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Am 24. Februar wird in Italien gewählt. Der Wahlkampf wird im Zeichen des Populismus geführt und zeigt, wie der Berlusconismus die politische Kultur des Landes geprägt hat.
Der Traum von einem italienischen Pendant zum griechischen Linksbündnis Syriza hat sich nicht erfüllt. Noch im Spätsommer hatte dessen Vorsitzender, Alexis Tsipras, die italienischen Genossen aufgefordert, sich nicht weiter gegenseitig zu »zerfleischen«. Doch obwohl seit Jahren der Wille zur Gründung einer »vereinten und pluralen Linken« bekundet wird, gelingt es nicht, die politischen Kräfte links der Demokratischen Partei (PD) zu bündeln. Italiens Linke präsentiert sich vor den Parlamentswahlen im Februar einmal mehr gespalten.
Nichi Vendola, der Vorsitzende der kleinen Linken Partei »Sinistra Ecologia e Libertà« (Linke, Ökologie und Freiheit, SEL), der als Ministerpräsident in Apulien einer linksliberalen Koalition vorsteht, galt lange als Hoffnungsträger einer neuen, vereinten Linken. Er hatte zunächst sogar seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten in Aussicht gestellt, zog diese aber nach der Inthronisierung der Notstandsregierung unter der Führung von Mario Monti zurück und entschied sich für eine Koalition mit der Demokratischen Partei. Lange bevor der PD-Vorsitzende Pierluigi Bersani im Dezember in Vorwahlen zum Spitzenkandidaten des Mitte-Links-Lagers gekürt wurde, hatte Vendola den Zehn-Punkte-Plan »Gemeingut Italien« unterzeichnet. Unter diesem Titel wurde für den Fall eines Wahlsieges der Linkskoalition ein vorläufiges Regierungsprogramm vereinbart: An erster Stelle stehen das Bekenntnis zu Europa und die Absichtserklärung, zusammen mit den europäischen Sozialisten zu einer »Vertiefung der politischen Einheit der EU« beizutragen. Die weiteren Punkte beziehen sich auf Italien, wobei die Versprechen, wirtschafts- und bildungspolitische Fehlentwicklungen der von Silvio Berlusconi geführten Rechtsregierungen rückgängig zu machen und die soziale Härte von Mario Montis »Reformpolitik« auszugleichen, eher vage bleiben. Abschließend verpflichten sich die Unterzeichner zur Koalitionstreue und zur Einhaltung bereits geschlossener internationaler Vereinbarungen. Die Erfahrung der Vergangenheit, in der Mitte-Links-Regierungen an der vorzeitigen Aufkündigung von Koalitionsvereinbarungen scheiterten, soll sich nicht wiederholen. Dieser letzte Punkt ist bei der Basis von SEL nicht unumstritten, denn damit verpflichtet sich die Partei unter anderem zur Anerkennung des Europäischen Fiskalpakts.
Die Aufkündigung der Austeritätspolitik war dagegen eine der Hauptforderungen der »Arancioni« (Orangefarbenen), eines Bündnisses, das sich Anfang Dezember unter der nicht gerade originellen Wahlkampfparole »Wandel ist möglich« versammelte. Der Versuch, aus einem Sammelsurium von sozialen Bewegungen und kommunistischen Splitterparteien eine linke Alternative zu formen, scheiterte jedoch nach wenigen Wochen. Die vom sizilianischen Anti-Mafia-Staatsanwalt Antonio Ingroia angeführte Wahlliste »Zivilgesellschaftliche Revolution« vereinigt zwar die parteipolitische Restlinke, die »zivilgesellschaftlichen« Initiatoren haben sich jedoch inzwischen mehrheitlich aus dem Wahlbündnis zurückgezogen. Noch ist nicht absehbar, ob die Wahlliste die Vier-Prozent-Hürde im Abgeordnetenhaus überwinden werden. Da die Vereinigung ausdrücklich in Abgrenzung zu Vendolas sozialdemokratischem Kompromiss und zur rechtspopulistischen »Fünf-Sterne-Bewegung« des Komikers Beppe Grillo zustandekam, scheinen Bündnisabsprachen unmöglich. Damit ist allerdings auch ein Einzug in den Senat, wo die Sperrklausel bei acht Prozent liegt, eher unwahrscheinlich.
Aufgrund der wahlrechtlichen Ausgangssituation verteidigt Vendola seine Bündnisabsprache mit der Demokratischen Partei mit den Worten: »Wir sind die Akteure, die das soziale und politische Gleichgewicht der italienischen Gesellschaft nach links verschieben.« Tatsächlich könnte nur mit einem guten Wahlergebnis für die Linkskoalition eine zweite Amtszeit für Mario Monti verhindert werden.
Nach geltendem Wahlgesetz werden die Mehrheitsprämien für den relativen Wahlsieger in den beiden Kammern des Parlaments unterschiedlich verteilt. Im Abgeordnetenhaus wird der Bonus nach dem nationalen Gesamtergebnis vergeben, so dass laut aktuellen Umfragen mit einer komfortablen Stimmenmehrheit für das Linksbündnis zu rechnen wäre. Im Senat wird der Bonus dagegen entsprechend den regionalen Wahlergebnissen verteilt. Sollten mehrere der großen Regionen wie die Lombardei, Kampanien oder Sizilien nicht gewonnen werden, könnte der Linkskoalition die relative Stimmenmehrheit im Senat fehlen. In diesem Fall wären die Demokraten, um eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden, zu einer Koalition mit Montis Wahlbündnis gezwungen.
Nachdem der scheidende Ministerpräsident in Brüssel von der Europäischen Volkspartei (EVP) zum Wunschkandidaten erklärt worden war, gab er kurz vor Weihnachten seine vermeintliche Überparteilichkeit auf. Er tritt seither als Sponsor einer von ihm zusammengestellten Wahlliste mit dem unzweideutigen Namen »Bürgerliche Entscheidung für Monti« an. Darin vertreten sind die christdemokratische Partei UDC und die postfaschistische Splitterpartei FLI.
Die Zentrumsparteien zielen darauf ab, klare Mehrheitsverhältnisse im Senat zu verhindern, um dann ihren Einfluss geltend zu machen. Wiederholt forderte Monti, der PD-Spitzenkandidat müsse sich von den »extremistischen Flügeln« seiner Koalition trennen und die Nähe zu den »rückständigen« Gewerkschaften aufgeben. Bersani reagiert auf die professoralen Anmaßungen mit entlarvender Zurückhaltung: Der PD hält sich die Möglichkeit eines konservativen Bündnisses offen und führt keinen offensiven Wahlkampf gegen Monti, sondern betrachtet weiterhin Berlusconi als den politischen Hauptgegner. Doch trotz dessen Dauerpräsenz auf allen Fernsehkanälen geht es auch für den ehemaligen Ministerpräsidenten nur noch darum, eine linke Senatsmehrheit zu verhindern.
Allerdings zeigt der Wahlkampf, wie stark der Berlusconismus die politische Kultur Italiens geprägt hat. Alle politischen Formationen werden von charismatischen Männern angeführt. Monti hat nicht nur seine Wahlliste, sondern auch sein Wahlprogramm nach sich selbst benannt. Der Komiker Grillo ist sogar rechtlicher Eigentümer seiner Fünf-Sterne-Bewegung, er allein entscheidet, wer das Markenlogo verwenden darf, autoritär vergibt oder entzieht er die Nutzungsrechte.
Die Orangenfarbenen verdanken ihren Zusammenhalt der Autorität Ingroias, weshalb sein Name überdimensional groß auf dem Wahllogo prangt. Komplementär zu den Personalisierungstendenzen verhält sich die Einführung plebiszitärer Elemente. Dass sich Bersani seine Spitzenkandidatur in Vorwahlen bestätigen ließ, festigt die Bindung zwischen dem Parteivorsitzenden und seiner Anhängerschaft. Gleichzeitig leistet das direktdemokratische Wahlverfahren der Ablehnung repräsentativer Strukturen und dem damit verbundenen antiinstitutionellen Ressentiment Vorschub.
Der Furor, mit dem der Bau- und Medienunternehmer Berlusconi vor 20 Jahren gegen die alten Parteien antrat, wütet heute in allen politischen Lagern. Die Empörung über die »Politikerkaste« geht einher mit der Zurückweisung der Rechts-Links-Unterscheidung. Bei Grillo gipfelte sie vergangene Woche in der Aufkündigung des antifaschistischen Nachkriegskonsenses, indem er offen, wenngleich nicht zum ersten Mal, mit den Faschisten der Bewegung »Casa Pound« sympathisierte.
Auch die anderen Parteien setzen auf das mutmaßlich überparteiliche Engagement, stellen aber je nach politischer Anschauung ihre eigenen »Protagonisten der Zivilgesellschaft« zur Wahl. Entsprechend der liberalen Tradition optieren für Montis »Bürgerliche Entscheidung« Vertreter der Wirtschaft, der Universität und der Kirche. Das Bündnis Bersani-Vendola setzt in der kommunistischen Tradition Antonio Gramscis auf kulturelle Hegemonie und lässt unter Einhaltung der Kriterien des gender mainstreaming Gewerkschafter und Journalistinnen kandidieren. Dass die »Zivilgesellschaftliche Revolution« ausgerechnet von Staatsanwalt Ingroia angeführt und von einigen seiner ehemaligen Kollegen unterstützt wird, enthüllt die normative, strafrechtliche Motivation des engagierten Gutmenschen.
Der juristische Eifer richtet sich dabei nicht nur gegen mafiöse Machenschaften, sondern immer öfter auch gegen linke Bewegungen. Vergangene Woche wurden in Rom sechs Personen, die sich im Oktober 2011 an einer Demonstration beteiligt, hatten, die mit Krawallen endete, auf Grundlage eines aus dem faschistischen Strafgesetz übernommenen Paragraphen wegen »Plünderung und Verwüstung« zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Einem der Verurteilten konnte nicht einmal Sachbeschädigung nachgewiesen werden, sein Vergehen besteht darin, dass er auf Bildmaterial identifiziert werden konnte, wie er lachend in der Nähe eines ausbrennenden Fahrzeugs der Carabinieri steht. Die unverhältnismäßig harte, auf Einschüchterung abzielende Repression des sozialen Konflikts ist zivilgesellschaftlicher Konsens. Auf Ingroias Wahlliste kandidiert nicht zufällig auch der ehemalige Staatsanwalt Antonio Di Pietro, der sich in der Vergangenheit gegen die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zur Polizeigewalt in Genua 2001 ausgesprochen hat.
Der Auseinandersetzung mit diesem parteiübergreifenden Strafrechtspopulismus, der tendenziell den gesellschaftspolitischen Konflikt kriminalisiert, werden sich die linksradikalen Bewegungen stellen müssen, auch wenn sie sich ansonsten als »externe und desinteressierte Beobachter« des Wahlkampfs verstehen.