Feuer und Flamme für die Firma

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Unter den zahlreichen bizarren Berufen, die im Spätkapitalismus erfunden wurden, sticht der des »Motivationstrainers« besonders hervor. Vorbei sind die Zeiten, da man einfach seinen Job gemacht hat. So fragt etwa Jürgen Höller: »Sind Sie noch so richtig begeistert von Ihrem Produkt, Ihrer Firma, Ihren Kunden, Ihrem Erfolg?« Ist man nicht begeistert, braucht man einen Motivationstag, ist man begeistert, braucht man ihn auch, um noch begeisterter zu werden. Manche Motivationstrainer begnügen sich damit, wie evangelikale Fernsehprediger mit den leuchtenden Augen des Fanatikers aufzutreten und etwa zu behaupten, dass man nur seine »innere Power« entfesseln muss, um wahnsinnig erfolgreich zu sein. Die Zuhörer müssen aufspringen und sich und den Referenten bejubeln, die Veranstaltung verlassen sie dann als born again businessmen.
Doch genügt eine Predigt, um den Herausforderungen des modernen Geschäftslebens gerecht zu werden? Viele Motivationstrainer arbeiten auch mit archaischen Ritualen. Jürgen Höller lässt die zu Motivierenden über Scherben laufen, beliebter noch sind glühende Kohlen. Es gibt dabei ein paar Tricks. Wichtig für einen verletzungsfreien firewalk sind »der kurze Kontakt sowie die geringe Wärmekapazität und Leitfähigkeit der Kohlen«, erklärt der Physiker David Willey. Aber manchmal geht etwas schief. Neun Angestellte der italienischen Immo­bilienfirma Tecnocasa mussten Anfang Juli ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil sie sich bei einem fire­walk die Füße verbrannt hatten. Der Motivationstrainer Alessandro Di Primao wollte, dass sie »ihre Ängste überwinden« und »neue Herausforderungen suchen«. Er beklagt sich nun, dass Hotelangestellte das falsche Holz geliefert hätten. Die Verantwortung liege allein beim Veranstalter, entgegnete der Hotelmanager Serafino Bisirri. »Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich über glühende Kohlen laufen würde.«
Bisirri beweist, dass man ein erfolgreicher Geschäftsmann und dennoch bei Verstand sein kann. Die Regel ist das aber nicht. Allein in Deutschland gibt es 40 000 Mo­tivationstrainer und 300 »Coaching-Schulen«, obwohl es an Kritik auch aus der Geschäftswelt nicht mangelt. Die »Motivationsclownerie mit viel Gebrülle« solle durch vernünftige Fortbildungen ersetzt werden, forderte bereits vor sieben Jahren Walter Simon, Leiter der Business Training University in Bad Nauheim. Vielleicht sind Simon und andere Kritiker aber auch zu gutgläubig. Womöglich geht es gar nicht so sehr um die Motivation der Mitarbeiter, sondern vielmehr um einen Gehorsamstest. Ein vernünftiger Mensch würde dem Motivationstrainer deutlich sagen, wo er sich seine glühenden Kohlen hinstecken kann. Wer hingegen bereit ist, für seine Firma durchs Feuer zu gehen, wird sich auch über unbezahlte Überstunden und andere Zumutungen nicht beklagen.