Streit um die Homo-Ehe in Argentinien

Ohne Reis und ohne Trauschein

Die erste Homo-Ehe in Argentinien wurde untersagt. Nun soll das Verfassungsgericht entscheiden.

Statt mit Reis und Konfetti wurden José María di Bello und Alex Freyre mit Sprechchören und Transparenten empfangen. Aus der ersten Hochzeit von Homosexuellen auf lateinamerikanischem Boden ist am Welt-Aidstag am 1. Dezember keine Party, sondern eine Protestkundgebung geworden. Mehrere Stunden harrten die beiden Männer, Aktivisten und unzählige Journalisten vor dem Standesamt in Buenos Aires aus, um schließlich unverrichteter Dinge zu gehen. Die Richterin Marta Gómez Alsina hatte die Homo-Ehe am Vortag untersagt, da nur eingetragene Partnerschaften in der Stadt Buenos Aires gesetzlich legitimiert seien. Di Bello und Freyre wollen nun vor das argentinische Verfassungsgericht ziehen.
Dabei hatte es so schön angefangen. Bereits im April hatte das Paar versucht, sein Aufgebot zu bestellen. Dies hatten die Behörden zunächst abgelehnt. Daraufhin riefen die Männer die Justiz an, am 12. November gab ihnen die Richterin Gabriela Seijas Recht und erklärte einer Ehe entgegenstehende gesetzliche Regeln für verfassungswidrig. Auch politisch schien alles geklärt. Zwar protestierten konservative Kreise und die katholische Kirche, die Mehrheit des Stadtparlaments befürwortete die Homo-Ehe jedoch. Auch der konservative Bürgermeister von Buenos Aires, Mauricio Macri, lehnte es ab, in die Revision zu gehen. Jeder und jede sollte das Recht haben, »frei zu entscheiden«, sagte Macri einen Tag nach der Urteilsverkündung.
Dass der Bürgermeister nur wenige Wochen später angesichts zweier konkurrierender Urteile zu warten beschloss, bis eine höhere juristische In­stanz entschieden hat, sorgt bei den Unterstützern der Homo-Ehe für Empörung. »Macri hat uns angelogen«, »Bei Macri geht es zu wie in der Diktatur«, war vor dem Standesamt zu hören.
Tatsächlich gründet die Entscheidung Macris auf einem Vertrauen in die Justiz, doch es geht ihm nicht darum, dass über den Streit das Verfassungs­gericht entscheiden soll. In Argentinien folgt das Oberste Verfassungsgericht immer dem Präsidenten bzw. derzeit der Präsidentin Cristina Fernández. Waren die Richter jahrelang einverstanden mit den Amnestiegesetzen für die Täter der Militärdiktatur, denken sie, nachdem Fernández’ Ehemann und Vorgänger Nestór Kirchner Erinnerungspolitik zur Chefsache gemacht hat, nun grundlegend anders darüber. Ähnlich könnte es mit der Homo-Ehe aussehen. Die Frage ist nur: Wie wichtig sind der Präsidentin die Ausweitung bürgerlicher Rechte und der Kampf gegen Diskriminierung?
Kein Wunder, dass das verhinderte Ehepaar und María Rachid, die Vorsitzende des Argentinischen Verbands für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transvestiten, es sehr eilig hatten, einen Termin bei der Präsidentin zu bekommen, um sie noch in diesem Jahr für ein nationales Gesetzesvorhaben für die Homo-Ehe zu gewinnen. Bislang können sich gleichgeschlechtliche Paare nur in Buenos Aires und nicht in ganz Argentinien als Lebens­partner eintragen lassen, und sie bekommen nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare.
Während die Aktivisten gespannt auf eine Initiative der Präsidentin warten, hat Macri sich abgesichert. Sollten di Bello und Freyre Recht bekommen und heiraten dürfen, wird er sagen können, dass er es ja schon immer so wollte. Sprechen sich die Präsidentin und das Verfassungsgericht dagegen aus, wird der Bürgermeister dafür sorgen, dass seine liberalen Äußerungen vom November möglichst schnell in Vergessenheit geraten.