Die Arbeitsbedingungen von Migranten in den EU-Ländern – Frankreich

Der Palast ist sauber

Der Migrantenstreik in Frankreich blieb auf mehr oder weniger symbolische Proteste beschränkt. Gerade angesichts der rassistischen Reaktionen auf den »Tag ohne uns« bleibt zu hoffen, dass dies im nächsten Jahr anders wird.

Was wäre, würde Frankreich plötzlich ohne migrantische Arbeitskräfte dastehen? In Frankreich würde kaum noch gebaut, gereinigt und gekocht, denn das Bau- und das Reinigungsgewerbe, das Hotel- und Gaststättengewerbe hätten erheblichen Personalmangel. In diesen Bereichen sind die Arbeitsbedingungen meist so schlecht, dass hier vor allem jene arbeiten, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben: Ausländer ohne Papiere, die »Sans Papiers«.
Um sich im »Kampf gegen illegale Einwanderung« zu profilieren, hat die Regierung in den vergangenen Jahren durch Strafandrohungen zwar den Druck auf Arbeitgeber erhöht, die Sans Papiers beschäftigen. Allerdings gilt: Je bedeutender der Wirtschaftsbereich ist, desto weniger haben Arbeitgeber, die »Illegale« beschäftigen, zu befürchten. Die Wochenzeitung Le Canarde enchaîne berichtete vor sechs Wochen über einen Reinigungsbetrieb im südlichen Pariser Umland, der 5 000 Personen beschäftigt, unter ihnen 600 Sans Papiers. Polizei und Gewerbeaufsicht wussten seit längerem Bescheid, rührten aber keinen Finger: Der Betrieb ist viel zu groß, als dass die Politik riskieren würde, so viele Lohnabhängige auf die Straße setzen zu lassen. Übrigens säubert dieser Reinigungsbetrieb auch den Elysée-Palast.
Doch der Migrantenstreik am vorvergangenen Montag war zu sehr aufs Symbolische beschränkt, als dass Frankreich dreckig geworden und hungrig geblieben wäre. In Paris fand eine Kundgebung mit rund 2 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt, doch geschlossene Betriebe gab es nicht. Das Kollektiv, das den Streik vom 1. März organisierte, zählt nur etwa zehn Mitglieder, erst im November war eine Homepage für den »Tag ohne Immigranten« eingerichtet worden und bis kurz vor dem 1. März blieb die Initiative weitgehend unbekannt. Allein das französisch-marokkanische Hochglanzmagazin Le Courrier de l’Atlas hatte dem Streik im Februar eine Titelstory gewidmet. Fünf Gewerkschaftsverbände hatten kurz vor dem 1. März ein Dokument zum Migrantenstreik verabschiedet, aber auf Verbands­ebene hatten die Gewerkschaften offenbar nicht viel unternommen, um den Streik zum Erfolg werden zu lassen.
Kurz vor dem Streik änderte sich die Wahrnehmung der Initiative, und plötzlich war das Medieninteresse da: Die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde widmete dem Streik die Seite Eins ihrer Wochenendausgabe, mehrere Radioberichte folgten. Um am darauffolgenden Montag einen Streiktag zu organisieren, der sowohl die Produktion als auch den Konsum verlangsamen sollte, kam dies leider deutlich zu spät. Aber für künftige Jahre wird das Kollektiv nun möglicherweise genügend bekannt sein, um mehr Menschen zu einem Tag der Arbeits- oder Konsumverweigerung aufrufen zu können.
Doch auch von unerbetener Seite kam Zustimmung. Aktivisten des rechtsextremen Bloc Identitaire begingen ihrerseits den 1. März unter dem Motto: »Ein Tag ohne Immigranten? Hurra! Eine gute Idee!« Sie verteilten in Lyon, Grenoble und anderen Städten Postkarten, die den Eindruck erweckten, ein Tag ohne Migranten bedeute einen Tag mit leeren Gefängnissen, ohne brennende Autos und ohne Belästigung von Frauen in öffentlichen Transportmitteln. Auf einem Transparent, das bei Bordeaux an einer Autobahnbrücke aufgehängt wurde, hieß es: »Lächeln Sie, heute ist ›Tag ohne Immigranten‹«.
Auch deshalb ist zu hoffen, dass der »Tag ohne uns« im nächsten Jahr gelingen möge und, wenn schon nicht den eingefleischten Rassisten vom Bloc Identitaire, immerhin manch anderen Franzosen zeigt, dass ihr Komfort nicht unwesentlich auf einem System beruht, dass rassistische Ausgrenzung und gnadenlose Ausbeutung auf effektive Weise verschränkt.