Schleppen statt abschieben

<none>

»Aber vor jedem ehrlichen Schlepper (...) habe ich Achtung. Er ist ein Dienstleister, der eine sozial nützliche Tätigkeit verrichtet und dafür auch Anspruch hat auf ein angemessenes Honorar.« Diese Sätze stammen von dem Österreicher Michael Genner, Obmann der Flüchtlingsberatungsorganisation Asyl in Not. In einem Artikel hatte er im August 2013 seine Solidarität mit den »ehrlichen Schleppern« bekundet. Ab Donnerstag hätte sich Genner dafür vor Gericht verantworten müssen. Die »Gutheißung einer mit Strafe bedrohten Handlung« kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Doch der staatsanwaltliche Verfolgungseifer hat eine beachtliche Solidaritätswelle ausgelöst. Professorinnen und Professoren, Journalisten und viele andere erklären seit Bekanntwerden der Anklage öffentlich ihre Unterstützung für Genner. »Nicht Genners Aussage über ›Schlepper‹ verstößt gegen mein Rechtsgefühl, sondern der Versuch, einen Kämpfer für die Menschenrechte mundtot zu machen«, schreibt einer der Unterstützer. In den sozialen Netzwerken wird zur »solidarischen Prozessbeobachtung« aufgerufen.
In den sechziger und siebziger Jahren kämpfte Genner als Mitglied einer K-Gruppe in Wien gegen Privatisierung und repressive Erziehungsheime und machte erste Erfahrungen mit Gerichtsverfahren. In der Flüchtlingspolitik ist er seit 1989 aktiv. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Menschenrechtspreisen ausgezeichnet. Dass er die Justiz nicht fürchtet, demonstrierte er im Laufe seines politischen Lebens immer wieder. Ob er einen Aufruf zur Befehlsverweigerung vor Soldaten verlas oder öffentlich dazu aufrief, von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge zu verstecken – stets war ihm der Staat auf den Fersen. 2007 schrieb er anlässlich des Todes der ehemaligen österreichischen Innenministerin Liese Prokop: »Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot.« Wegen »posthumer Ehrenbeleidigung« wurde er daraufhin zu einer Geldstrafe verurteilt. Er bleibt kämpferisch. In seinem beanstandeten Artikel richtet er sich an seine Kritiker: »Für Gesinnungslumpen, die glauben, sie müssten sich davon distanzieren, habe ich nur Verachtung.« Dass der Gerichtssaal für ihn zur politischen Bühne werden würde, war abzusehen. Doch am Dienstag erteilte die Oberstaatsanwaltschaft Wien nun die Weisung, den Strafantrag wieder zurückzuziehen.