Die Kollegen sind im Urlaub

Dossier Von Andreas Dietl

Angelika Beer, Verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, über die Chancen, ein Aufenthaltsrecht für die Lübecker Flüchtlinge zu erwirken.

Sie haben sich mit Kanther über die Lübecker Flüchtlinge unterhalten. Was will der Mann?

Der Mann will erstens nichts damit zu tun haben. Zweitens bestätigt Kanther die Politik, die er als der Hardliner formuliert und auch konzipiert: Jeder Ausländer weniger in Deutschland ist ihm recht. Er meint, wenn er es zuläßt, daß es eine Humanität gibt, die über dem Gesetz steht oder sogar mit dem Gesetz vereinbar ist, dann werden sozusagen die Massen wieder nach Deutschland kommen. Kanther ist eine Sackgasse, da wird politisch nichts laufen.

Immerhin war Kanther ja doch bereit, sich eineinhalb Stunden über dieses Thema zu unterhalten.

Wir hatten über Monate versucht, diesen Termin auszuhandeln. Daß er dann irgendwann nachts nach einer anderen Sitzung stattgefunden hat, das zeigt auch, welche Wertigkeit Kanther dem beimißt. Kanther ist für keinerlei Argumente zugänglich, er ist für mich abgehakt. Von jemandem, der Ausländer offensichtlich abgrundtief haßt, kann man nicht erwarten, daß er auch nur einen hier läßt, bei dem er die Möglichkeit sieht, ihn rauszuschmeißen.

Eine Gruppenlösung nach Paragraph 32 Ausländergesetz wäre also allein wegen Kanther nicht möglich?

Das wird er nicht machen, nein.

Und welche Möglichkeiten hat die rot-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein?

Bedauerlicherweise scheint sich die SPD darauf auszuruhen, daß jemand wie Kanther die Federführung für die "Ausländer-raus"-Politik in Deutschland übernommen hat. Sonst hätten wir das Problem schon längst hier in Schleswig-Holstein beiseite geschafft, indem das Kabinett den Leuten aus humanitären Gründen Bleiberecht gewährt hätte.

Der SPD-Innenminister Ekkehard Wienholtz stellt sich auf den Standpunkt, das könne man nicht an Bonn vorbei machen.

Wienholtz gilt zwar noch als der fortschrittlichste SPD-Innenminister auf Länderebene, aber dieser Lack blättert langsam ab. Wienholtz spielt stille Post. Er stellt sich schlicht auf den Standpunkt, er habe von Kanther noch keinen schriftlichen ablehnenden Bescheid bekommen, deswegen sehe er gar nicht, warum die Landesregierung hier in der Verantwortung stehe. Damit macht er im Grunde das gleiche wie Kanther: Er handelt unter vollkommener Ignoranz gegenüber dem Schicksal dieser Menschen.

Welche Möglichkeiten haben Wienholtz' grüne Koalitionspartner, auf ihn einzuwirken?

Unsere Ministerin Angelika Birk, selbst Lübeckerin, ist da sehr engagiert, bisher aber auch ohne Erfolg. Das Kalkül der Justiz, den Freispruch für Safwan Eid zwei Tage vor die Sommerferien zu legen und damit auch die Frage des Aufenthaltsrechts ins Sommerloch fallen zu lassen, scheint bedauerlicherweise geglückt zu sein. Kiel ist nicht präsent und vermutlich im Moment auch ganz froh, daß nicht allzuviel Druck entsteht. Ich muß sagen, ich bin einigermaßen enttäuscht, daß meine Parteikollegen alle einfach in den Urlaub gehen, nach allem, was hier passiert ist und nach allem, was wir versucht haben, in die Wege zu leiten. Eigentlich sollte man zumindest sagen können, wir haben eine Planung, und die läuft so und so.

Könnten Sie sich vorstellen, das mit der Koalitionsfrage zu verknüpfen?

Voraussichtlich am 16. August tagt der Landeshauptausschuß, das wichtigste Gremium zwischen den Parteitagen. Wir haben einen Beschluß des Landesparteitages vom letzten Jahr, der ganz deutlich sagt, wenn Kanther weiter auf seiner menschenrechtsfeindlichen Politik beharrt, erwarten wir von der Landesregierung, das Bleiberecht auszusprechen. Das werde ich auf diesem Landeshauptausschuß schriftlich thematisieren, und da wird man das Vorgehen beraten müssen. Möglicherweise wird dann ein Auftrag an unsere KabinettskollegInnen formuliert werden, wie hier innerhalb der Landesregierung agiert werden soll.

Bis Mitte August könnte ja schon einiges geschehen sein.

Ich glaube nicht, daß bis dahin etwas passieren wird. Sie werden die Duldung nochmals stillschweigend verlängern, hoffen, daß nichts öffentlich wird. Aber ich denke, so wie das Bündnis gegen Rassismus und Michael Bouteiller bisher agiert haben, werden sie sich damit nicht zufriedengeben.