Der Nazi-Trashfilm »Iron Sky«

Ohne Smartphone kein Viertes Reich

»Iron Sky« ist ein überdrehter Nazi-Trashfilm, der sich spielerisch über die Abgründe seines Gegenstands hinwegsetzt.

Komödien, in denen die Nazis eine Rolle spielen, sind ein umstrit­tenes Genre. Manche Filmkritiker vertreten die Ansicht, Regisseure sollten generell die Kamera vom Thema »Drittes Reich« lassen, hier werde das größte aller Übel zum Zwecke der Vermarktung ins Bild gesetzt, von der Ästhetisierung und Trivialisierung der Shoa ganz zu schweigen. Es war Charlie Chaplin, der gesagt hat, er hätte seinen Film »Der große Diktator« wohl kaum als Komödie inszeniert, hätte er damals bereits gewusst, was sich in Deutschland wirklich abgespielt hat. Da sei ihm das Lachen vergangen. Auch lustige Filme, in denen die Roten Khmer oder der Völkermord in Ru­anda Gegenstand sind, sucht man seit jeher vergebens.
Den Betrieb hat die Problematik indes nie gestört. Die irren Klamotten, der Habitus, die Gesten, das Ungeheuerliche – was sollte schon wirkungsmächtiger sein auf der Leinwand als eine Massenmörderbande im schrägen Fummel und ein komplett wahnsinnig gewordenes Deutschland? Chaplins Diktum wollten sich die wenigsten Filmemacher anschließen: Sogar die historische Realität wird im Spielfilm umgeschrieben, sehr prominent etwa in Quentin Tarantinos »Inglourious Basterds«, wo Hitler von jüdischen Soldaten erledigt wird.
Nichtsdestotrotz wird an der Spirale des Irrwitzes weitergedreht und derzeit ist der finnische Regisseur Timo Vuorensola der verrückteste von allen. »Iron Sky«, der teilweise über im Internet akquirierte Kleinbeträge finanziert wurde, übertreibt die bisher bekannten Nazi-Camouflagen um ein Beträchtliches: In dem schönen Drehbuch von Johanna Sinisalo und Michael Kalesniko haben sich ein paar versprengte Anhänger Hitlers 1945 von der Polarstation »Neuschwabenland« aus auf den Mond flüchten können. »Hinterm Mond leben« – keine Ahnung, wie diese deutsche Redensart ins Finnische übersetzt wird, im Film sind es jedenfalls die Nazis, die dort leben. Man fühlt sich bei ihrer Zentralbehausung auf der Dark Side of the Moon, einer großen Raumstation in Form eines Hakenkreuzes, an die Filme von Christoph Schlingensief und Bruce LaBruce erinnert.
Unter der Führung ihres Oberhaupts Wolfgang Kortzfleisch, einer Mischung aus Göring, Hitler und anderen, gespielt von Udo Kier, haben sie eine Weltraum-Armada gebaut: Raumschiffe mit bizarrer Technik in Zeppelinform, fliegende Untertassen mit neuartigen Waffen und eine gigantische Zerstörungsmaschine namens »Götterdämmerung«. Man muss lange in der Geschichte des Science-Fiction-Films kramen, um ein solch bescheuertes Weltraumtransportmittel zu finden. Auf den Gruß »Heil Hitler« reagiert Kortzfleisch regelmäßig stinksauer und antwortet mit »Heil Kortzfleisch«. Hitler ist für ihn höchstens eine historische Fußnote, die Gegenwart zählt.
Und die befindet sich im Jahr 2018. Die Mondnazis planen eine Invasion in den USA. Doch der Feind ist schneller: Seit Urzeiten schon gibt es in den USA eine Mondmission, damit will sich die amerikanische Präsidentin (Stephanie Paul), ein unverhülltes Sarah-Palin-Äquivalent, ihre Wiederwahl sichern. Slogan: »Black to the Moon«. Der Astronaut ist ein Mann namens James Washington (Christopher Kirby), der zwar wenig vom Weltraum weiß, aber als afroame­rikanisches Model Catwalk-Qualitäten besitzt. Bei seiner Landung auf dem Mond ist jedenfalls nicht nur er verdattert. Flugs testet der verrückte Naziwissenschafter Doktor Richter (Tilo Prückner) sein im Stillen entwickeltes Mittel an Amerikas erstem schwarzen Astronauten: Die Haut wird weiß, die Haare blond.
Mit Logik sollte man diesem Film übrigens nicht kommen: Man trudelt mittels Verbrennungsmotoren durchs Vakuum, das große Raum­schiff fährt nicht, weil der Computer fehlt, aber alles andere funktioniert schon – finnisches Kino ist nicht gerade ein Wittgenstein-Seminar. Eher eine Domäne des verschachtelten Erzählens. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass sich jeder, der wollte, über die Online-Plattform Wreckamovie mit eigenen Ideen an der Entwicklung der Story beteiligen konnte.
In den Mittelpunkt der verzwickten kosmo-politischen Verhältnisse stellt der Regisseur die Figur des Klaus Adler (Götz Otto), einen karrieregeilen Mondnazi-Nachrichtenoffizier, und die von ihm angebetete Renate Richter (Julia Dietze), Tochter des Nazi-Technikhirns, Erdexpertin und Englischlehrerin für die kleinen Nazis – denn welchen Sinn macht eine Invasion, wenn die Invasoren den Überfallenen keine Befehle erteilen können?
Mit der Figur der Renate Richter erklimmt die Story dann auch die nächsthöhere Ebene – insbesondere mit einer Szene, die diesen Trash-Film intelligenter erscheinen lässt als vieles andere, was zum Thema produziert worden ist: Die Englisch-Blondine zeigt ihren Schülern jene Szene aus »Der große Diktator«, in der Chaplin seinen Anton Hynkel (alias Hitler) mit der Weltkugel tanzen lässt. »Seht ihr, Kinder«, sagt sie, »so gut hat sich unser Führer um die Erde gekümmert.« Dann folgen der Schriftzug »Ende« und der Abspann: Im Jahr 2018 ist Chaplins Film auf 20 Sekunden gekürzt worden und dient als Lehrfilm für außerirdische Arier.
Adler steht während der Vorbereitung des Angriffs eine schwierige Mission bevor: Denn Doktor Richter ist es gelungen, Washington das I-Phone zu klauen, dessen Prozessor eine viel höhere Rechnerleistung hat als alles, was an EDV auf dem Mond herumsteht. In die »Götterdämmerung« eingebaut, sorgt es immerhin dafür, dass in dem kilometergroßen Technik-Trumm das Licht angeht. Schnell ist allerdings der Akku leer, deshalb soll Adler auf der Erde einen weiteren Apparat, zumindest aber ein Ladegerät akquirieren. Der getunte Washington, der sich unversehens als weißer Schwarzer in einer Nazi-Uniform wiederfindet, soll ihm dabei behilflich sein, wird aber vor allem von Adler dazu benutzt, mit Hilfe der US-Präsidentin selbst die Macht auf dem Mond zu übernehmen. Auch Renate schmuggelt sich an Bord, um zur Erde zu fliegen, sie ist neugierig auf die Kultur jenes Landes, das sie zwar noch nie betreten hat, dessen Sprache sie aber unterrichtet.
Als die Reisegruppe in den USA landet, wird es wirklich lustig. Natürlich bekommt Renate Chaplins Lehrvideo in voller Länge zu sehen. Und es ist sicher einer der überzeugendsten Momente der ohnehin grandios spielenden Julia Dietze, wenn die SS-Offizierin nach zwei Stunden aus der Vorführung kommt und sagt: »Das habe ich ja gar nicht gewusst.« Zu guter Letzt kriegen die Filmnazis sogar von waschechten Skinheads was aufs Maul; die Arbeiterglatze steht eben nicht auf Stiefelfaschos.
Dies ist nur eine von vielen Anspielungen auf die Gegenwart, der verkommene Zustand der Weltpolitik ist nochmal ein anderes Thema. Anders als viele andere Trash-Filmer liebt Vuorensola das große visuelle Spektakel: Es wird dann eben mal ein Viertel des Mondes weggeschossen, weil es im Weg ist.
»Iron Sky« greift Motive aus den Debatten über den Umgang mit Nazis auf und transponiert sie ins Kino. Herausgekommen ist ein extrem überdrehter und nicht perfekter Film. Ob er funktioniert? Die Schwierigkeit, die Chaplin mit seinem Stoff hatte, hat man hier an den Anfang und ins Zentrum der Dramaturgie gesetzt – und den Rest drumherum gedreht.

»Iron Sky« (Finnland 2012). Regie: Timo Vuorensola.
Darsteller: Julia Dietze, Götz Otto u. a. Kinostart: 5. April