Über Ahmadinejads Besuch im Libanon

Nicht jedem willkommen

Es gab wenige Proteste, aber viel Widerspruch gegen den Besuch des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad im Libanon.

An Jubelpersern mangelte es nicht, als Mahmoud Ahmadinejad im Libanon Hof hielt. Doch keineswegs alle Libanesen waren erfreut über den Besuch des iranischen Präsidenten. Seit Wochen zürnten die Anhänger des Ministerpräsidenten Saad Hariri aus der Bewegung des 14. März. Al-Nahar, die größte Tageszeitung des Libanon, schrieb vor der Ankunft Ahmadinejads: »Iranische Waffen und iranisches Geld haben eine demografische Expansion nach sich gezogen, die die libanesische Struktur in jeder Hinsicht gefährdet. Libanesen im gesamten Libanon erkennen ihr eigenes Land nicht wieder.«
Große Protestdemonstrationen blieben indes aus. Nur in Tripoli hängten sunnitische Islamisten Plakate mit dem durchgestrichenen Konterfei Ahmadinejads auf. »Kein Willkommen, keine welayat-e faqih im Libanon« war darauf zu lesen, eine Absage an die iranische Staatsdoktrin der »Statthalterschaft des Rechtsgelehrten«.

Hariri beugte sich dem diplomatischen Protokoll und empfing den iranischen Präsidenten. Seine Anhänger erklärten, das sei seine Entscheidung, die sie nicht mittrügen. Sie erboste, dass Ahmadinejad eingriff in den eskalierenden Disput mit der proiranischen Hizbollah über das UN-Sondertribunal. Die Hizbollah will, dass das Tribunal zur Aufklärung des Mordes an Rafik Hariri, dem Vater des derzeitigen Ministerpräsidenten, keine Anklage erhebt. Denn alles deutet darauf hin, dass Mitglieder der schiitisch-islamistischen Organisation für den Anschlag vor fünf Jahren verantwortlich sind. Jüngst haben die Minister der Hizbollah im Kabinett gegen die Verlängerung der Zahlungen an das Tribunal gestimmt.
Die Anhänger der Bewegung des 14. März kämpfen für die Anklageerhebung. Nach dem Attentat hatten sie monatelang gegen die Einflussnahme Syriens und für die Aufklärung des Mordes demonstriert. Nun werden ihre Erfolge in Frage gestellt. Syrien mischt sich wieder ein. Vor zwei Wochen stellte die syrische Justiz Haftbefehle gegen namhafte libanesische Politiker aus. Mit Ahmadinejad hat sich nun bereits der zweite Staatschef auf die Seite der Hizbollah gestellt. Wie zuvor der syrische Präsident Bashar al-Assad erklärte er das Tribunal zum »Instrument des Westens und Israels«. Doch dass ausgerechnet sunnitische Islamisten gegen seinen Besuch demonstrierten, weist auf einen neuen Konflikt hin. Im August hatten in Beirut Hizbollah-Anhänger und sunnitische Islamisten der Gruppe al-Achbash einander mit Maschinengewehren beschossen. Es gab zwei Tote. Al-Achbash gehört nicht zur Bewegung des 14. März, die Gruppe gilt als prosyrisch. Wenn sie statt gegen die gottlose Gesellschaft nun gegen die Hizbollah wettert, dann wohl deshalb, weil deren Macht bedrohlich gewachsen ist. Tatsächlich wird die Religiosität stärker zur Schau gestellt. Während des Ramadan schenkte ein Fünf-Sterne-Hotel keinen Alkohol aus, im liberalen Beirut ein unglaublicher Vorgang.

Der Besuch Ahmadinejads konnte die Spannungen nur verschärfen. Gleichwohl bot er sich als »Friedensstifter« an. Im Konflikt über das UN-Tribunal wollte er vermitteln, doch Saad Hariri soll ihm eine brüske Abfuhr erteilt haben. Zwischenzeitlich kam auch das Gerücht auf, der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan werde nach Beirut fliegen, um Ahmadinejad zu treffen. Womöglich war das Wunschdenken des iranischen Präsidenten.
Ein solcher iranisch-türkischer Gipfel wäre das Gegenstück zum Treffen des saudischen Königs und des syrischen Präsidenten im Juli gewesen. Abdullah bin Abdul-Aziz und Assad waren nach Beirut gereist, um zwischen Anhängern Hariris und der Hizbollah zu vermitteln. Am Sonntag reiste Assad nach Riyadh, um dort erneut mit dem saudischen König über die Lage im Libanon zu beraten.
Ahmadinejad wäre gern wie Assad ein anerkannter Verandlungspartner. Doch das ist er nicht. Die Anhänger der Bewegung des 14. März wiegeln daher ab. Die Zeitung al-Nahar schreibt Ahmadinejad innenpolitische Motive für den Besuch zu. Der geschwächte Präsident habe die Bilder der jubelnden libanesischen Massen in den südlichen Vororten Beiruts und im Südlibanon gebraucht. Schließlich jubelt ihm im Iran kaum noch jemand zu.