Glitzer und bebende Brüste

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Um sich an einem verregneten und frostigen Donnerstagabend Ende November noch aus dem Haus zu wagen, braucht es schon einen triftigen Grund. Das Solikonzert für das Missy Magazine mit den Jolly Goods und Peaches ist definitiv einer – trotzdem kostet es Überwindung rauszugehen. Meine Begleitung bleibt daher lieber im Warmen. Da stehe ich also allein mit meinem Bier im ausverkauften Festsaal Kreuzberg und warte, dass es losgeht. Es bleibt genügend Zeit, sich das Publikum einmal genauer anzusehen: Studentisch, feministisch, kurze Haare, Vintage-Klamotten. Das sind wohl die Missy-Leserinnen. Das schwule türkische Pärchen mit Glitzerschminke wird eher wegen Peaches gekommen sein. Bei Bier Nummer drei erscheint dann auf der Bühne eine Frau in blauem Puffärmelkleid. Die Jolly Goods, bestehend aus den Schwestern Tanja Pippi und Angy Lort, klingen wie Patti Smith aus dem Odenwald. Wer mit »Dancing barefoot« groß wurde, weiß, warum das gut ist. Leider dauert die Show mit viel Nebel so lange, dass die Frau auf der Balustrade gegenüber es nicht mehr schafft, die Augen offenzuhalten. Runtergefallen ist sie glücklicherweise nicht. Mittlerweile hat sich der Punker neben mir als verschollener Bekannter entpuppt. Es gibt mehr Bier, mehr Glitzer und dann kommt Peaches. Zeit für Zirkus. Sie wirbelt und turnt durch die Gegend, begleitet von Einhörnern mit bebenden Brüsten, Stieren, Matadorinnen und Konfetti. Eine große queere Freakshow mit Musik, die durch die Ohren rein und irgendwo in der Nähe des Bauchnabels wieder rauskommt. Nach einer Stunde Feuerwerk ist es vorbei und die Menge voller Schampus. Auf dem Klo wird schon gepöbelt. »Ey, du kannst doch jetzt nicht nach Hause gehen!« Bin ich auch nicht. Erst nach einer halben Stunde verzweifelten Umherirrens in Kreuzberg war ein Bus aufzutreiben. Überbleibsel am nächsten Morgen sind ein fieses Rauschen in den Ohren und sonderbare Wiener Telefonnummern im Notizheft. Popfeminismus sei Dank.