Schlägt einige Alternativen zum Elfmeterschießen vor

Wer braucht schon Happy Ends?

Damit ein Spiel auch ohne die Serienstrafstöße einen klaren Sieger hat, muss man nur geeignete Strafen einführen.

Gut, es gibt weit schlimmere Ungerechtigkeiten, als ein Fußballspiel mittels Elfmeterschießen zu entscheiden, zumal die Beteiligten ja zuvor reichlich Zeit hatten, den Ball ins Tor zu befördern. Und trotzdem bleibt, auch wenn das eigene Team per Penalties gewonnen hat, immer irgendwie ein Beigeschmack. Denn nicht die Mannschaft, sondern ein Einzelner ist plötzlich für die Niederlage verantwortlich, weil er im entscheidenden Moment versagt hat.
Vielleicht liegt es ja nur daran, dass das gesamte Mainstream-Unterhaltungsprogramm so schauderhaft harmoniesüchtig geworden ist. Happy Ends, wohin man schaut – nach zahllosen Widrigkeiten sinken sich im Film Held und Heldin in die Arme, bekommt der Unterdrückte auf den letzten Seiten des Romans Recht, wird die Kitsch-Story über den Sieg irgendeiner Gerechtigkeit auf dem Nachrichtenportal zum Klick-Hit.
Nun erwartet aber niemand von der Entertainment-Sparte Fußball (oder Sport allgemein) garantiert glückliche Enden – bloß so furchtbar ungerecht wie beim Elfmeterschießen sollten sie einfach nicht sein. Wie man es aber macht, dass ein Spiel ohne die stupiden Serienstrafstößen mit all ihren albernen Bestandteilen – den blöde herumhampelnden Torhütern, den hochnervösen, aber cool guckenden Schützen, den nur durch die Finger zuschauenden Mannschaftskollegen – endlich aufhört, tja, das weiß anscheinend niemand so recht. Fest steht nur, dass man von der auf Betreiben von Fifa-Boss Sepp Blatter mit der Suche nach einer Alternative beauftragten Expertenkommission nichts wirklich Bahnbrechendes erwarten sollte – der Weltfußballverband ist schließlich mit seiner 1993 getroffenen Golden-Goal-Entscheidung für den dritten deutschen Europameistertitel verantwortlich.

Zu den charmanteren unter den kursierenden Elfmeter-Ersatz-Vorschlägen gehört die Idee, das Penalty-Schießen gleich zu Beginn des Spiels abzuhalten. 90 Minuten lang hätte dann die unterlegene Mannschaft Zeit, das dabei erzielte Ergebnis zu ändern. Das Problem bei diesem Modus ist jedoch, dass der Verein, der das vorgezogene Elfmeterschießen gewonnen hat, dann unter Garantie zur berüchtigten Mauertaktik greift – zwei Halbzeiten und eine Verlängerung voll gähnender Langeweile wären garantiert.
Vielleicht sollte sich die Fifa einfach mal bei anderen Sportarten umschauen. Es muss ja nicht das Springreiten sein, wo bei manchen Turnieren die Pferde getauscht werden – wobei es durchaus unterhaltsam sein dürfte, statt eines Elfme­terschießens einen Torhütertausch anzusetzen und eine halbe Stunde mit dem Keeper des Gegners weiterzuspielen. Es könnte allerdings auch ausreichend sein, die Flutlichter abzubauen oder zu drosseln – das längste, wegen jeweils hereinbrechender Dunkelheit an zwei Tagen unterbrochene Tennismatch dauerte beispielsweise zum Entzücken des Publikums insgesamt elf Stunden und fünf Minuten. Als John Isner im Erstrundenspiel in Wimbledon gegen Nicolas Mahut schließlich den Matchball zum 70:68 verwandeln konnte, war die elektronische Anzeigentafel schon lange ausgefallen, weil ein höherer Spielstand als ein 47:47 in ihrem Programm einfach nicht vorgesehen war.
Ein unentschiedenes Fußballspiel am nächsten Tag, wenn alle Akteure ein bisschen ausgeruhter sind, fortzusetzen, hätte durchaus viele Vorteile – und dass der Sender, der die Übertragungsrechte besitzt, womöglich dafür irgendwas mit Happy End verschieben muss, ist ja nun sicher kein Problem.

Andererseits will man manche Grottenkicks auch nicht eine Minute länger als notwendig ansehen. Weswegen eine weitere Lösung für das Problem mit dem Elfmeterschießen in Betracht kommt: In vielen Sportarten werden bei Gleichstand zwei erste Plätze vergeben. Das wäre natürlich im Fußball nicht praktikabel, denn die Aussicht, nichts tun zu müssen und am Ende doch Welt- oder Europameister oder Champions League-Sieger zu sein, würde zu Spielen von einer derartigen Unanguckbarkeit führen, wie sie sich selbst äußerst phantasiebegabte Fans kaum vorstellen können.
Deswegen kann die neue Regel nur lauten: Steht es in einem Finale selbst nach der Verlängerung noch Remis, wird halt kein Titel vergeben. Und die beteiligten Mannschaften dürfen beim nächsten Mal nicht mitmachen. Falls das noch nicht reicht, könnte man auch über weitere Strafen für hartnäckiges Unentschieden-Spielen nachdenken. Beim nächsten Turnier darf automatisch der Lokalrivale oder die Nationalmannschaft, die die Fans am allerwenigsten ausstehen können, teilnehmen, zum Beispiel. Oder die beteiligten Kicker müssen ein ganzes Jahr lang bei jedem Spiel lustige Ballonmützen tragen. Angesichts solcher Aussichten wird es dann plötzlich mit dem Toreschießen innerhalb der regulären Spielzeit klappen.