Die sächsische Landeszentrale sucht den Dialog mit der NPD

Lass uns reden mit der NPD

Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung stellt sich als überparteilich dar. Die Überparteilichkeit geht so weit, dass sie auch den Dialog mit der NPD pflegen wollte.

Ihm sei in seinem Leben schon oft gesagt worden, mit wem er reden dürfe und mit wem nicht. Er habe sich aber nie an diese Vorgaben gehalten. Das stellte Frank Richter am 20. November in seiner Eröffnungsrede anlässlich einer Tagung im Dresdener Hygienemuseum klar. Der derzeitige Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Po­litische Bildung ist ein gefeierter Protagonist des Herbstes 1989 in Dresden. Als Mitbegründer der »Gruppe der 20« vermittelte der damalige Domvikar in der sächsischen Landeshauptstadt zwischen der DDR-Staatsmacht und den Demonstranten. Dafür wurde er in den Folgejahren mehrfach ausgezeichnet. Das Reden mit anderen habe bei ihm zu Ergebnissen geführt, die sich sehen lassen könnten, betonte er in seiner Rede. »Mir wird man dies auch in Zukunft nicht abgewöhnen können«, war sein letzter Satz. Dann erhielt er tosenden Applaus im Veranstaltungssaal.

Vor der Tagung »Schneller, höher, älter – Sachsen 2030«, deren Eröffnungsrede Richter hielt, war es zu heftigen Debatten gekommen. Richter hatte für das Abschlusspodium Vertreter aller Fraktionen des Sächsischen Landtags eingeladen. So hatte auch die NPD eine Einladung der Landeszent­rale erhalten, um über ihre Vorstellungen von Sachsen im Jahr 2030 zu sprechen. In Einzelgesprächen konnte Richter vor der Tagung auch die Fraktionen der Grünen, der Linkspartei und der SPD von einer Teilnahme überzeugen. In Interviews verteidigte Richter die Einladung der NPD damit, dass man die Neonazis nicht »exkommunizieren« dürfe und dass ihr Ausschluss in den vergangenen Jahren nichts bewirkt habe. Nachdem unterschiedliche Medien vorab kritisch über die Teilnahme der NPD an der Veranstaltung berichtet hatten, zogen die Oppositionsfraktionen des Sächsischen Landtags ihre Teilnahme zurück. Richter habe »sich leider verrannt«, urteilte die SPD in einer Presseerklärung. Die Ausgangslage habe sich geändert, schrieben die Grünen. Und »angesichts der Zuspitzung der Situation in Schneeberg« habe es sich die Fraktion »Die Linke« anders überlegt.
Nach den Absagen der drei Fraktionen strich Richter die Podiumsdiskussion als Programmpunkt der Tagung. Nur die Regierungsparteien CDU und FDP standen weiterhin hinter der Landeszentrale. Wie Richter selbst bedauerte auch die CDU in einer Presseerklärung die Absagen. Die Diskussion über die Teilnahme der NPD sei »eskaliert«, eine »sachbezogene Auseinandersetzung zum Thema« sei nicht mehr möglich gewesen. Richter und die sächsische CDU beriefen sich dabei auf den Grundsatz der Überparteilichkeit, dem die Landeszentrale verpflichtet sei.
Auf der Homepage der Landeszentrale rühmt sich Richter damit, die Auseinandersetzungen um den 13. Februar in Dresden in den vergangenen beiden Jahren befriedet zu haben. Sein Ziel sei ab 2012 die »Zurückdrängung von gewalttätigen Auseinandersetzungen von rechts- und linksextremistischen Gruppen« in Dresden gewesen. Seine Moderation der städtischen »Arbeitsgemeinschaft 13. Februar« habe maßgeblich dazu beigetragen, dass dies erreicht worden sei, heißt es in der Selbstdarstellung.
Nach diesem Vorbild hat die Landeszentrale vor einigen Monaten das Projekt »Kommunen im Dialog« (KiD) ins Leben gerufen. Es soll Kommunen »bei politischen Meinungs- und Willensbildungsprozessen« unterstützen und »die kommunale Streit- und Mitwirkungskultur und den Erfahrungsaustausch« fördern. In der Beschreibung der Landeszentrale wird ausdrücklich auf die Überparteilichkeit des Projekts hingewiesen.
Ganz überparteilich bleibt der Behördenleiter Richter jedoch nicht immer. Auf die Proteste gegen die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Chemnitz angesprochen, verteidigte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA die Anwohner gegen den Vorwurf, sie handelten aus fremdenfeindlichen Motiven. Bei den Personen, die gegen das dortige Asylbewerberheim protestierten, handele es sich um »Bürger wie ich und du, die mit guten Gründen auf verschiedene Probleme aufmerksam gemacht haben«.
KiD ist mittlerweile in Chemnitz und Schneeberg, wo Anwohner und NPD ebenfalls gegen eine Flüchtlingsunterkunft protestieren, in die Moderation kommunaler Konflikte eingebunden. Ob Mitarbeiter des Projekts auch moderieren, wenn die NPD an den Diskussionen in der Gemeinde teilnehmen möchte, konnte der zuständige Pressesprecher der Landeszentrale der Jungle World trotz mehrmaliger Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht mitteilen.
Hauptredner auf der Tagung am 20. November, die ohne die NPD auskommen musste, war der Dresdener Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Richter kündigte ihn als Mitglied des Kuratoriums und »treuen Begleiter der Landeszentrale« an. In seinem Vortrag über den »zukunftsträch­tigen Patriotismus« plädierte Patzelt für eine moderne Einwanderungsgesellschaft, die sich humanitären Zielen verpflichtet. Diese kann aus Patzelts Sicht allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn unter den Deutschen eine »Liebe zur Heimat und zum Vaterland im Dienst des Gemeinwesens« existiere. »Als deutscher Patriot sollte man über ein Gesamtverständnis deutscher Kultur und Geschichte von über 1 000 Jahren verfügen, die sich nicht auf zwölf Jahre begrenzen lässt«, mahnte Patzelt.
Im Dezember eröffnet die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung eine neue Veranstaltungsreihe. Jeden ersten Donnerstag im Monat wird Patzelt in einer Online-Sendung der Landeszentrale erklären, wie Politik funktioniert. »Aktualität und Unterhaltung sind garantiert«, verspricht die Landeszentrale in ihrem Newsletter.