Die Migrantenproteste in den Medien

Der Heimsegen hängt schief

Auseinandersetzungen unter Bewohnern von Flüchtlingsheimen werden in den Medien nicht immer richtig dargestellt. Ein drängendes Problem sind sie dennoch.

»Verletzte bei Massenprügelei im Flüchtlingsheim«, titelte Ende August der Berliner Tagesspiegel. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sprach von einer »Schlägerei in Asylbewerberheim« und die BZ berichtete von »Festnahmen und Verletzten«. Was war geschehen? »Wie die Polizeidirektion Süd in Cottbus mitteilte, waren in der Nacht Flüchtlinge aus Afrika und Tschetschenien aufeinander losgegangen«, erfuhren die Leser im Tagesspiegel.
Den Tatsachen entsprach das nicht ganz. Im brandenburgischen Forst war es in der Nacht vom 19. zum 20. August zunächst zu kleineren Aus­einandersetzungen zwischen Tschetschenen und Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen Ländern gekommen. Die eintreffende Polizei konnte die Situation zunächst beruhigen. Doch mitten in der Nacht überfiel eine größere Gruppe Tschetschenen das Flüchtlingsheim, in dem die afrikanischen Flüchtlinge untergebracht sind. Dabei traten sie die Jalousien von außen ein und zerschlugen die Fensterscheiben. Schließlich drangen die Tschetschenen in das Heim ein und gingen mit gezückten Messern auf die Anwesenden los. Nach Angaben der Polizei wurden elf Menschen verletzt, einige davon schwer. 17 Angreifer wurden festgenommen.

»Die Menschen hatten nach diesen zwei brutalen Angriffen große Angst und wollten nicht in ihrem Wohnheim bleiben. Sie saßen am Morgen bereits auf gepackten Koffern und wollten zu Fami­lienangehörigen oder nach Eisenhüttenstadt in die zentrale Aufnahmestelle gebracht werden«, schildert Markus Breu, ein ortskundiger Unterstützer der Flüchtlinge, die Lage. Aus seiner Sicht birgt die Wohnsituation in Forst »strukturelle Probleme«, der in den Heimen angestellte Sozialarbeiter scheine mit der Situation überfordert zu sein. Breu zufolge wären »soziale Instanzen nötig, um die dort lebenden Menschen zusammenzubringen, Konflikte zu begleiten und lösen zu können«. Etwa 20 Flüchtlinge wurden vorerst im benachbarten Guben untergebracht. Dort hat sich prompt in sozialen Netzwerken die Gruppe »Nein zum Heim in Guben« mit über 1 000 Unterstützern gebildet.
Anfang September veröffentlichte die Dresdner Lokalausgabe von Bild einen Aufmacher mit der Schlagzeile »Aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel. Sanitäter tragen schon Schutzwesten«. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) habe seine Mitarbeiter in Bautzen mit Schutzwesten ausstaffiert, weil sie stark gefährdet seien. Der Zeitung zufolge geht es »vor allem um Einsätze« in einer Flüchtlingsunterkunft. Dies dementiert das DRK jedoch vehement. Die Entscheidung, solche Westen zu tragen, stehe in keinem Zusammenhang mit den Einsätzen in der Unterkunft der Asylbewerber. Die Anschaffung diene dazu, um den Arbeitsschutz zu verbessern, sagte Peter Mark, Kreisgeschäftsführer des DRK, dem Online-Nachrichtenportal Lausitz-News. Die Mitarbeiter sollten im Umgang mit alkoholisierten, drogenabhängigen und geistig verwirrten Personen besser geschützt werden. Wie der Pressesprecher der Polizeidirektion Görlitz dem Online-Portal sagte, sehe auch die Polizei keine Notwendigkeit, Sanitätern eigens für Einsätze im Asylbewerberheim solche Westen zu empfehlen. Bisher sei kein einziger Angriff auf Rettungspersonal bekannt geworden. Es ist dem »Bildblog« zu verdanken, dass der Aufmacher der Dresdner Lokalausgabe von Bild als Ente entlarvt wurde. Zwar wurden einige der schlimmsten Kommentare gelöscht, doch ist der Artikel immer noch im Internetangebot zu finden.
Der RBB hat hingegen im Falle einer Auseinandersetzung in der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Marienfelde seine Darstellung revidiert. War zuerst in verschiedenen Medien, so auch im RBB, von einer religiös motivierten Auseinandersetzung zwischen ungefähr 100 Tschetschenen auf der einen Seite und etwa 30 christlichen Syrern auf der anderen Seite die Rede, stellte eine Reporterin des RBB nach einem Besuch in der Unterkunft den Sachverhalt anders dar. Nicht Christen und Muslime hätten einen Konflikt ausgetragen. Ein 14jähriger tschetschenischer Junge habe ein syrisches Mädchen fotografiert, dies sei der Anlass gewesen. Die Heimleiterin Ute Sternal sagte dem RBB: »Ein muslimisches Mädchen aus Tschetschenien hätte er auch nicht fotografiert. Er hat eine Dummheit gemacht.« Diese Dummheit hatte etliche Schlägereien unter den mehrheitlich muslimischen Flüchtlingen zur Folge. Es wurden drei Hausverbote ausgesprochen. Trotz­dem spricht sich Sternal gegen eine nach Religionszugehörigkeit getrennte Unterbringung aus, wie sie der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU) fordert. Es gehe eher ­darum, eine gute Mischung im Wohnheim zu gewährleisten. Bei zu wenigen Plätzen sei es aber »eine Kunst, das hinzubekommen«.

Die dringende Notwendigkeit, über die »Kunst, das hinzubekommen«, nicht nur zu diskutieren, zeigen mehrere Beispiele. Ende Juli berichtete die Zeit gemeinsam mit »Report München« über drei Fälle in Flüchtlingsunterkünften, in denen islamistische Bewohner Christen aus dem Nahen Osten bedroht hatten. Und nicht nur manche Bewohner sind eine Gefahr. In Hamburg brachte kürzlich eine Anfrage zweier CDU-Abgeordneter an die Öffentlichkeit, dass es im Herbst 2013 in einer Einrichtung für Flüchtlinge am Volkspark zu Auseinandersetzungen zwischen christlichen Flüchtlingen und muslimischen Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gekommen war. Der Taz zufolge liegen der Polizei drei Anzeigen wegen Körperverletzung und eine wegen Bedrohung vor.