Die Anti-Atom-Bewegung und der Wahlkampf

Grün ist nur die Hoffnung

Die Anti-Atom-Bewegung wäre schlecht beraten, nur auf die Verhinderung einer CDU-FDP-Regierung zu setzen.

Im Wahlkampf ist immer alles so schön einfach: »Schwarz-Gelb – Nein, danke« steht derzeit tausendfach auf Wahlplakaten der Grünen geschrieben. Zu sehen sind dabei zwei riesige marode Atom­müllfässer. Die Botschaft lautet: Kommt es nach der Bundestagswahl zu einer Mehrheit für CDU/CSU und FDP, werden die AKW-Laufzeiten ver­längert und die Atommüllberge wachsen. Im Um­kehrschluss sollen die potenziellen Wählerinnen und Wähler denken, dass Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wenn sie nur für die Grünen stim­men. Ähnlich argumentierten die Grünen in allen Bundestagswahlkämpfen seit Menschengedenken. Und mehrmals schon konnten die Wählerinnen und Wähler den Wahrheitsgehalt der These überprüfen, die Verhinderung einer schwarz-gelben Re­gierung führe zur Stilllegung von Atomkraftwerken. Denn bereits seit 1998 gibt es keine Mehr­heit von Union und FDP im Bundestag. Und seit jenem Jahr ist der Atomausstieg offiziell Regie­rungs­po­litik. Das hat sich auch nicht mit dem Wechsel zur Großen Koalition im Jahr 2005 geändert. Wir konnten damals in den Zeitungen lesen: »SPD setzt sich durch – Es bleibt beim Atomausstieg.«
Elf Jahre Atomausstiegspolitik haben dazu geführt, dass von den 17 großen und zwei kleinen Reaktoren, die 1998 in Betrieb waren, die 17 großen noch immer am Netz sind. Vor vier Jahren wurde im Wahlkampf vorgerechnet, dass es bei einer Verhin­derung einer schwarz-gelben Regierung und der Beibehaltung des von Rot-Grün beschlossenen Atomgesetzes zur Stilllegung von vier Reaktorblö­cken bis zur Bundestagswahl 2009 kommen würde. Denn die im so genannten Atomkonsens mit den Stromkonzernen festgelegten Reststrommen­gen bei den AKW Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel gingen schon 2005 zur Neige.
Eine Legislaturperiode später sind wir schlauer. Trotz eines Umweltministers Sigmar Gabriel, der sich als der letzte auf der Barrikade verbliebene Atomkraftgegner inszeniert, wurde kein einziger Atommeiler abgeschaltet. Da im »Atomkonsens« keine Restlaufzeiten, sondern Reststrommengen festgeschrieben wurden, verschiebt sich das Betriebsende eines Reaktors um so weiter nach hinten, je öfter er wegen Störfällen, aufgrund von Reparaturen oder aus taktischen Gründen heruntergefahren wird.
Jetzt wird im Wahlkampf wieder gerechnet: Bliebe es nach der Wahl beim rot-grünen Atomgesetz, heißt es, würden bis zur nächsten Bundestagswahl 2013 sieben der 17 verbliebenen Atomkraftwerke dran glauben müssen. Das ist erst mal nicht falsch, lässt jedoch außer Betracht, dass der »Atom­konsens« und das daraus unter tätiger Mit­hilfe der Atomlobby zustande gekommene Gesetz im Kleingedruckten noch viele Möglichkeiten zulässt, den Ausstieg zu verhindern.
Erneut könnten manche Reaktoren längere Pausen einlegen. Oder die Atomlobby verhält sich tak­tisch: Das derzeit besonders umstrittene AKW Krüm­mel bei Hamburg gehört zu den neueren An­lagen. Würde es stillgelegt, wie inzwischen teilweise sogar aus der CDU gefordert, dann könnten die verbleibenden Reststrommengen so auf die sieben ältesten Atommeiler übertragen werden, dass keiner vor 2013 vom Netz muss. Müssen solche Übertragungen normalerweise vom Umweltminister genehmigt werden, fällt dieser Vorbehalt weg, wenn ein AKW endgültig stillgelegt wird; so regelt es das Atomgesetz.
Schwarz-Gelb zu verhindern, mag eine schöne Sache sein. Damit es zum Atomausstieg kommt, muss mehr passieren. Und damit mehr passiert, mischen sich glücklicherweise wie­der mehr Menschen ein. Auch dieses Wochenende wird es zeigen: Die Anti-AKW-Bewegung erlebt eine Renaissance.