Über Obamas Scheitern im Nahen Osten

I have no dream

Die Bilanz von Obamas Außenpolitik im Nahen Osten ist desaströs: Der amerikanische Einfluss in der Region schwindet.

Artikel, die sich mit dem Scheitern von Barack Obamas Nahost-Politik befassen, haben Hochkonjunktur. Die Kritiker kommen keineswegs nur aus den Reihen der Neocons oder anderer Anhänger von George W. Bushs »Greater Middle East Initiative«. Im Gegenteil: Unzufrieden mit Obama zeigen sich türkische Kemalisten wie türkische und irakische Kurden, moderate irakische Politiker wie iranische Oppositionelle, saudische Prinzen, Vertreter Ägyptens und der Golfstaaten ebenso wie die Anhänger der Bewegung des 14. März im Libanon, Israelis wie Palästinenser.
Und in diesen Chor fallen ausgerechnet noch US-amerikanische Linke ein, die ihrem Präsidenten, dessen Wahl sie frenetisch bejubelt hatten, vorwerfen, weiter Krieg zu führen und zu wenig Druck auf Israel auszuüben. Und irgendwie haben sie ja auch Recht: Seit Jahrzehnten wurden unter keiner amerikanischen Präsidentschaft so viele Waffenexporte in den Nahen Osten genehmigt, hatte die CIA derartige Freiräume, fanden derart viele targeted killings statt und standen so viele Söldner privater Sicherheitsfirmen im Dienst der USA. Auch wenn sich die USA nun offiziell nicht mehr im »War on Terror« befinden und Worte wie Jihadist oder Islamist ebenso aus dem Regierungsvokabular gestrichen wurden wie die Begriffe Demokratie und Freiheit, kämpfen verdeckte US-Einheiten in mehr Ländern weltweit, als dies unter George W. Bush der Fall war.
Dass im Nahen Osten alle, die sich je als Alliierte der USA betrachtet haben, verstört sind, erstaunt wenig. Regimes wie die Autokratien Saudi-Arabiens, Ägyptens und der Emirate, die jahrzehntelang von den USA unterstützt, wenn nicht gestützt wurden, zittern nun vor einem erstarkenden Iran. Ob die USA bereit sind, notfalls Militärschläge gegen das Nuklearprogramm Teherans ernsthaft in Betracht zu ziehen, bezweifeln auch die Regierungen in Jerusalem, Amman und Kairo.
Schließlich schwindet der amerikanische Einfluss in der Region rasant. Vertreter aller relevanten irakischen Parteien erklärten erst kürzlich, man habe aufgehört, auf Vorschläge aus Washington zu hören, stattdessen habe man die Kontakte zu den Nachbarländern intensiviert. Auch nach acht Monaten gibt es in Bagdad keine neue Regierung, während der Einfluss des Iran wächst. Mit seiner Reise in den Libanon hat Irans Präsident Mah­moud Ahmadinejad erst jüngst demonstriert, dass der Libanon jetzt faktisch zur Achse Teheran-Damaskus gehört. Derweil islamisiert sich die Türkei. Der einst wichtigste Partner der USA in der Region kann auch angesichts seiner engen Verbindungen zum Iran kaum noch als Alliierter betrachtet werden.
Obamas anderes großes Projekt im Nahen Osten war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern, von denen eigentlich niemand etwas erwartet hatte, sind auf Eis gelegt, es mangelt an einer auch nur vagen Vorstellung davon, wie der Konflikt gelöst werden könnte. Wussten frühere amerikanische Regierungen noch, dass eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts nur als Teil einer umfassenden Nahost-Strategie möglich ist, blieb der regionale Kontext diesmal außen vor.
Außer dem Nachhall der vergleichsweise inhaltsleeren Ansprache an die islamische Welt, die Obama vergangenes Jahr in Kairo hielt und die vor allem die Botschaft vermitteln sollte, er sei angetreten, um alles anders als sein Vorgänger zu machen, hat die amerikanische Nahost-Politik unter Obama kaum etwas bewirkt – es sei denn Negatives: Die Autokraten der Region können sich wieder sicherer fühlen und ihre Länder fortregieren, die zu den unterentwickeltsten und unfreiesten der Welt gehören.
Wer dagegen nach 2003 in der USA einen Verbündeten im Kampf für Freiheit und Demokratie sah, muss feststellen, dass all die guten Vorsätze zu den Akten gelegt sind. Ob ägyptische Liberale, die Grüne Bewegung im Iran, Säkulare im Irak – der change, für den sie kämpfen, kann nicht mehr auf Unterstützung aus den USA hoffen.
So bleibt die Frage: Was will eigentlich ObamasRegierung im Nahen Osten? Hussain Abdul-Hussain, Korrespondent der kuwaitischen Tageszeitung al-Rai, gibt eine Antwort: Nichts. Dies liege einfach daran, dass Obama der erste amerikanische Präsident seit 1945 sei, der weder eine Vision noch eine Strategie habe. Solange sich in amerikanischen Städten keine Selbst­mordattentäter in die Luft sprengen, interessiere ihn nicht wirklich, was in der Welt geschähe. Wenn dies zutrifft, und vieles spricht dafür, ließe sich auch erklären, warum aus dem Spektrum der Demokraten selbst im Wahlkampf kaum jemand versucht, Obamas Nahost-Politik zu verteidigen. Wo es keine kohärente Politik gibt, nicht einmal ein fehlgeschlagenes Konzept, ist eben auch nichts zu verteidigen.