Über die Fans der deutschen Olympia-Ruderin Nadja Drygalla

Nadja Drygallas Verehrer

Über die zweifelhaften Unterstützer der Rostocker Ruderin.

Ruderin Nadja Drygalla hat kein Glück mit ihren Freunden. Nachdem bekannt geworden war, dass die Olympionikin privat mit einem Neonazi verbandelt ist, schickte man sie aus London nach Hause. Jetzt regen sich immer mehr skurrile Stimmen, die die Rostockerin gegen eine angebliche »Hexenjagd« in Schutz nehmen wollen.
Der Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse legte sich schwer für sie in die Riemen. Die Kampagne erinnere ihn an die McCarthy-Ära in den USA, schrieb er in der Neuen Zürcher Zeitung. Und weiter: »Manche glaubten der antidemokratischen Antifa, die Drygalla als Neonazi outete.« Dass es »die Antifa« nicht gibt und das so beschriebene Milieu höchst heterogen ist, muss ein deutscher »Extremismus-Experte« nicht wissen. Anderes wäre nachprüfbar gewesen: So richteten sich die Vorwürfe aus »der Antifa« stets gegen Drygallas Freund. Als einige Medien meinten, die Sportlerin auf einschlägigen Fotos identifiziert zu haben, meldeten Rostocker Antifaschisten sofort Zweifel an. Doch einmal in Fahrt, forderte Jesse weiter, Drygalla müsse wieder in den Polizeidienst und die Sportförderung aufgenommen werden. Zudem riet er von einer Extremismusklausel für Sportler ab. Letzter Punkt ist immerhin amüsant, wurde eine solche Klausel gegen antifaschistische Initiativen doch mit Jesses eigenen Theorien legitimiert.
Zuvor hatte schon »Doris Neujahr«, gewöhnlich das Pseudonym von Thorsten Hinz, in der Jungen Freiheit Brechts »Ballade von der Judenhure Marie Sanders« bemüht. Deren Geliebter hatte allerdings »zu schwarzes Haar«, während NPD-Kandidatur und Kameradschaftsaktivitäten keine angeborenen Merkmale sind. »Doris Neujahr« fühlte sich sogar zu einem Ausflug in die freudianisch inspirierte Medienanalyse bemüßigt: »Ganz klar hat die Kampagne eine sexuelle Konnotation, wie man sie auch in des verklemmten Julius Streichers Stürmer-Propaganda nachgewiesen hat: Da ist die blonde Schöne als Objekt der Begierde, die vom animalischen King-Kong-Nazi in Beschlag genommen wird.« Immerhin, Jahrzehnte kritischer Kultursemiotik sind auch an den »konservativen Revolutionären« nicht spurlos vorbeigegangen.
Schließlich wäre da noch Jürgen Elsässer, der bei Drygalla – »schön, athletisch, strahlend, blond« – selbst ein wenig ins Sabbern geriet: »Für ihre Liebe hat sie, die Unschuldige, sich in Sippenhaft nehmen, ans öffentliche Hakenkreuz nageln lassen.« Was der Jungen Freiheit Brechts Judenhure, ist Elsässer Bölls »Katharina Blum«, an die er sich erinnert fühlt. Mit dem Unterschied, dass Bölls Romanfigur Blum eine Unbekannte war, als sie in die Schlagzeilen gezerrt wurde, während Drygalla loszog, um vor den Kameras der Welt ein Land zu vertreten.
Aber vielleicht wäre die Sportlerin ja genau die Richtige gewesen, Deutschland zu repräsentieren? Angebliche Ahnungslosigkeit und intime Nähe kennzeichneten ja auch den Umgang der Behörden mit dem NSU. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, alles den britischen Gastgebern zu überlassen. Denen wäre schon etwas eingefallen, irgendwas mit Hakenkreuz und U-Boot etwa. Die Medien auf den Inseln sind wenig subtil, wenn es um Nazis geht.
Letztlich bleiben zwei Erkenntnisse: 20 Jahre nach dem Rostocker Pogrom hat man immer noch keine Idee, wie man der Präsenz von Nazis im Alltag begegnen soll. Und für Drygalla gilt: Wer solche Verehrer hat, braucht eigentlich keinen Nazi mehr im Haus.