause bis 15. August im Bauhaus-Museum. Nun ja, man sieht es sowieso nicht gleich – zu versteckt scheint das kleine Gebäu­de zu sein, die Aufmerksamkeit konzentriert sich hier, auf dem Theaterplatz, ohnehin auf das Deutsche National-Theater und vor allem das vom »Vaterland« gestiftete Goethe-Schiller-Denkmal. Jetzt befinden wir uns mitten im touristischen Trubel; irgendwelche Tassen, Regenschirme und sonstige Utensilien, die mit gelbem Dreieck, rotem Quadrat und blauem Kreis bedruckt sind, gibt es überall in den Sou­venirläden, neben »SALVE!«-Fußmatten, kleinen Ginkgo-Bäumchen und grünen DDR-Ampelmännchen.
Den Ort, wo hier 1919 die Hochschule für Gestaltung – Staatliches Bauhaus in Weimar gegründet wurde, muss man suchen; aber es gibt ihn noch. Wer es bequem haben will, kann sich vom Frauenplan, wo das Goethe-Haus steht (unbedingt ansehen, wenn man sich um den unverschämten Eintrittspreis von acht Euro herummogeln kann: das im naiven, ergo schlechten Stil gehaltene Wandgemälde im Café, das alle Persönlichkeiten zeigt, die Weimar besucht haben – u. a. Udo Lindenberg, Adolf Hitler), eine Pferdekutsche nehmen. Der Kutscher hat sich verkleidet, entweder als Goethe oder als Kutscher. So geht es nun im Flair des 18.Jahrhunderts zur Brutstätte der Moderne, die man kaum erkennen könnte, hätte der groteske Fuhrmann es nicht verraten: der Van-de-Velde-Bau. Der Komplex ist zwar architektonisch modern, hebt sich aber mit den verspielt anmutenden Jugendstilformen eigentlich kaum vom aufgehübschten neoklassizistischen, pseudo-historistischen Baustil in Weimar ab.
Henry van de Velde hatte in dem bereits 1905 von ihm entworfenen Bau 1908 die Kunstgewerbeschule Weimar eröffnet. Der Belgier wird 1914 öffentlich als »feindlicher Ausländer« verfemt, legt seinen Direktorenposten nieder und flüchtet in die Schweiz. »Ich darf Ihnen sagen, wie sehr ich das brutale, grenzenlos törichte Gebaren meiner Landsleute gegen Sie verurteile«, schreibt Gropius im Dezember 1914 an van de Velde. Im April 1919 wird Gropius Nachfolger von van de Velde, im Juli beginnt mit 150 Studenten der Lehrbetrieb der Hochschule für Gestaltung – Staatliches Bauhaus in Weimar.
Das Programm ist noch diffus und von religiösen Tönen geprägt. »Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!« Mit diesem Satz beginnt Gropius sein Bauhaus-Manifest von 1919. Umgestürzt ist damit nicht nur die klassische Hierarchie der Künste, an deren Spitze bisher die Poesie stand, sondern die Kunst überhaupt wird hier fundamental in Frage gestellt: »Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine ›Kunst von Beruf‹. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.« Nicht nur Anwendung der Kunst, sondern künstlerische Perfektion des Handwerks bedeutete das Programm. Nicht mehr »bildende Kunst« im Sinne der klassischen und romantischen Genie-Ästhetik (wie an Ort und Stelle, in Weimar, ehedem durch Goethe und Schiller maßgeblich propagiert), sondern eine zeitgemäße Ausbildung zum Künstler, die als Lehre zu verstehen ist und zu der auch ein Gesellenbrief als Abschlusszeug­nis gehört.
»Endziel Bau« meinte auch den historisch weiten Rückbezug auf die mittelalterliche Bauhütten-Tradition. »Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir ­gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.«
Gropius’ expressiver Duktus entspricht dem Zeitgeist, gerade in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg in der noch jungen Weimarer Republik. Zugleich zeigt sich hier die merkwürdige Dialektik der Bauhaus-Moderne: Die ästhetische Utopie, die hier formuliert wird, scheint weniger gesellschaftlich zu sein als vielmehr religiös. Darauf verweisen nicht nur Worte wie »Himmel« und »Glaube«, sondern vor allem das Titelbild zum Manifest: Lyonel Feiningers »Kathedrale des Sozialismus« genannter expressionistischer Holzschnitt, auf dem eben das zu ­sehen war: ein Kirche mit drei in den Himmel ragenden Türmen, gekrönt von Sternen und ihren Strahlen – Malerei, Skulptur und Architektur.
Geprägt sind die ersten Bauhausjahre durch Johannes Itten, der zwischen 1919 und 1923 als künstlerischer Leiter des Bauhauses wirkte und wesentlich das pädagogische Konzept der Schu­le bestimmte; Itten, ein fanatischer Anhänger der Mazdaznan-Sekte, trat als Meister im deutsch-mittelalterlichen Sinne auf. Er trug wie die Studierenden eine von ihm selbst entwor­fene Bauhaus-Tracht, eine Art Mönchskutte; sein Atelier bezog er in dem von Goethe entworfenen gotischen Tempelherrenhaus im Weimarer Ilm-Park.
Das Konzept, wonach die Funktion die Form vorgibt, lässt sich bei den unter Ittens Einfluss entstandenen Bauhaus-Arbeiten noch kaum erkennen; erst nachdem Itten das Bauhaus 1923 verlassen hatte und László Moholy-Nagy sein Nachfolger geworden war, kann sich der heute mit dem Bauhaus identifizierte Modernismus entwickeln: Neue Technik, Produktion und Konstruktion sind jetzt die programmatischen Begriffe. Es geht um Gestaltung. Die Ansätze dafür sind im 19. Jahrhundert zu suchen: »Form follows function« hatte schon 1896 der US-amerikanische Architekt Louis Sullivan, der in Chicago die ersten Hochhäuser baute, als passende Parole für einen Stil formuliert, der nicht mehr das Handwerk maschinenstürmerisch gegen die Industrie verteidigt (wie es noch bei William Morris und John Ruskin der Fall war), sondern vielmehr das Handwerk als angewandte Kunst mit der industriellen Massenproduktion fortsetzt.
Dieses Programm wurde vom 1907 in München gegründeten Deutschen Werkbund aufgegriffen. Nicht unwichtig für die Entwicklung des Bauhausstils ist der so genannte Werkbundstreit zwischen Henry van de Velde und Hermann Muthesius. Muthesius verteidigte das strenge Formprinzip, die Typisierung. Van de Velde hingegen setzte auf eine ständig sich erneuernde Vielfalt der Formensprache; Gropius hatte van de Velde in diesem Punkt bis zuletzt verteidigt.
Das scheint allerdings dem Bauhaus-Stil zu widersprechen, auch wenn Gropius ihn wesentlich mitgeprägt hat – maßgeblich ja durch den Entwurf des Bauhaus-Gebäudes, der Meisterhäuser und der Bauhaus-Siedlung in Dessau. Nachgerade prototypisch für den Bauhausstil ist ein 1926 von Mart Stam aus Gasrohrteilen gefertigtes Gestänge, aus dem er zusammen mit Marcel Breuer schließlich den so genannten Freischwinger entwickelt: ein Stuhl mit nur zwei Beinen.
Solche Konstruktionen sind längst nichts Ungewöhnliches mehr. Ob aus Stahl, aus Holz, aus Kunststoff, in aberwitzig erscheinender Statik oder solide und massiv, modern und postmodern – was dieser Freischwinger und ähnliche Objekte seinerzeit an Revolution bedeutet haben mögen, ist heute schwer nachzuvollziehen, wenn man nicht den Begriff des Designs selbst problematisiert. Nehmen wir noch einmal die Formel »form follows function«; sie ist radikal nicht einfach deshalb, weil hier die Form an die Funktion verwiesen wird (nämlich in dem Sinne, dass die schönere Form mit der besseren Funktion in ein Verhältnis tritt), sondern weil überhaupt Form und Funktion des Gegenstandes getrennt sind. Ohne diese Trennung gibt es kein Design, zumindest nicht als Gestaltung von Produkten, die in ihrer Herstellung einer hochgradig differenzierten Arbeitsteilung unterworfen sind. Anders gesagt: Zum Design gehört der Designer. Und zum Designer gehört das Proletariat. Der Handwerker, der Tischler beispielsweise, der die Tischbeine selbst mit Ornamenten drechselt, ist kein Designer, aber auch kein Prolet.
Die Trennung von Form und Funktion hat nicht nur mit der Industrialisierung zu tun, sondern rührt an der Entwicklung des modernen Warenkapitalismus selbst, nämlich am Gegensatz von Gebrauchswert und Tauschwert. Form und Funktion werden durch den Warencharakter von den Gegenständen gleichermaßen abgelöst und treten in Widerspruch zueinander. Das moderne Design ist der Versuch, diesen Widerspruch zu überwinden, indem eine Einheit in der Weise hergestellt wird, dass genau eine Funktion auf eine Form scheinbar notwendig verweist. Und genau das ist aber die Ideo­logie des modernen Designs, an der – dialektisch – das Bauhaus nicht nur künstlerisch scheitert, sondern in der es ebenso in vollkommener Veralltäglichung seines Gestaltungsprogramms noch immer bis in die Gegenwart fortbesteht.
Gerade Weimar ist aber ein Ort, an dem davon wenig zu spüren ist; nicht nur, weil das Bauhaus hier sozusagen seine vormoderne, wenn nicht in Teilen sogar antimoderne Pha­se hatte. Andere Ereignisse sind hier wichtiger: dass das Bauhaus auf Druck der rechtskonservativen Landesregierung 1924 geschlossen wird; dass hier 1930 die Folgeinstitution des Bauhauses, die Hochschule für Baukunst und Kunstgewerbe, aufgelöst wird; dass etliche ehemalige Bauhäusler auch im KZ Buchenwald ­ermordet werden; dass auch Bauhaus-Architekten am Entwurf der Lagerbaracken beteiligt sind.
Das Bauhaus ist in seiner Geschichte zwischen 1919 und 1933 immer wieder politischer Repression ausgesetzt. Das führte aber keinesfalls zu einer Politisierung des Bauhausprogramms. Im Gegenteil. In Dessau gerät das Bauhaus in die Kritik durch das Engagement des Kommunisten Hannes Meyer, ab 1928 Nachfolger von Gropius. Er wird von Ludwig Mies van der Rohe ersetzt, der die Schule vollständig entpolitisiert und kommunistische Schüler von Meyer sogar mit Polizeigewalt abführen lässt. Zwar wird das Bauhaus von den Nazis ­geschlossen, doch einige Bauhäusler sind weiterhin auch im NS gestalterisch tätig; so zum Beispiel der Designer Wilhelm Wagenfeld (der mit der Lampe), oder selbst Gropius, der zusammen mit Joost Schmidt einen Bereich der Ausstellung »Deutsches Volk – Deutsche Arbeit« in Berlin 1934 gestaltet. Was sich hier manifestiert, ist die Veränderung des Politischen im Design; die Gestaltung des modernen Alltagslebens ist bestimmt von der technologischen Rationalität kapitalistischer Arbeitseffizienz und vom Konsum. Seine Parallele hat das in den Vereinigten Staaten des New Deal; auch Gropius und Mies van der Rohe geben dem eine architektonische Form – man denke an Gropius’ Packaged House System oder an Mies’ Campusplan des Illinois Institute of Technology (1938 findet schließlich im Moma, New York, auf Initiative Gropius’ eine Bauhaus-Ausstellung statt).
Das Bauhaus: Was programmatisch in der Parole »Volksbedarf statt Luxus« formuliert war, konkretisierte sich in dem, was Walter Benjamin 1936 auf die Formel »Ästhetisierung der Politik« brachte.
Nach 1933 ist zwar die Geschichte der Institution Bauhaus beendet, doch das, wofür das Bauhaus stand, scheint sich erst jetzt in voller Vielfalt und über die gesamte Welt verstreut zu entwickeln. Schon in den zwanziger Jahren sind es Bauhäusler, die in der 1909 gegründeten, ersten »rein zionistischen« Stadt Tel Aviv bauen – an keinem Ort der Welt gibt es mehr Bauhausarchitektur zu sehen. Dann wäre auf die Hochschule für Gestaltung in Ulm zu verweisen, die zwischen 1955 und 1968 versuchte, an das Bauhaus anzuschließen. Dagegen polemisierte Asger Jorn mit seinem Entwurf eines »imaginistischen Bauhaus«.
Schließlich gibt es noch die Anekdote aus Weimar, wo wir noch immer sind. Eine Gruppe junger Frauen geht über den Theaterplatz. Die eine wundert sich über das Museum und fragt: »Was ist eigentlich das Bauhaus?« Sagt eine andere: »Was für den Westen Ikea war, war für die DDR in etwa das Bauhaus.« Das ist freilich Unsinn, aber doch ist etwas Wahres dran: Denn das klassische Bauhaus, das heute als solches zum Jubiläum inszeniert wird, ist nur noch musealisierter Edelkitsch. Andererseits gibt es bei Ikea tatsächlich einige Bauhaus-ähnliche Dinge, wenn nicht sogar leicht erkennbare Plagiate zu kaufen. Auch die um 1950 konzipierten zerlegbaren Kastenmöbel (z. B. von Arno Lambrecht), die Ikea-Gründer Ingvar Kamprad ins Sortiment aufnahm, haben ihre Vorläufer in den Möbelsystemen, die am Bauhaus in den Zwanzigern entwickelt wurden. Das hat aber alles weniger mit dem Bauhaus an sich zu tun als mit den fundamentalen Veränderungen, denen die kapitalistische Welt unterworfen ist. Das Bauhaus ist davon nur ein Symptom.