Digital ist banal

Berlin Beatet Bestes. Folge 133. Digital & the MP3s: Zero-One (2012).

Neulich hat jemand zur allgemeinen Belustigung auf Facebook einen Artikel aus dem Handelsblatt über »Sopa« und »Pipa«, die geplanten Internet-Gesetze in den USA, gepostet. Darin fordert ein CDU-Bundestagsabgeordneter, es solle sich auch endlich hierzulande mehr Widerstand gegen die Urheberrechtsverletzungen im Internet regen. Nur so habe unsere Kultur Bestand. Sie müsse geschützt werden vor Piraten und gierigen Dieben, die das geistige Eigentum anderer nicht achten.
Ich verfolge ja im Allgemeinen die Debatten in der CDU nicht, und so war ich überrascht, dass das die konservative Haltung in dieser Frage sein soll. In kultureller Hinsicht bin ich ja auch konservativ. Ich bin aber ganz anderer Meinung. Ich halte das Internet für einen gottverdammten Idiotenzirkus, der, mit ganz wenigen Ausnahmen, kulturell überhaupt nichts Eigenes hervorgebracht hat. Das Netz soll ja auch nur der Kommunikation dienen. Nun könnte man sagen, Kommunikation sei schon Teil der Kultur. Aber das ist nicht meine Meinung. Meist besteht Kommunikation nur aus blödem Gelaber. Kürzlich habe ich einen Comic gesehen, der komplett am Computer entstanden und nur im Internet veröffentlicht worden ist. In Form einer Endlosrolle, ähnlich den historischen chine­sischen Panoramarollen, muss er abge­scrollt werden. Das ist ein seltenes Beispiel für ein exklusiv im Internet veröffentlichtes Kunstwerk. Ernst nehmen werde ich es dennoch erst dann, wenn jemand es tatsächlich als Panoramarolle auf Papier druckt und veröffentlicht. Digital bedeutet in meinen Augen immer »entwertet«, weil es nicht greifbar, beliebig zu vervielfältigen und, am wichtigsten, nicht von Bestand ist.
Seit ich das Internet kenne, verschwindet da dauernd Material: Blogs, Websites und jeden Tag Tausende von Youtube-Videos. Ich bin untröstlich, wenn eine Bibliothek brennt, aber das Internet taugt als Archiv gar nicht, wenn das Material, das es verwalten soll, so leicht verloren gehen kann. Ich schätze Bücher, weil sie Bestand haben. Das ist eine echt konservative Haltung und nicht: »Im Internet wird geschütztes Material verbreitet und die armen Künstler kriegen nichts. Heul!« Das ist doch eine total armselige Ansicht.
Verlage, die etwas auf sich halten, veröffent­lichen Bücher, die sich nicht im Handumdrehen kopieren lassen. Gedrucktes hat Bestand. Selbst jedes Prospekt von Lidl könnte, würde es nicht aus meinem Briefkasten direkt in den gegenüber angebrachten Mülleimer wandern, Jahrzehnte überdauern. Ich bin auch dagegen, Ideen zu klauen, aber das »geistige Eigentum« in Form von MP3 ist den Begriff nicht wert. Und so gibt es die oben erwähnte Platte selbstverständlich auch gar nicht. Gäbe es sie, wäre auf ihr nur der Sound von diesem Tennis-Telespiel aus den siebziger Jahren zu hören, der erste digitale Klang, an den ich mich erinnern kann: klack-klack, klack-klack.