Über das Computerspiel »Duke Nukem Forever«

Heiße Luft und große Muskeln

Er ist zurück: Der Supermacho Duke Nukem macht im Computerspiel »Duke Nukem Forever« wieder Jagd auf böse Aliens.

In der vergangenen Woche erschien ein neues Computerspiel. Es heißt »Duke Nukem Forever« und hat eine so lange Geschichte hinter sich, dass die Veröffentlichung eine sensationelle Nachricht ist. Entsprechend wurde diese auch weltweit verbreitet.
Duke Nukem war der Titelheld zweier Jump’n’Run-Spiele, die 1991 und 1993 erschienen. Gemeinsam mit »Commander Keen« war Duke Nukem auf den MS-Dos-Computern das, was »Super Mario« für die Konsolen war – eine Spielfigur, die über Plattformen durch zweidimensional angelegte Level gesteuert werden musste, um am Ende die Prinzessin und die Welt zu retten.

Für den dritten Teil wechselte der Duke – vom Aussehen her an die muskelbepackten Hollywood-Actionhelden der späten achtziger und frühen neunziger Jahre angelehnt und mit einem blonden Bürstenhaarschnitt versehen – dann das Genre. »Duke Nukem 3D« wurde ein First Person Shooter – das Spielgeschehen wurde also aus der Sicht der Spielfigur dargestellt. Dieses Genre, auch Egoshooter genannt, war zuvor durch die beiden ersten Spiele der Doom-Reihe populär geworden. »Duke Nukem 3D« bot 1996 einige spektakuläre Neuerungen, die vor 15 Jahren als revolutionär galten: Es gab schräge Oberflächen – bis dahin waren in 3D-Spielen nur senkrechte Wände und flache Böden zu sehen gewesen –, außerdem konnte der Spieler erstmals nach oben und unten schauen. Und während in »Doom« nur Fässer in der Gegend herumstanden, die zwar vom Spieler verschoben oder zur Explosion gebracht, aber beispielsweise nicht einfach umgekippt werden konnten, gab es bei Duke Nukem etwa Lichtschalter, die die Beleuchtung veränderten, oder Gegenstände wie öffentliche Toiletten oder Möbel, die nach dem Zertrümmern nicht einfach verschwanden, sondern in Einzelteilen liegenblieben. Die vom Spieler kon­trollierte Figur – die im Genre des Egoshooters kaum sichtbar ist – bekam durch markige Statements eine Persönlichkeit verpasst und zog so als sprücheklopfender Macho mit übergroßem Ego, der sich auch mal gerne in Spiegeln bewunderte, durch die Level und kämpfte gegen Aliens, die es auf irdische Frauen abgesehen hatten.
Wegen der Gewaltdarstellungen wurde das Spiel in Deutschland schnell indiziert, sexistisch ging es darin ebenfalls zu – es gab beispielsweise Stripperinnen, denen man Geld zustecken konnte. Doch der Erfolg von Duke Nukem 3D war groß. Heute gilt es als eines der meistverkauften Computerspiele aller Zeiten.
Wenn ein Spiel so erfolgreich ist, dauert es im Allgemeinen nicht lange, bis eine Fortsetzung erscheint. Und so wurde im April 1997 angekündigt, dass Duke Nukem Forever bald veröffentlicht werden solle. Nun hat es doch etwas länger gedauert: 14 Jahre. Warum hat die Entwicklerfirma 3D ­Realms so lange gebraucht? Die kurze Antwort lautet ganz einfach: übertriebener Perfektionismus. George Broussard, Teilhaber an 3D Realms und Entwicklungschef von Duke Nukem Forever, wollte ein perfektes, revolutionäres Spiel erschaffen. Für das neue Produkt wurde deshalb zunächst die Engine des Spiels »Quake II« lizenziert – für »einen Lastwagen voll Geld«, wie es hieß, die genaue Summe wurde nie bekanntgegeben. Die Engine ist das eigentliche Gerüst eines Computerspiels, ihr muss man nur noch sagen, wie sie auf welche Aktionen reagieren und was sie überhaupt anzeigen soll. Das Spiel war auf dieser Engine fast fertig, im Mai 1998 präsentierte man es bereits mit ersten Szenen auf der weltgrößten Spielemesse E3.
Doch weil inzwischen mit »Unreal« ein Spiel mit noch besserer Grafik herausgekommen war, entschied man, die Engine erneut zu wechseln. Der Großteil der geleisteten Arbeit war deshalb aber nicht mehr verwendbar. Da Broussard »Duke Nukem Forever« nicht ohne die allerbeste Grafik veröffentlichen wollte, nahm das Elend seinen Lauf: Jedes Spiel, das in dem Genre herauskam und Innovationen bot, verzögerte die Entwicklung weiter. Ein abgestecktes Ziel, was »Duke Nukem Forever« alles bieten sollte, gab es offenbar nie, und da immer wieder neue Details hinzukamen, war es unmöglich festzustellen, wie nahe man an einem vollständigen Spiel war. Der Wechsel zur Engine von »Unreal« sollte nicht der letzte bleiben. 2002 entschied sich 3D Realms schließlich doch, eine eigene Engine zu programmieren, und stellte neue Entwickler ein.

Immer wieder kündigte die Firma an, sie werde das Spiel in Kürze veröffentlichen. Irgendwann kamen dann allerdings Gerüchte auf, sie wolle erneut eine Engine lizenzieren. Auch andere Gerüchte deuteten auf eine weitere Verschiebung des Erscheinungstermins hin – bis im Dezember 2007 wieder einmal die baldige Veröffentlichung von »Duke Nukem Forever« angekündigt wurde.
Im Internet wurde dies nur noch mit viel Spott aufgenommen, die Abkürzung für Duke Nukem Forever, DNF, wurde häufig auch als »Did Not Finish« ausbuchstabiert, andere bezogen das Wort »forever« im Titel auf die Entwicklungszeit. In den Jahren 2000 bis 2010 belegte 3D Realms acht Mal den ersten, einmal den zweiten und einmal den elften Platz beim »Vaporware Award«, einer vom Wired-Magazin jährlich herausgegeben Liste. Als »Vaporware« werden Produkte bezeichnet, die nichts beinhalten außer eben heißer Luft. 2003 bekam die Firma auch noch den bis heute nur einmal vergebenen »Vaporware Lifetime Achievement Award«. Die Chancen, dass der Preis irgendwann einmal dem Produkt eines anderen Unternehmens verliehen wird, sind gering: Normalerweise werden Exzesse in der Spieleentwicklung einfach durch fehlendes Geld verhindert. Entwicklungsstudios leiden im Allgemeinen unter Geldnot. Sie gehen deshalb Verträge mit Verlegern ein, die ihnen Geld vorstrecken, dann aber auch einen großen Teil der Einnahmen erhalten, wenn das Spiel veröffentlicht wird. Die Verleger wollen nicht allzu lange auf ihr Geld warten und üben Druck auf die Entwicklungsstudios aus – irgendwann müssen diese veröffentlichen oder Konkurs anmelden.
Doch 3D Realms hatte eine Menge mit »Duke Nukem 3D« verdient, dazu kam noch der Gewinn aus einigen anderen Spielen. Für »Duke Nukem Forever« gab es nur einen Vertrag mit einem Verleger mit einer vergleichsweise mickrigen Beteilung im Wert von 400 000 Dollar – entsprechend konnte der Verleger nur sehr wenig Druck ausüben.
Trotzdem spielte das Geld dann am Ende doch eine Rolle. Nach zehn Jahren Entwicklungszeit kündigte fast die Hälfte der angestellten Entwickler. Viele der Programmierer waren aus finanziellen Gründen so lange dabei geblieben, denn sie hatten Verträge, die sie am Verkaufserlös beteiligten – dafür fiel ihr Festgehalt allerdings auch weit geringer aus als branchenüblich. Doch mittlerweile hatten sie ein Jahrzehnt lang nur an »Duke Nukem Forever« gearbeitet und konnten ansonsten keinerlei Erfahrung in der Entwicklung vorweisen. Sie gingen, um ihre Karrieren zu retten.

Daran, dass »Duke Nukem Forever« irgendwann erscheinen würde, glaubten zu diesem Zeitpunkt wohl nicht einmal mehr die unbeirrbaren Fans so richtig, die in all den Jahren in eigenen Foren und auf Blogs akribisch jeden Informationsschnipsel über den Entwicklungsstand gesammelt hatten. 2009 ging das Geld dann endgültig aus. 3D Realms musste viele Mitarbeiter entlassen, darunter auch das verbliebene Team von Duke Nukem Forever, und stellte die Entwicklung des Spiels ein. Broussard weigert sich bis heute, über diese Zeit zu sprechen.
Das nun erschienene Spiel wurde von der Firma Gearbox programmiert. Der Duke darf wieder gegen Aliens kämpfen, die hinter schönen Erdenfrauen her sind. Das Spiel ist ganz sicher nicht das, was Broussard sich vorgestellt hatte: Die Grafik wäre vor fünf Jahren state of the art gewesen, die Machart des Spiels entspricht auch nicht mehr dem neuesten Stand, dennoch feierte Broussard auf Twitter und auch auf der Release-Party mit. Die Fans feiern Duke Nukem Forever ebenfalls, trotz seiner Mängel – aber das müssen sie vielleicht gerade wegen der Ewigkeit, die bis zur Veröffentlichung vergangen zu sein scheint.