Die deutsche Libyen-Politik

Ab in die letzte Reihe!

Der Nato-Einsatz in Libyen hat der deutschen Außenpolitik eine Blamage beschert. Die Bundesregierung versucht nun, sich mit der neuen Lage zu arrangieren. Die libyschen Rebellen könnten dies entscheidend erschweren.

»Thank you, Nato!« Dass die libyschen Rebellen, wie die Zeit berichtete, dem Militärbündnis für die Hilfe im Kampf gegen Muammar al-Gaddafi ihren Respekt aussprechen, indem sie Dankesgrüße auf Straßen und Hausdächer malen, ist naheliegend. Man kann der Nato aber noch für ein weiteres Verdienst danken. Sie hat der deutschen Außenpolitik eine erhebliche Blamage beschert.
Die Argumente der deutschen Regierung für ihre Enthaltung bei der entscheidenden Abstimmung zur Libyen-Mission im UN-Sicherheitsrat sind widerlegt. Der Einsatz war nicht unkalkulierbar, die Nato hat keine Bodentruppen entsandt, das militärische Eingreifen hat den arabischen Aufständen nicht geschadet. Die deutsche Entscheidung war aber keinesfalls ein Zeichen von politischer Orientierungslosigkeit, wie viele Kommentatoren auch im Rückblick nahelegen. Die Enthaltung war ein Versuch, als europäische Hegemonialmacht – eine Rolle, in der Deutschland zurzeit auch die hochverschuldeten EU-Staaten das Fürchten lehrt – eine eigene Außenpolitik zu betreiben – gegen die westlichen Bündnispartner. Dieser Versuch ist aufs Kläglichste gescheitert. Das ist ein erfreulicher Nebeneffekt der Entwicklung in Libyen.
Dass nun ausgerechnet hierzulande vereinzelt über die Entsendung von Truppen in das nordafrikanische Land diskutiert wird und Außenminister Guido Westerwelle der Welt eine Geschichte mit dem Titel »Wie deutsche Sanktionen Gaddafi in die Knie zwangen« verkaufen wollte, könnte man als weitere Peinlichkeiten abtun. Es handelt sich aber um erste Versuche, sich mit der neuen Lage in Libyen zu arrangieren, die für Deutschland wegen seiner Politik der vergangenen Monate nicht gerade vorteilhaft ist.
Westerwelle kann auch anders. In einem ZDF-Interview sicherte er Libyen staatsmännisch Hilfe zu, um den Mediensektor und eine unabhängige Justiz aufzubauen und freie Wahlen abzuhalten. Wie anderen Außenpolitikern der Regierung liegt ihm der wirtschaftliche Wiederaufbau besonders am Herzen. »Hier steht Deutschland bereit«, verlautbarte das Außenministerium in einer Pressemeldung. Dass die Bundesrepublik nur allzu gern bereitsteht, ist klar. Bis vor kurzem war Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner Libyens. Vor den Kämpfen unterhielten 30 deutsche Unternehmen feste Vertretungen in dem Land. Die Ölproduktionsfirma Wintershall, ein Tochterunternehmen von BASF, besitzt Lizenzen für acht Ölfelder.
Eine neue libysche Regierung wird jedoch wahrscheinlich neu über die Vergabe von Förderlizenzen entscheiden. »BP steht jetzt beim Nationalen Übergangsrat in der ersten Reihe und deutsche Unternehmen haben das Nachsehen«, zitiert Focus die Klage eines anonymen deutschen Firmenleiters.
Die Bundesregierung dürfte in nächster Zeit einiges dafür tun, doch noch einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Darauf deutet allein schon der Ton hin, in dem sie mittlerweile auch die Nato und die Aufständischen für ihren Einsatz lobt. Diese dürften allerdings dafür sorgen, dass sich Deutschland mit den hinteren Rängen begnügen muss. Bislang deutet nämlich nichts darauf hin, dass die Rebellen vor Freude über ihren Sieg ihr Gedächtnis verloren hätten.