»Die Rechte« in Dortmund

Mit einem Schlag aus dem Rathaus

Bundesweit ist »Die Rechte« bedeutungslos. Lediglich in Dortmund wird die Partei öffentlich auffällig, auch nach dem Rückzug Siegfried Borchardts aus dem Stadtrat.

Die Bilanz der Partei »Die Rechte« für das erste Halbjahr ist negativ. Die Teilnahme an den Europawahlen war mangels Unterschriften nicht möglich, bei den Kommunalwahlen stand »Die Rechte« im Schatten der selbst nur mäßig erfolgreichen NPD, die Wiederwahl des Parteivorsitzenden Christian Worch Anfang Juli war lange unsicher. Gäbe es nicht Dortmund, würde die Partei in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
In der Stadt im östlichen Ruhrgebiet setzt sich ein in die Jahre gekommener Neonazi immer wieder medienwirksam in Szene: Siegfried Borchardt, auch bekannt als »SS-Siggi«. Bei der Kommunalwahl im Mai gelang ihm der Einzug in den Stadtrat und die Bezirksvertretung – was seine Anhänger und er mit einem anschließenden Rathaussturm feierten. Vor kurzem gab Borchardt sein Mandat jedoch an den Landesvorsitzenden von »Die Rechte«, Dennis Giemsch, weiter. Er habe gesundheitliche Probleme und wolle sich auf die Arbeit im Bezirk konzentrieren, wo er im direkten Kontakt zu seiner Klientel stehe, gab Borchardt als Grund an.

Für viele kam der Rücktritt nicht überraschend. »Borchardt hat als Zugpferd der Partei für die nötigen Stimmen gesorgt«, sagt Alexander Häusler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Borchardt lebt von seinem Ruf als ehemaliger Anführer der Borussenfront, einer neonazistischen Hooligan-Gruppe, die vor allem in den achtziger Jahren ihr Unwesen trieb und damals mit der später verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Michaels Kühnens kooperierte. Mittelfristig, nimmt Häusler an, werde in der Szene ein Generationswechsel stattfinden. Die Leute um Borchardt, die allesamt das Alter von 60 Jahren überschritten haben, könnten von den ehemaligen Mitgliedern des verbotenen Nationalen Widerstands Dortmund um Giemsch abgelöst werden.
»›Die Rechte‹ ist als organisatorisches Dach militanter Neonazistrukturen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ein Faktor«, sagt Häusler. Das Erringen des Mandats in Dortmund war dabei überlebenswichtig. Seit ihrer Gründung wird »Die Rechte« als Nachfolgeorganisation der verbotenen Kameradschaften vom nordrhein-westfälischen Innenministerium beobachtet. Der offizielle Status als Partei, die an Wahlen teilnimmt und Mandate erringt, erschwert einen Verbotsantrag. Sie muss allerdings weiterhin nachweisen, dass sie tatsächlich politisch tätig ist.
Die kommunalpolitischen Aktivitäten der Partei dürften sich auf Dortmund und die umliegenden Kreise Hamm und Unna konzentrieren. Versuche, sich bundesweit zu etablieren, haben bislang keinen Erfolg gezeigt. Der geplante Antritt zur Europawahl ist auch am fehlenden Engagement der Mitglieder gescheitert, weshalb der Parteivorsitzende Worch zunächst zögerte, noch einmal zur Wahl als Vorsitzender anzutreten.
In Dortmund ist »Die Rechte« mittlerweile mit der rivalisierenden NPD ein Bündnis eingegangen. »Die Kooperation hat rein finanzielle und logistische Grunde«, sagt Häusler. Zusammen erreichten die beiden Parteien etwa zwei Prozent der Stimmen, »Die Rechte« wurde von 2 101, die NPD von 1 827 Dortmundern gewählt. Durch den Zusammenschluss zu einer Ratsgruppe haben die Parteien nun ein Anrecht auf eine finanzielle Unterstützung von etwa 42000 Euro aus der Stadtkasse.
Dennoch verwundert der Schritt. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Parteien. So wurde unter anderem das NPD-Ratsmitglied Axel Thieme mehrfach tätlich angegriffen. Mittlerweile trifft man sich jedoch wieder zu Export und Dortmunder Korn in den einschlägigen Eckkneipen. »Die Kreisverbände in Dortmund, Hamm und Unna unterwandern den Abgrenzungsbeschluss der Bundes-NPD schon seit längerem«, sagt Häusler. Diese Kreisverbände sorgen so bei der Parteiführung der NPD, die angesichts des laufenden Verbotsverfahrens um einen legalen Anstrich bemüht ist, für Unmut.
Denn der Übergang von der legalen Arbeit von »Die Rechte« in den Parlamenten zu den militanten Aktionen ist fließend. Dortmund hat sich dabei zu einem der wichtigsten Zentren dieser Szene entwickelt, mit allem, was dazugehört: Schlägertrupps, Abgeordnete, Kneipen und Versandhandel. Auch Rechtsrock-Bands wie Oidoxie und Weisse Wölfe um den Neonazi-Kader Marco Gottschalk kommen aus der Stadt. Nach Informationen des Verfassungsschutzes soll Gottschalk vor etwa zehn Jahren an der Gründung einer terroristischen Vereinigung in Dortmund beteiligt gewesen sein. »Combat 18«, der militante Arm des in Deutschland verbotenen Skinhead-Netzwerks »Blood & Honour«, half dabei, Waffen zu beschaffen. Auch der Nationalsozialistische Untergrund soll unterstützt worden sein.
Nicht schwer bewaffnet, aber dennoch gewalttätig versuchten Anhänger Borchardts am Abend der Kommunalwahl, das Dortmunder Rathaus zu stürmen, was für große mediale Aufmerksamkeit sorgte. Ein Bericht des Innenministeriums schildert den Abend so: »Zu keinem Zeitpunkt wurde das Aufsuchen des Rathauses im Rahmen der Wahlparty durch Angehörige der Partei ›Die Rechte‹ (…) angekündigt. Das ›Posting‹ mit dem Konterfei des Siegfried Borchardt und der Textzeile ›Mit einem Schlag ins Rathaus‹ wurde um 21.16 Uhr bei Twitter festgestellt. Es wurde zu diesem Zeitpunkt nicht als entsprechende Ankündigung bewertet, das Rathaus am Wahlabend aufzusuchen beziehungsweise sich gewaltsam dort Zutritt verschaffen zu wollen.«
So blieb es Vertretern der Parteien, Gästen und Demonstrierenden überlassen, sich dem Mob entgegenzustellen. Im Bericht des Innenministeriums hört sich das wie folgt an: »Während die Einsatzkräfte die Gruppe der Angehörigen der rechten Szene räumlich zurückdrängten, wurde fortwährend aus dem Rücken der Polizeibeamten heraus aus der bürgerlich/linken Gruppierung versucht, die vorhandene Lücke in der Polizeikette auszunutzen, um Angehörige der rechten Gruppierung mit Schlägen und Tritten zu attackieren, was die Emotionen unter den Rechten immer wieder anheizte.« Wer Angreifer war und wer sich verteidigen musste, bleibt zumindest für das Innenministerium offen.

Friedlich blieb es hingegen, als Anfang Juli Kader von »Die Rechte« in der Dortmunder Innenstadt Flugblätter an »junge, deutsche Frauen« verteilten, auf denen sie vor »immer mehr Vergewaltigungen« durch »Südländer« warnten. Zusätzlich verteilten sie zum vermeintlichen Schutz vor sexualisierter Gewalt sogenannte Tierabwehrsprays, besser bekannt als »Pfeffersprays«. Der Einsatz gegen Menschen ist zwar rechtlich verboten, doch gemäß ihrer rassistischen Ideologie legten die Dortmunder Neonazis in ihrem Flugblatt nahe, Migranten seien ohnehin »wilde Tiere«, die »deutsche Frauen vergewaltigen«. Das Pfefferspray lieferte der Antisem-Versand aus Dortmund, der der Partei nahesteht. Auf der Website »antisem.it« werden auch Zwillen und Steinschleuderkugeln aus Stahl angeboten. Außerdem gibt es Propagandamaterial, bis vor kurzem auch von der NPD und ihrer Jugendorganisation JN. Die NPD forderte die Betreiber jedoch auf, die Materialien zu entfernen, da keine Genehmigung vorliege. Die Artikel der NPD sind zwar mittlerweile von der Seite verschwunden, die Kooperation zwischen den Parteien geht aber zumindest im östlichen Ruhrgebiet weiter.