Deutsche Rüstungsexporte in alle Welt

Die Welt bewaffnen

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Besonders beliebt sind deutsche Rüstungsgüter bei den Machthabern der Golfmonarchien.

»Es scheint seit etwa zwei Jahren einen klaren Willen zur Lieferung größerer Rüstungsmengen aus Deutschland zu geben«, sagt Pieter Wezeman vom Stockholm International Peace Research Institute (Sipri). Der Mann weiß, wovon er spricht. Am Montag vergangener Woche veröffentlichte das Institut eine Liste der 100 größten Rüstungsunternehmen der Welt. Angeführt wird diese zwar nach wie vor von den US-Konzernen Boeing und Lockheed Martin, aber schon auf dem siebten Platz findet sich die deutsch-europäische EADS. Das Unternehmen verkaufte 2011 Rüstungsgüter im Wert von 16,39 Milliarden US-Dollar, der Gesamtumsatz liegt mit rund 68,3 Milliarden US-Dollar knapp hinter dem des Konkurrenten Boeing. Einen Beleg für die von Wezeman diagnostizierte Entwicklung liefern vor allem die Daten über die Waffenbauer Rheinmetall, Thyssen-Krupp und Diehl. Rheinmetall konnte den Wert seiner Rüstungsverkäufe innerhalb eines Jahres um 320 Millionen US-Dollar steigern und kletterte dadurch von Rang 32 auf Rang 26 der Sipri-Liste. Thyssen-Krupp machte mit einer Steigerung seiner Verkaufserlöse um 740 Millionen US-Dollar gleich acht Plätze gut und liegt nun auf Rang 49. Diehl rückte auf die 60. Position vor; der Wert der Waffendeals der Firma stieg von 1,2 Milliarden US-Dollar (2010) auf 1,38 Milliarden US-Dollar (2011).

Dass die Produkte deutscher Rüstungsunternehmen dabei tatsächlich zu einem immer größeren Teil ins Ausland geliefert werden, bestätigt der jüngste Rüstungsexportbericht der Bundesregierung. Danach erteilte das Bundeswirtschaftsministerium 2011 Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von insgesamt 5,414 Mil­liarden Euro, 2010 waren es 4,754 Milliarden. Noch deutlicher fällt die Steigerung aus, wenn man den kommerziellen Kriegswaffenexport in Länder betrachtet, die weder der EU noch der Nato angehören oder deren Mitgliedstaaten gleichgestellt werden. 2002 lag der entsprechende Wert bei 2,8 Millionen Euro, 2011 bei 842,8. In nur zehn Jahren haben deutsche Rüstungsproduzenten also den Wert ihrer Kriegswaffenausfuhren in sogenannte Drittstaaten um das Dreihundertfache gesteigert. Mittlerweile ist Deutschland nach den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt.
Besonders beliebt sind deutsche Rüstungsgüter offenbar bei den diktatorisch regierten Ölmonarchien am Persischen Golf. So erhielten die Vereinigten Arabischen Emirate 2011 Kriegsgerät im Wert von 356,9 Millionen Euro und avancierten damit zu einem der wichtigsten Abnehmer deutscher Rüstungsfirmen – gleich nach den Niederlanden und den USA. Gefragt waren unter anderem Torpedos, besonders gesicherte Geländewagen, Teile für Patrouillenboote, Minenjagdboote und Panzer sowie allerlei militärische Kommunikations- und Kampfausrüstung. Nach Saudi-Arabien lieferten deutsche Konzerne Rüstungsgüter im Wert von 139,5 Millionen Euro, darunter unbemannte Flugsysteme (Drohnen), Teile für Kampfjets sowie Gewehre, Maschinenpistolen, Pistolen und Schalldämpfer samt diversen Zielvorrichtungen und Munitionsarten. Im vergangenen Jahr wurde darüber hinaus bekannt, dass Saudi-Arabien gegenüber der Bundesregierung und der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) die Absicht bekundet hat, bis zu 800 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A7+ zu kaufen, die besonders für Militäroperationen in Städten geeignet sind (Jungle World 33/2012). Passend hierzu erklärte Wezeman jüngst, die saudischen Machthaber wollten »in der Lage sein, jeden inneren Aufruhr zu unterdrücken«.
Derzeit sorgt ein weiterer in Aussicht stehender Waffendeal mit der saudischen Monarchie für Aufsehen. Wie Bild am Sonntag berichtete, will das Königshaus Patrouillenboote für insgesamt 1,5 Milliarden Euro von der Bremer Lürssen-Werft kaufen. Im Bundestag hat dies harschen Protest von den Oppositionsparteien hervorgerufen. »Die Bundesregierung will offenbar Saudi-Arabien total hochrüsten und hat aus den öffentlichen Protesten gegen Waffenlieferungen in dieses Land nichts gelernt«, erklärte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Auch seine Kollegin Katja Keul von den Grünen sparte nicht mit Kritik – und verwies gleichzeitig auf das Motiv der Bundesregierung, die mit Hilfe von Saudi-Arabien den iranischen Einfluss im Nahen Osten eindämmen will: »Frau Merkel irrt, wenn sie glaubt, der Feind eines Feindes sei für Deutschland automatisch ein strate­gischer Partner.« Für den stellvertretenden Vorsitzenden der Partei »Die Linke«, Jan van Aken, ist es ohnehin längst an der Zeit, »alle Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen«. Während die Bundesregierung ihrerseits mit Hinweis auf den »Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen« zu dem geplanten Rüstungsdeal schweigt, geht die Bremer CDU in die Offensive: Deren Sprecher für Wirtschaft und Arbeit, Jörg Kastendiek, ließ per Pressemitteilung wissen, er freue sich für die Lürssen-Werft und über das »Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie«. Zudem wurde unlängst bekannt, dass das Bundeswirtschaftsministerium 2012 Rüstungsexporte im Wert von 1,237 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien genehmigt hat. Mit 1,1 Milli­arden Euro schlagen dabei allein von EADS gelieferte »Grenzsicherungssysteme« zu Buche – Zäune, Infrarotkameras, Bodenradar und Anlagen für die Überwachung von Flughäfen und Häfen.

Die deutsche Rüstungsindustrie hat unterdessen in der vergangenen Woche ihre Leistungsfähigkeit auf der International Defence Exhibition (Idex) in Abu Dhabi präsentiert. Unter der Schirmherrschaft von Sheikh Khalifa bin Zayed al-Nahyan, dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und Oberkommandierenden der dortigen Armee, fand hier den Veranstaltern zufolge die »strategisch wichtigste« Waffenschau der Welt statt. Man biete den Ausstellern eine »einzigartige Plattform«, um ihre Beziehungen zu staatlichen Stellen, Unternehmen und Armeen der gesamten Region Nahost/Nordafrika zu stärken, hieß es in einer Selbstdarstellung. Deutschen Rüstungsunternehmen wie etwa Rheinmetall kommt dies sehr entgegen, zählen sie nach eigenen Angaben doch ebenfalls den Mittleren Osten zu den »sicherheitspolitischen Schlüsselregionen« – und den wichtigsten Exportmärkten.
Folgerichtig gab Rheinmetall auf der Idex einen »Überblick über sein Produktportfolio«. Präsentiert wurden laut Unternehmen unter anderem der Pionierpanzer »Kodiak«, diverse Aufklärungs- und Überwachungssysteme, Flugabwehrgeschütze sowie das gepanzerte Transportfahrzeug Boxer, das die Bundeswehr in Afghanistan einsetzt und für das sich neuerdings auch Saudi-Arabien brennend interessiert. Diehl zeigte seiner Eigenwerbung zufolge »Lenkflugkörper, ein Luftkampf-Trainingssystem sowie Mittel- und Großkalibermunition für Infanterie und Marine«. Die Rüstungssparte des EADS-Konzerns, Cassidian, ließ wissen, dass man auf der Idex zahlreiche »innovative Qualitätsprodukte« vorführe, darunter Drohnen für »alle Arten« von Spionage-, Überwachungs- und Aufklärungsmissionen – militä­rische wie polizeiliche. Insgesamt waren auf der Idex 69 deutsche Rüstungsunternehmen vertreten, unter anderem auch die, die in der Liste des Sipri verzeichnet sind: KMW präsentierte seinen Leopard-Kampfpanzer, Thyssen-Krupp seine Kriegsschiffe.
Die Messe in Abu Dhabi dürfte einen weiteren Beitrag dazu geleistet haben, die deutschen Waffenausfuhren zu steigern. Während der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) dies laut FAZ für eine »ganz schlimme Entwicklung« hält, wissen hiesige Rüstungsunternehmen die Gewerkschaft IG-Metall fest an ihrer Seite: Schon 2010 erklärte deren Vorstand in einer Studie über den »militärischen Schiffbau«, in Anbetracht mäßig wachsender inländischer Verteidigungsbudgets bleibe »nur der Weg, die Export-Anstrengungen auf dem weltweiten Rüstungsmarkt zu erhöhen«.