Über nordkoreanischen Frauenfußball

Plötzlich berühmt

Seit 1966 sind die Beziehungen zwischen Middlesbrough und Nordkorea sehr gut – nun auch im Frauenfußball.

Wie gut in Nordkorea Frauenfußball gespielt wird, weiß man jetzt auch in England. Im September nämlich fuhr das Frauenteam des Middlesbrough FC für vier Tage in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang, um dort zwei Spiele zu absolvieren. Gegen das Team eines Vereins namens 25. April, amtierender Landesmeister, unterlagen die Engländerinnen 0:5 und gegen das nordkoreanische Nationalteam 2:6.
Das ist nicht so verwunderlich, denn während Middlesbrough FC in der dritten englischen Liga kickt, wird Nordkoreas Frauenteam auf Platz sechs der Fifa-Weltrangliste geführt. Für die WM 2011 in Deutschland sind sie längst qualifiziert, und bei den gerade in China stattfindenden ­Asienspielen sind sie Topfavorit.
Dass aber die Funktionäre der nicht gerade für ihre Weltoffenheit bekannten Volksrepublik Korea ein englisches Team einluden, hat historische Gründe. Von einem »einigenden Band« ist in einem Brief die Rede, den Steve Gibson, Besitzer des Middlesbrough FC, von seinen Spielerinnen verlesen ließ. Dieses Band einige Nordkorea und das ziemlich heruntergekommene Industriegebiet der Teesside im nordöstlichen England, in dem Middlesbrough liegt.
Das Band stammt vom 19. Juli 1966 und hat viel mit Fußball zu tun. Damals nämlich traf der nordkoreanische Spieler Pak Doo-ik in der 41. Spielminute bei der WM-Partie gegen Italien zum 1:0-Sieg. Das Tor, das zum WM-Aus für Italien führen sollte, wurde im mittlerweile abgerissenen Ayresome Park erzielt, dem damaligen Stadion des Middlesbrough FC. Im Jahr 1966 war im völkerrechtlichen Sinne der Korea-Krieg noch nicht beendet, und entsprechend diplomatisch kompliziert war es, vor dem Rathaus von Middlesbrough die Flagge der Volksrepublik zu hissen, die den roten fünfzackigen Stern des Kommunismus in sich trägt. Doch in Middlesbrough war man nett zu den koreanischen Gästen. Und ist es heute noch: An der Stelle, wo Pak Doo-ik traf, erinnert mittlerweile eine Bronze­statue an das historische Ereignis.
Seither gab es mehr oder weniger enge Beziehungen zwischen der Teesside und Nordkorea: Vor acht Jahren ließ das Regime in Pjöngjang acht der »Helden von 1966« zu einer kurzen Reise nach Middlesbrough aufbrechen. Und als vor sieben Jahren die britische Sopranistin Suzannah Clarke für ein Konzert Nordkorea bereiste, fiel ihr auf, dass ihre Gastgeber immer lächelten, wenn das Wort »Middlesbrough« fiel.
Nur Frauenfußball gibt es in dem Land der Diktatoren mit den bemerkenswerten Frisuren noch nicht allzu lange. Offizielle Quellen datieren den Beginn auf das Jahr 1985, und das erste Länderspiel wurde 1989 ausgetragen. Dass seither viel staatliche Förderung in das Projekt geflossen ist, um mit Erfolgen der Fußballerinnen so etwas wie sportliche Dominanz zumindest in Asien auszuüben, kann man vermuten. Nach Zahlen sucht man jedoch vergeblich. Aber die sportliche Bilanz, schaut man sich nur die Asienmeisterschaften an, sagt viel aus: 1989 überstanden die Nordkoreanerinnen die Vorrunde nicht, zwei Jahre später waren sie schon Vierter und zwei weitere Jahre später, 1993, Zweiter. 2001 wurde das Team erstmals Asienmeister, 2003 wieder, 2006 nur Dritter, 2008 erneut Asienmeister, und in diesem Jahr verlor das Team von Trainer Kim Kwang-min das Finale gegen Australien erst im Elfmeterschießen.
Langsam wird klar, warum die Drittliga­kickerinnen des Middlesbrough FC keine Chance hatten, als sie anreisten. Aber warum fuhren sie hin?
Ping-Pong-Diplomatie könnte das Stichwort sein. Die heißt so, weil Anfang der siebziger Jahre nur mit Hilfe der Einladung zu einem Tischtennisturnier die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China zustande kamen. Der Ausdruck, der in der Politikwissenschaft zum Fachterminus avanciert ist, verweist darauf, dass man gerade mit einem vermeintlich unpolitischen oder bestenfalls soften Medium wie dem Sport Kontakte knüpfen und Annäherungen erreichen kann, die mit den Mitteln der klassischen Diplomatie nie gelängen.
Wenn das international isolierte Nordkorea, das, glaubt man seiner Propaganda, auf seine Isolation stolz ist und sich als Welt- und Atommacht aufführt, sich zumindest eine Hintertür aufhalten will, um in die internationale Politik zurückzukehren, und sich ob seiner Propaganda wünscht, dass dieser Hintertür nicht allzu viel Beachtung geschenkt wird – dann bietet sich der Sport an. Und zwar nicht irgendein Sport: Mit dem Projekt, sich etwa dem Nachbarn Südkorea mittels einer gemeinsamen Olympiamannschaft zu nähern, hat sich die Führung in Pjöngjang schon in früheren Jahren blamiert. Besser ist eine Sportveranstaltung, die zum einen nicht eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit genießt wie Olympische Spiele oder Männerfußball-WM und in der man zum anderen reüssieren kann.
Also Frauenfußball.
Hier dominiert das Land den Kontinent Asien schon lange, hier hat Nordkorea im Jahr 2007 mit dem Gewinn der U-20-WM den ersten Weltmeistertitel holen können, und hier kann es auch in den anderen Teilen der Welt mal groß rauskommen. Vielleicht sogar bei der WM 2011 in Deutschland.
Was den Spielerinnen vom Middlesbrough FC auffiel, war die enorme Begeisterung für den Frauenfußball. Das Stadion des Armeesportklubs 25. April hat Platz für 10 000 Fans, und gegen Middlesbrough war es gut gefüllt. »Die Reaktion der Menschen war unglaublich«, sagte die Torhüterin Ami Bullen der Zeitung Telegraph. »Wir haben uns plötzlich berühmt gefühlt.«
Das etwa dürfte das Gefühl sein, das Frauenfußball den Herrschenden von Nordkorea vermittelt.