Über Krawalle in Hamburg-Altona

Kontrollgang im Stolperviertel

Im Hamburger Stadtteil Altona lieferten sich Jugendliche mehrere Nächte lang Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Gewerkschaft der Polizei spricht von »verfehlter Integrationspolitik«. Die Bewohner protestieren gegen rassistische Polizeikontrollen.

»Schluss mit den rassistischen Polizeikontrollen!« – Unter diesem Motto demonstrierten am vergangenen Samstag über 1 000 Menschen in Hamburg-Altona. Anlass waren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei einerseits und in dem Stadtteil lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen andererseits. Seit Beginn der Hamburger Sommerferien Ende Juni hatte die Polizei mit einer großen Anzahl an Beamten in Altona Präsenz gezeigt und gezielt junge Menschen, denen die Beamten einen Migrationshintergrund zuschrieben, teilweise mehrmals täglich kontrolliert und durchsucht.
In der vorvergangenen Woche eskalierte die Lage. Die Polizei kesselte 16 Personen ein, nachdem sich Autofahrer darüber beschwert hatten, aus dieser Gruppe heraus mit Laserpointern ­geblendet worden zu sein. Etwa 150 Anwohner solidarisierten sich mit den Festgesetzten, rund 100 Polizeibeamte setzten daraufhin Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Die Auseinandersetzungen gingen in den folgenden zwei Nächten weiter, dabei wurden mehrere Autos in Brand gesetzt, Steine flogen. Wie sich später herausstellte, ­hatten die Beamten bei keinem der 16 festgenommenen Jugendlichen einen Laserpointer gefunden.

Offensichtlich hatte die Polizei nicht mit derartigen Reaktionen der Anwohner gerechnet. ­Eilig schob sie in Presseerklärungen nach, dass eine Jugendgang in dem Stadtteil Straftaten ­begangen habe, auf die sie habe reagieren müssen. Die Lokalpresse sekundierte mit einer Bericht­erstattung über die »Krawallnächte« und bezeichnete den Stadtteil als »Stolperviertel«, in dem es vermehrt zu Kriminalität gekommen sei. Dieser Name, der sich angeblich auf das Kopfsteinpflaster in den Altonaer Straßen bezieht, war eine phantasievolle Neuschöpfung, mit der offenbar das Bild eines von Migranten beherrschten, gefährlichen Viertels erzeugt werden sollte.
Aufklärung über die tatsächlichen Motive der Polizei lieferte Gerhard Kirsch, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). »Meine Kolleginnen und Kollegen haben das auszubaden, was eine verfehlte Integrationspolitik angerichtet hat«, schrieb er auf der Homepage der GdP. In der Hamburger Ausgabe der Taz erläuterte Kirsch das polizeiliche Vorgehen: »Es wurde nachgeschaut, was die in den Taschen haben.«
Anfang Juni war das benachbarte Schanzenviertel zum »Gefahrengebiet« erklärt worden, eine von Juristen als grundrechtlich hochproblematisch kritisierte Maßnahme, die es Beamten erlaubt, dort täglich von 13 bis vier Uhr früh verdachtsunabhängig Personen zu kontrollieren. In Altona verzichtete die Polizei darauf, ein »Gefahrengebiet« auszurufen und so zumindest den Anschein von Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Ein Großteil der im Viertel lebenden Menschen wurde einfach unter Generalverdacht gestellt. So klingt die Forderung des Polizeigewerkschafters Kirsch nach einem »auf die Migranten abgestimmten Maßnahmenbündel, das geeignet ist, die sozialen Schieflagen zu beseitigen«, auch eher wie eine Drohung.

Vor allem aber zeigt das Vorgehen der Hamburger Polizei den Fortbestand einer rassistischen Grundhaltung. 13 Jahre sind seit dem Mord des Nationalsozialistischen Untergrunds an Süleyman Taşköprü in Hamburg und den sich anschließenden polizeilichen Ermittlungen vergangen, die nahezu ausschließlich auf das soziale Umfeld des Ermordeten abzielten. Die Polizei pflegt offensichtlich weiterhin ein Feindbild, das vor allem von rassistischen Ausschlusskategorien bestimmt wird. Kirsch belehrt zwar die Anwohner, dass »das Aufgehen in Selbstmitleid, Selbstisolation und die Einstellung, dass immer andere Schuld an ihrem Los sind«, eine gesellschaftliche Integration verhindere. Doch tatsächlich versucht die Polizei, die längst vollzogene gesellschaftliche Integration rückgängig zu machen.