Angst vor Linken nach Neonazi-Anschlag in Zossen

Wo Freie Kräfte sinnlos walten

Nach dem Brandanschlag eines Neonazis auf das »Haus der Demokratie« in Zossen sieht sich die Bürgermeisterin als Opfer einer linken Kampagne.

»Ein massives Polizeiaufgebot sicherte am Samstag die Stadt und das Eigentum der Zossener Bürger«, erklärte Bürgermeisterin Michaela Schreiber am 9. Februar zu Beginn einer Stadtverordnetenversammlung. Sie vergaß dabei zu erwähnen, dass die angekündigte Demonstration von Antifaschisten, vor der sich die Zossener so fürchteten, einige Tage vorher abgesagt worden war, eben weil die Organisatoren sich nicht als gewaltätige Chaoten stigmatisieren lassen wollten.
Anlass für die angekündigte Demonstration war der Brand im »Haus der Demokratie« in der Nacht zum 23. Januar. In dem Gebäude, in dem die Bürgerinitiative »Zossen zeigt Gesicht« die »Zivilgesellschaft« und die Demokratie fördern wollte, wurde zu diesem Zeitpunkt eine Ausstellung zu jüdischem Leben in Zossen gezeigt. Sofort bestand der Verdacht, dass die Ursache des Feuers ein neonazistischer Anschlag gewesen sei. Noch während des Brands hatten sich Neonazis vor dem Gebäude gegenseitig fotografiert, und im Internet wurde unverhohlen die Zerstörung der Ausstellung bejubelt.

Die südlich Berlins gelegene Kleinstadt ist eine Hochburg des organisierten Neonazismus in Brandenburg. Die hier aktiven »Freien Kräfte Teltow-Fläming« sind eine militante, aggressiv antisemitische und sehr selbstbewusst auftretende Gruppierung, die bisher weder sub­stantiellen Widerstand noch polizeiliche Repressalien fürchten musste. So gelang es der Polizei bisher nie, etwa bei Attacken auf Mitglieder der Bürgerinitiative die Täter zu stellen, obwohl sich die Angriffe teilweise in einem Umkreis von 100 Metern um die Polizeiwache ereigneten. Die der lokalen Wählergemeinschaft »Plan B« angehörende Bürgermeisterin Schreiber fiel in den vergangenen Jahren vor allem durch ihr Bemühen auf, jeden Protest gegen »Rechtsextremismus« durch eine Verurteilung des »Links­extremismus« zu ergänzen.
Die Verhältnisse in Zossen, unter denen die Neonazis ihr Selbstbewusstsein entwickeln konnten, wurden am 27. Januar offensichtlich. Während die Stadtverwaltung ausgerechnet zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eine Veranstaltung zum Antisemitismus in der DDR organisierte, lehnte sie es ab, der Bürgerinitiative für ihre Veranstaltung auf dem Marktplatz zum Gedenken an die ermordeten Zossener Juden Strom aus dem Rathaus zur Verfügung zu stellen. Zu Beginn der Kundgebung befanden sich mehr Neonazis auf dem Marktplatz als Teilnehmer der Gedenkveranstaltung. Während die Polizei anreisende Berliner Antifaschisten kontrollierte, ließ sie die Nazis unbehelligt, die die Veranstaltung mit Zwischenrufen wie »Lüge, Lüge« störten.

Nach Ansicht der Einsatzleitung handelte es sich bei den Störern eigentlich um Teilnehmer der Kundgebung, die bloß ihre Meinung außerhalb der Gruppe kundtaten. Eine Kritik der Berliner VVN-BdA am Polizeieinsatz wies der Brandenburgische Justizminister Volkmar Schöneburg (»Die Linke«), der selbst in Zossen gewesen war, Anfang Februar mit der Begründung zurück, es habe keinen Anlass für ein Einschreiten der Polizei gegeben. Schöneburg zeigte sich zugleich besorgt um das Schicksal junger Brandenburger, die »auf die geistigen Brandstifter aus der rechtsextremen Szene hereinfallen und ihr Leben ruinieren«.
Seit ein 16jähriger, offenbar nicht organisierter Neonazi in Untersuchungshaft genommen wurde, der den Anschlag auf das »Haus der Demokratie« gestanden und ein politisches Motiv eingeräumt hat, sind die Landesregierung, die Zossener Stadtverwaltung und die zuständige Polizeiführung mit der Tatsache konfrontiert, dass die Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die in der Stadt herrschen, durchaus vom – mittlerweile auch in Brandenburg – Üblichen abweichen. Unter dem Druck der Öffentlichkeit stilisiert sich die Bürgermeisterin seither zum Opfer einer Kampagne von Linken, die angeblich ihr Engagement gegen den Rechtsextremismus leugneten. Das Innenministerium versucht, den Polizeieinsatz von 27. Januar aufzuklären, wobei nach Aussagen aus dem Umfeld des Innenministeriums die Polizei jedoch nicht kooperiere.
Problematisch bleibt, dass es in der Diskussion bisher vorwiegend um das Verhalten der Polizei und die Person der Bürgermeisterin geht. Sogar die Bürgerinitiative ist nicht willens oder fähig, die Rolle Zossens als Zentrum des organisierten Neonazismus zu thematisieren.