Pleiten und Skandale bei den Landesbanken

Die dümmsten Banken Deutschlands

Von Ralf Hess

Landesbanken scheinen Pleiten und Skandale in besonderem Maße anzuziehen. Warum ist das eigentlich so?

Knapp vier Milliarden Euro Verluste wurden verzeichnet, dann verkaufte die Bayern LB ihr österreichisches Tochterunternehmen Hypo Group Alpe Adria wieder an den Vorbesitzer – zum Preis von einem Euro. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Werner Schmidt steht unter anderem im Verdacht, Bilanzfälschung betrieben zu haben. Auch in der Stuttgarter Zentrale der Baden-Württembergischen Landesbank LBBW sind die Staatsanwälte tätig. Sie ermitteln wegen des Verdachts der Untreue gegen ein gutes halbes Dutzend ehemaliger und derzeitiger Vorstandsmitglieder, die in den vergangenen Jahren in großem Umfang in faule Kredite investiert haben. Die Nord LB wird nur noch durch die Unterstützung der Eignerländer Hamburg und Schleswig-Holstein über Wasser gehalten. Die West LB, die Landesbank Nordrhein-Westfalens, wird als erste deutsche Bank ihre faulen Papiere in eine Zweckgesellschaft, eine so genannte Bad Bank, auslagern – in der Hoffnung, auf diesem Wege den finanziellen Untergang zu vermeiden.
Der Berliner Bankenskandal hat den Haushalt der Bundeshauptstadt bereits vor Jahren vollständig ruiniert, und im ohnehin traditionell finanzschwachen Saarland droht ebenfalls eine große Pleite. Denn wie im Dezember des vergangenen Jahres beschlossen wurde, kauft das Land ein Viertel der Anteile seiner ehemaligen Landesbank Saar LB von der Bayern LB zurück. Die Regierung des Saarlands möchte aus der Bank eine »deutsch-französische Mittelstandsbank« machen. Die Bilanz der Saar LB im Geschäftsjahr 2008 wies einen Fehlbetrag von 81,1 Millionen Euro aus. Für das Jahr 2009 gab sich der Vorstandsvorsitzende des Instituts, Christian Buchbinder, geradezu optimistisch. »Unser Minimalziel ist eine schwarze Null«, sagte er im Dezember dem Handelsblatt. Allerdings sind die Hoffnungen von Landesbankern bereits häufig enttäuscht worden.

Die Landesbanken in Deutschland stellen eine Besonderheit unter den internationalen Finanzinstituten dar. Sie sind, mit wenigen Ausnahmen, »Anstalten öffentlichen Rechts«. Nach außen treten sie jedoch als Geschäftsbanken oder Universalbanken auf.
Ihre Aufgabe ist es in erster Linie, die einzelnen Bundesländer bei ihren Geschäften zu unterstützen. Dies bedeutet für die Länder, dass sie die dort ansässigen Unternehmen mit entsprechenden Krediten versorgen können. So lässt sich auch leicht nachvollziehen, warum die einzelnen Landesbanken so unterschiedlichen Geschäften nachgehen. Die Nord LB finanziert vor allem Schiffe. Dagegen unterstützt die LBBW hauptsächlich die stark mittelständisch geprägte Wirtschaft Baden-Württembergs mit Krediten.
Neben den Ländern sind die Sparkassen und Giro-Verbände die größten Miteigentümer der Banken. Während diese vor allem für die privaten Geschäfte der kleinen Sparer zuständig sind, versorgen die Landesbanken Unternehmen. Aus diesem Grund verfügen die Landesbanken nur über relativ wenig Eigenkapital. Als zusätzliche Quelle für Kapital stehen nur die internationalen Kapitalmärkte zur Verfügung.

Bis Juli 2005 spielte das geringe Eigenkapital keine Rolle für die Landesbanken, da ihre Eigentümer automatisch eine Gewährträgerhaftung für sie übernahmen. Das bedeutete, dass die Länder einsprangen, falls etwas schief lief. Dann aber beendete der als »Brüsseler Konkordanz« bezeichnete Kompromiss zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung diese nach dem EU-Recht unzulässige Wettbewerbsverzerrung. Inzwischen können die Eigentümer der Institute nicht mehr in die Pflicht genommen werden, wenn diese nicht in der Lage sind, ihre Ausgaben zu bestreiten. Durch die »Brüsseler Konkordanz« war auch die Anstaltslast weggefallen. Diese legte fest, dass die Träger ihre Landesbanken mit den nötigen Finanzmitteln ausstatten mussten. Die Anstaltslasten wurden mit der EU-Vorgabe durch eine klassische »Eigentümerbeziehung« ausgetauscht. Somit konnten die Länder die Banken zwar noch mit Kapital versorgen – mussten es jedoch nicht mehr. Folker Hellmeyer, der Chefanalyst der Bremer Landesbank, sagte der Jungle World: »Mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung war auch das Toprating dahin.« In der Folge verteuerten sich die Kredite, die die Landesbanken aufnehmen mussten. Denn je höher das Risiko für einen Kreditgeber ist, desto höher ist der Zins, den er für einen Kredit verlangt.
Darüber hinaus pflegen die Besitzer der Landesbanken die Institute offenbar wegen besonders ehrgeiziger Ziele in riskante Geschäfte zu treiben. »Die Politik hat 2004 bis 2008 immer höhere Anforderungen gestellt«, sagt Hellmeyer. So strebten die permanent klammen Finanzminister der Länder exorbitante Renditen an, um ihre eigenen Prestigeprojekte finanzieren zu können. Die Landesbanken begannen damit, Zweigstellen in London, New York und Peking zu eröffnen. Mit Traumrenditen im zweistelligen Prozentbereich sollten beispielsweise Vorhaben wie die Hafencity und die Elbphilharmonie in Hamburg finanziert werden.
Nun droht weiteres Ungemach. Die Europäische Kommission will, dass auch »hybrides Kapital« an den Abschreibungen der Banken beteiligt werden muss. Dieses Kapital besteht in erster Linie aus Genussscheinen und den stillen Einlagen der Besitzer. In einer am 26. August vergangenen Jahres herausgegebenen Presseerklärung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), dem alle Landesbanken angehören, warnte der Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos: »In einem zu engen bankaufsichtlichen Korsett können die Banken ihre Schlüsselrolle für unsere Volkswirtschaft nicht mehr wahrnehmen.« Die »Kreditklemme« wurde in diesem Zusammenhang bemüht. Christian Brand, der Präsident des VÖB, sagte im Gespräch mit der Welt: »Ich hielte es für falsch, wenn man den Bilanzen der Banken stumpf einen Deckel aufsetzen würde, indem man das Verhältnis von Bilanzsumme zu Eigenkapital begrenzt.« Das Handelsblatt meldete in dieser Hinsicht, dass allein bei der HSH Nordbank ein »hybrides Kapital« in Höhe von 3,4 Milliarden Euro betroffen sei. Dabei entfielen auf die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein etwa 2,9 Milliarden. Bei der Bayern LB halte die bayerische Landesregierung »stille Einlagen« in Höhe von drei Milliarden Euro. Teile dieser Einlagen könnten nach den Plänen der EU künftig an den Verlusten der Bank beteiligt werden. Dann müssten die Länder und die Sparkassen- und Giroverbände zu einem größeren Teil für die Verluste ihrer Banken aufkommen. Brand sagte: »Es geht um einen zweistelligen Milliardenbetrag«, bezogen auf die gesamten Landesbanken. Was die Möglichkeiten der Banken zur Vergabe von Krediten angeht, so könnten künftig etwa 100 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen.

Mit dieser Entwicklung kommt die Finanzkrise allmählich auch auf den durchschnittlichen Kleinsparer zu. Da die Sparkassen Anteile an den Landesbanken halten, dürften sie versuchen, einen Teil der Verluste an die Besitzer von Girokonten und Sparbüchern weiterzureichen. Nicht ohne Grund machte Heinrich Haasis, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, im vergangenen Sommer deutlich: »Mit einer Stabilisierung des Finanzmarktes lässt sich nicht vereinbaren, diejenigen zu schwächen, die sich als stabil erwiesen haben und selbst keine Hilfe brauchen.« Die Furcht, das Geld der Kleinsparer zu verlieren, ist deutlich herauszuhören.
Auch Versicherungen sind betroffen, insbesondere jene, die in Papiere der HSH Nordbank, der LBBW und der Bayern LB investiert haben. Sie müssen mit einem Zinsausfall rechnen. Die Versicherungskammer Bayern muss insgesamt 29 Millionen Euro Verlust hinnehmen. Die gesamten Zinsausfälle der Branche beziffern sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Zwar ist der Verlust für die Versicherungen derzeit nicht wirklich von Bedeutung, da solche Anlagen nur etwa 0,8 Prozent in den Bilanzen ausmachen. Trotzdem werden sich die Abschreibungen und Zinsausfälle bei den Renditen der Lebensversicherungen und Riester-Renten bemerkbar machen. Auf diesem Wege wird die Rechnung für die Fehlspekulationen bei den Landesbanken an die unteren Einkommensschichten weitergereicht. Derzeit verfügen die Sparkassen und Versicherungen über ein hohes Eigenkapital und können die Verluste gut wegstecken. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre legen jedoch den Schluss nahe, dass die Landesbanken auch in den kommenden Monaten weitere enorme Verluste zu verzeichnen haben werden, die Länder und Sparkassen mitzutragen haben.