»Der Radfahrer ist ja kein Selbstmörder«

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer schimpft über die »Verrohung« der »Kampf-Radler« und möchte diese besser erziehen. Die Jungle World hat beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) nachgefragt.

Sind Radfahrerinnen und Radfahrer tatsächlich rücksichtsloser geworden?
Die Unfallzahlen oder Einträge im Verkehrsregister belegen dies nicht. Ich will ja jetzt nicht der Wahrnehmung von Herrn Ramsauer widersprechen, der vielleicht mal aus seinem Dienstauto heraus gesehen hat, wie ein Radfahrer über Rot gefahren ist. Aber ich denke, dass Radfahrer in der Summe nicht mehr falsch machen als Autofahrer oder Fußgänger.
Mal schnell über eine rote Ampel fahren, wenn niemand kommt, ist doch nicht so schlimm.
Jein. Vorfahrtsverstöße, dazu gehört das Überqueren bei Rot, sind eine der Hauptursachen für Unfälle. Ich gehe davon aus, dass ein Radfahrer, der bei Rot fährt, sich vorher sorgfältig umsieht, denn er ist ja kein Selbstmörder. Ich habe schon Verständnis dafür, dass Autofahrer das trotzdem besonders schlimm finden. Sie machen auch viel verkehrt, aber in aller Regel halten sie vor roten Ampeln.
Gibt es Statistiken darüber, wie viele Menschen in Deutschland durch wilde Radler getötet oder verletzt werden?
Also, wenn jemand durch nicht verkehrsgerechtes Radfahren gefährdet wird, sind es vor allem die Radfahrer. Wenn sie ums Leben kommen, liegt es in aller Regel daran, dass sie mit einem Auto zusammengestoßen sind. Laut Statistik des Verkehrsministeriums, also der Fachleute von Herrn Ramsauer, sind bei Unfällen zwischen Radfahrern und Autos in drei Vierteln der Fälle die Autofahrer schuld.
Ramsauer setzt sich für eine Helmpflicht für Radler ein. Sollten nicht eher die Autofahrer besser erzogen werden?
Erziehung ist ganz schwierig, wenn man sieht, dass die Unfallzahlen nicht abnehmen. Was abnimmt, ist glücklicherweise die Zahl der Getöteten. Aber das liegt nicht daran, dass die Leute vorsichtiger fahren, sondern an der verbesserten Autotechnik. Der Schutz der Insassen kommt den Radfahrern bisher aber wenig zugute. Es gibt neue Entwicklungen wie Notbremssysteme und den Außenairbag, der Radfahrer und Fußgänger schützt, die vom Auto erfasst werden.
Der übliche Fahrradhelm ist als Sturzhelm konstruiert und hat nur bis 20 km/h eine Wirkung. Davon darf man sich nicht versprechen, dass der Helm noch Schutz bieten kann, wenn man mit einem fahrenden Auto zusammenstößt.