Erfolg im Kampf gegen Outsourcing in Düsseldorf

Die Unkündbaren schlagen zurück

Entlassene Flugzeugreiniger am Düsseldorfer Flughafen haben ihren Prozess vor dem Landesarbeitsgericht gewonnen und müssen weiterbeschäftigt werden. Damit wurde ein Präzedenzfall im Kampf gegen Outsourcing geschaffen.

In der Führungsetage des Klüh-Konzerns dürfte man enttäuscht gewesen sein. Das vergangene Woche gefällte Urteil des Düsseldorfer Landesarbeitsgerichts ist nicht nur eine Niederlage des Unternehmens gegen seine Belegschaft. Es könnte auch als Präzedenzfall dienen, um Methoden, wie sie Klüh in Düsseldorf anwendete, Grenzen zu setzen. Denn jahrelang hatte der Dienstleistungskonzern versucht, den Widerstand seiner Flugzeugreiniger am Düsseldorfer Flughafen gegen die prekären Arbeitsverhältnisse zu brechen. Zu diesem Zweck engagierte man gar den Anwalt Helmut Naujoks, der als leidenschaftlicher Vertreter von Unternehmerinteressen gilt. In der Folge schaffte es der international tätige Konzern, der über etwa 14 000 Beschäftige in Deutschland verfügt und vor allem in den Bereichen Reinigung, Catering und Sicherheit operiert, mehrmals in die Schlagzeilen: mit Outsourcing-Maßnahmen, dem offensivem Einsatz von Leiharbeit und dem Versuch, Betriebsratswahlen zu verhindern.

Gerade im Reinigungsgewerbe sind Arbeitskämpfe schwer zu führen. Der gewerkschaftliche Organisierungsgrad unter den etwa 860 000 Beschäftigten liegt bei kaum zehn Prozent. Hier gibt es kaum Traditionen betrieblichen Widerstands, an die sich anknüpfen ließe. Zugleich tummeln sich auf diesem Gebiet eine Vielzahl von Leiharbeitsfirmen und dubiosen Subunternehmen. Zumindest bei der zu Klüh gehörenden Flugzeugreinigung in Düsseldorf hatten die Beschäftigten in zähen Auseinandersetzungen bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen können und damit auch den Zusammenhalt der Belegschaft gestärkt. Die Firmenleitung versuchte zunächst, den Betriebsrat mit Freistellungsangeboten und anderen Privilegien für sich zu gewinnen – vergeblich. Bald schon hagelte es Abmahnungen und Kündigungen. Doch auch diese hatten keinen Bestand vor den Arbeitsgerichten.
Als Ende 2009 der größte Kunde der Flugzeug­reinigung bei Klüh, die selbst für ihren gewerkschaftsfeindlichen Kurs bekannte Fluggesellschaft Air Berlin, Kostensenkungen von 20 Prozent verlangte, ging Klüh in die Offensive. Man versuchte, die 160 Fugzeugreiniger am Düsseldorfer Flug­hafen zu schlechteren Konditionen in die Leiharbeitsfirma DLG auszulagern. An dieser hält Klüh 51 Prozent, der Rest gehört der Düsseldorfer Flug­hafengesellschaft. Auf diese Weise wollte man sich offenbar jener Beschäftigten entledigen, die in der Vergangenheit durch Betriebsratsarbeit und gewerkschaftliche Aktivität aufgefallen wa­ren. Auch der gewählte Be­­­­­­trie­bs­­­rat als solcher wäre damit hinfällig geworden.
Die Rechnung klang einfach: Die eigene Flugzeugreinigung am Düsseldorfer Flughafen sollte – formell aus Kostengründen – geschlossen werden. Zugleich würde man selbst entscheiden, wem von den bisher Beschäftigten man ein Angebot zur Weiterarbeit bei DLG machen würde. Bald schon wäre das Problem ein für allemal gelöst. Ende 2010 schließlich wickelte Klüh die Flugzeugreinigung tatsächlich ab. Den Großauftrag der Air Berlin übernahm, wie zu erwarten, DLG. Dennoch bestritten Klüh und DLG vehement, dass es sich hierbei um einen Be­triebs­­übergang handele.

Im Laufe des Konflikts war bereits deutlich geworden, dass die IG Bau kein Interesse hatte, der scheinbaren Schließung und der Beseitigung ihrer eigenen aktiven Mitglieder ernsthaft etwas entgegenzusetzen. Dabei hatte die Gewerkschaft die Klüh-Beschäftigten noch 2009, in der bundesweiten Tarifrunde der Gebäudereiniger, als gewerkschaftlich organisierte Vorzeigebelegschaft gelobt. Bereits im Oktober 2010 schrieb Christian Frings in der Yeni Hayat dazu: »Letztlich schien es der Gewerkschaft nur darum zu gehen, den Konflikt unter den Teppich zu kehren und möglichst schnell mit irgendeinem Ergebnis herauszukommen. Versuche des Betriebsrats, weiterhin mit Aktionen Druck zu machen, brachten ihm seitens der Gewerkschaft den Vorwurf ein, er wolle den Konflikt politisch instrumentalisieren.« In dieser Situation gründeten die entlassenen Betriebsräte und Kollegen zusammen mit Unterstützern einen Solidaritätskreis, der die Aufgabe wahrnahm, Druck auf Klüh, DLG und Air Berlin auszuüben.
In der Zwischenzeit hatte nur etwa die Hälfte der Beschäftigten ein Jobangebot von DLG erhalten, die anderen sollten mit einer mageren Abfindung abgespeist werden. Immerhin 29 Beschäftigte klagten schließlich auf Weiterbeschäftigung. Sie argumentierten, dass es sich nicht um eine wirkliche Betriebsschließung gehandelt habe, sondern um einen Betriebsübergang. Demnach hätten die Beschäftigungsverhältnisse an die neue Firma überzugehen und auch der gewählte Betriebsrat im Amt zu bleiben. Gerade um Vorgänge wie bei Klüh zu verhindern, war 1972 ein entsprechender Paragraph ins Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden, auf den sich die Betroffenen beriefen.
Schon im Laufe der ersten Verhandlungen traten Ungereimtheiten zutage. So hatte DLG Wochen vor der Auftragsübernahme Leiharbeiter bei Klüh eingesetzt, damit diese angelernt werden konnten. Eine Neuorganisation der Arbeitsprozesse bei DLG, anhand derer bewiesen werden sollte, dass es sich nicht um einen Übergang handele, war bereits bei Klüh geplant worden – aber am Widerstand des Betriebsrats gescheitert. Es häuften sich die Hinweise, dass die vermeintliche Betriebsschließung lediglich ein Manöver war.
Dennoch wurde in erster Instanz zunächst der Standpunkt des Unternehmens bestätigt. Die Begründung lautete lapidar, dass zu einem Betriebs­übergang eine Weiterbeschäftigung von mindestens zwei Drittel der bisherigen Beschäftigten durch die neue Firma gehöre. Im März urteilte das Düsseldorfer Arbeitsgericht im Fall des bisherigen Betriebsratsvorsitzenden und einer Kollegin jedoch anders. Das mehr­stündige Verfahren, bei dem erstmals eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt wurde, hatte zum Ergebnis, dass es sich um einen Betriebsübergang gehandelt habe und die bisherigen Arbeitsverhältnisse, Tarife und Interessenvertretungen weiterbestehen müssten. Noch im selben Monat wurde diese Sichtweise in weiteren Verfahren bestätigt, so dass die Gekündigten gestärkt in das Revisionsverfahren gehen konnten.

Das Landesarbeitsgericht entschied nun deutlich im Sinne der klagenden Beschäftigten: Es handele sich um keine Betriebsstilllegung, sondern um einen Betriebsübergang. Und dieser stelle keinen Grund für eine betriebsbedingte Kündigung dar. Entscheidend dabei war zum einen, dass alle Reinigungsaufträge von Klüh ohne zeitliche Unterbrechung von DLG fortgesetzt wurden, und zum anderen, dass DLG einen großen Teil der Stammbelegschaft übernommen hat und die Arbeitsmethoden im Wesentlichen gleich geblieben sind. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Über den betrieblichen Zusammenhang hinaus geht von dem Urteil eine symbolische Wirkung aus. Es dürfte dazu beitragen, ähnliche Schein­schließungen für die Zukunft zu erschweren. Auch der Nimbus des Arbeitgeberanwalts Naujoks, der mit der »Kündigung der Unkündbaren« als Markenzeichen wirbt und dabei auf solche Prak­tiken setzt, dürfte Schaden genommen haben. Zugleich zeigt der Kampf der Klüh-Beschäftigten, dass sich eine Belegschaft auch dann erfolgreich wehren kann, wenn ihre Gewerkschaft sie nicht unterstützt.