Mietpolitische Forderungen in den Wahlprogrammen der Parteien

Luxuslofts zu Schnäppchenpreisen

Angesichts der anstehenden Bundestagswahl bemüht sich mittlerweile sogar die CDU um ein mieterfreundliches Image.

Der Kampf der Palisadenpanther war erfolgreich. So nannte sich eine Gruppe von Senioren, die in den vergangenen Monaten in der Berliner Mieterbewegung aktiv waren. Benannt haben sie sich nach der Palisadenstraße im Stadtteil Friedrichshain, dort leben sie in einer Seniorenwohnanlage. Im Sommer vorigen Jahres hatte der Eigentümer angekündigt, die Miete nach dem Wegfall der Anschlussförderung für die Sozialwohnungen zu verdoppeln. Ein Großteil der Mieter hätte dann ausziehen müssen. Doch sie wehrten sich, organisierten Demonstrationen und schafften es, das Interesse von Politikern für ihre Ziele zu wecken.
Im Mai hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Eigentümer der Häuser eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Damit werde sichergestellt, dass die Bestandsmieter in den senioren- und behindertengerechten Wohnungen zu bezahlbaren Mieten bleiben können, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Er wertet dies als großen Erfolg. Kritischer beurteilt die Friedrichshainer Mieterinitiative »Keine Rendite mit der Miete« das Ergebnis.
»Da die Vereinbarung dem Eigentümer erlaubt, den Großteil der freiwerdenden Wohnungen in der Palisadenstraße zum Marktpreis zu vermieten, ist bei der Altersstruktur der Bewohner klar, dass noch immer hohe Profite mit diesen Wohnungen gemacht werden könnten«, moniert eine Vertreterin der Gruppe.
Zwar erzielten die Palisadenpanther einen Erfolg im Kampf gegen zu hohe Mieten, doch es ist vor allem das Bezirksamt, welches sich diesen gutzuschreiben versucht. So heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Schulz und dem Eigentümervertreter: »Diese Kooperationsvereinbarung zwischen Bezirk und Eigentümer / Vermieter ist einmalig. Im Bestand der fast 28 000 Sozialwohnungen, denen durch Senatsbeschluss keine Anschlussförderung mehr gewährt wurde, sind die meisten Mieter nach kurzer Zeit vertrieben worden. Die Wohnungen wurden zu Ferienwohnungen umgewandelt oder als Eigentumswohnungen auf den Markt gebracht. Hier verbleiben die Mieter weiter in Ihrer Wohnung zu verlässlichen Konditionen.«

Ob es sich hierbei um eine Vereinnahmungsstrategie der Grünen handelt oder ob die Politik beginnt, auf den Protest von Mietern zu reagieren, war ein Streitpunkt bei der Diskussionsveranstaltung »Wohnraumkämpfe zwischen realpolitischer Drecksarbeit, praktischer Solidarität und revolutionärer Enthaltung«, an der sich in Berlin vorige Woche mehrere Gruppen beteiligten. Ein Mitglied der Stadtteilinitiative »Kotti & Co«, die seit über einem Jahr für den Erhalt des sozialen Wohnungsbaus kämpft, warnte vor übertriebenem Optimismus. »Unser Ziel ist es, die Miete zu senken. Uns droht aber die Zeit davonzulaufen, weil schon viele einkommensschwache Menschen weggezogen sind«, lautete sein pessimistisches Fazit. Gespräche mit Politikern hielt er angesichts dieser Entwicklung für unumgänglich. Er machte auch deutlich, dass es ein Unterschied sei, ob eine autonome Gruppe den Dialog mit den Politikern ablehne oder ob eine Stadtteilinitiative, in der sich Menschen engagieren, die bisher immer ausgegrenzt waren, mit den Politikern spreche. Eine Rednerin des Bündnisses gegen Zwangsräumungen, das in Berlin in den vergangenen Monaten Elemente des zivilen Ungehorsams in die Mieterbewegung brachte, lehnte Gespräche mit Politikern und Institutionen ebenfalls nicht ab, sofern es darum gehe, Zwangsräumungen zu verhindern.
Mittlerweile haben sich auch in Nordrhein-Westfalen Bündnisse gegründet, um Zwangsräumungen zu verhindern. Dass solche Gruppen stärker zusammenarbeiten müssen, wird in der Mieterbewegung schon länger betont. Doch mit der praktischen Umsetzung hat es oft gehapert, weil die Gruppen schon mit ihrer Arbeit an Ort und Stelle überlastet sind. Nun soll mit der vielbeschworenen Kooperation Ernst gemacht werden. Organisationen aus bisher elf Städten wollen vom 22. bis zum 29. Juni unter dem Motto »Keine Profite mit der Miete« eine bundesweite Aktionswoche veranstalten. Die geplanten Aktivitäten reichen vom Straßenfest über Filmvorführungen bis zu Blockaden. Im Aufruf heißt es: »Mittlerweile regt sich in vielen Städten Widerstand derjenigen, die nicht auf die Sonntagsreden der Politiker vertrauen, sondern wegen dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen schon mit dem Rücken an der Wand stehen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.« Ob gerade diese Menschen die Kraft, die Zeit und die Möglichkeiten für die Teilnahme an einem solchen selbstorganisierten Widerstand haben, wird sich zeigen.
Mittlerweile haben fast alle Parteien angesichts der anstehenden Bundestagswahl ihre Wahlprogramme mit Forderungen versehen, die mieterfreundlich klingen. Auch die CDU hat angesichts der steigenden Mieten eine Begrenzung der Miete bei Neuvermietungen angekündigt und gibt unumwunden zu, dass sie diese Forderung aus dem SPD-Wahlprogramm übernommen hat. Ihr Koalitionspartner FDP sieht dadurch jedoch das Recht der Investoren auf Profite eingeschränkt und lehnt solche Forderungen ab. Allerdings hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich gemacht, dass die »Mietbremse« nicht den Neubau von Wohnungen verhindern dürfe. Da reduzierte Profiterwartungen für das Kapital immer ein Investitionshindernis darstellen, ist fraglich, was von solchen Plänen praktisch umgesetzt würde, wenn beispielsweise in einer Großen Koalition die politische Mehrheit vorhanden wäre.

Die Mieterverbände sind zumindest skeptisch. »Deutschland, einig Mieterland?« fragte das Mieterecho, die Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft, angesichts solcher Ankündigungen ironisch und lieferte gleich die Antwort. »Ohnehin gibt es wenig Grund, den taktischen Schwenk der Kanzlerin für bare Münze zu nehmen. Erst vor wenigen Monaten war ihre Partei federführend an einer Mietrechtsnovelle beteiligt, mit der Mieterrechte drastisch eingeschränkt und kostenintensive Modernisierungen erleichtert werden.«
Und Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, hat vorige Woche mit Rolf Kleine einen Mann zu seinem neuen Pressesprecher ernannt, der nach Einschätzung der Süddeutschen Zeitung das Image der SPD als Mieterpartei schädigen könnte. Kleine, der lange als Journalist für die Bild-Zeitung gearbeitet hat, war ab Februar 2012 Cheflobbyist der Immobilienfirma Deutsche Annington, die mit einem Bestand von 210 000 Wohnungen Deutschlands größter Vermieter ist.

»Das Unternehmen steht nicht gerade im Ruf, des Mieters bester Freund zu sein«, kommentierte die Süddeutsche Zeitung. Hinter dem Unternehmen steht eine auf Rendite ausgerichtete Private-Equity-Gesellschaft, die Londoner Terra Firma Capital Partners. Wie die Zeitung berichtete, hat die Deutsche Annington ihren gesamten Mieterservice in Bochum zentralisiert und Hausmeisterdienste auf einige wenige Firmen konzentriert, um die Rendite zu erhöhen. Demnächst steht der Börsengang an. Die Einschätzung des Mieterechos zur künftigen Mietpolitik dürfte daher der Realität entsprechen. »Irgendetwas wird sich die künftige Bundesregierung – egal, wer ihr angehört – zur Mietenexplosion besonders in einigen Großstädten und Ballungsräumen einfallen lassen müssen. Sicher ist allerdings, dass es für Mieter nicht der ›große Wurf‹ sein wird.«