Haushaltssperre

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Der Wind bläst, die Blätter fallen, ein jedes Café serviert Kürbissuppe und Friedrichshain-Kreuzberg verhängt eine Haushaltssperre: Der Herbst ist da, wie schön! Die Jahreszeit der Ernte und des Überflusses, jene Jahreszeit, die die allerfeinsten Anregungen für den Unterricht bereithält. Im Kunstunterricht kann man mit Blättern bunte Collagen basteln, im Deutschunterricht wieder dieses eine Novembergedicht von Heinrich Seidel durchnudeln und in Mathe könnte man die SuS – so nennen wir LuL die Schülerinnen und Schüler zärtlich, wenn wir im LuL-Zimmer unter uns sind – errechnen lassen, wie eine kaputte Schule ohne Budget den Jahresrest überstehen kann. Jedenfalls sind sie mathematisch originell, die SuS, die schaffen das, die rechnen da irgendwo noch etwas hinzu. Und wenn’s nicht reicht für die Reparatur der defekten Toiletten, dann vielleicht wenigstens für das Toilettenpapier, dann bräuchten wir LuL das nicht mehr von uns zu Hause mitzubringen. Wenn die SuS allerdings zu viel Geld herbeirechneten, gäbe es sofort Streit: Das Lehrpersonal würde es sicherlich darauf verwenden wollen, wenigstens einen der ­defekten Drucker zu reparieren, während die memmenhafte Schülerschaft vermutlich darauf bestünde, die ­kaputten Fenster vor Einbruch des Winters zu reparieren. Und die Toiletten. Und das, obwohl wir ihr schon ständig auseinandersetzen, dass unsere Großeltern vor Stalingrad auch nicht dauernd herumgenörgelt haben, nur weil’s kalt war und sie mal mussten. Aber das sagt ihnen ja auch alles nichts, ihre Urgroßeltern saßen da schließlich noch schön warm in der Türkei herum und schauten neutral.
Aber das ist lange her und jetzt nicht wichtig. Wichtig wäre es, jetzt die Gelegenheit zu nutzen und allen ein für alle Mal beizubringen, dass es schlecht ist, sich ständig verarschen zu lassen. Zum Beispiel von Politikern, die erklären, dass Geld nur entweder für Fenster und Klopapier für Flüchtlinge oder für Fenster und Klopapier für Schulen da ist, nie aber für genug Fenster und Klopapier für alle. Beibringen müsste man den SuS, in Mathe und Deutsch und überall, dass ein System, in dem eine solche Rechnung richtig ist, ein unrichtiges System ist! Und das wollte ich ja auch, wirklich! Ich hatte mir da eine hammermäßige fächerübergreifende Unterrichtseinheit ausgedacht, die alles richtig erklärt hätte, für immer! Und dann wären wir hingegangen zu den PuP und hätten ihnen in die HuH getreten, mit Lameng, und endlich, endlich alles in Ordnung gebracht. Aber der Kopierer ist halt kaputt. Und die Birne vom Tageslichtschreiber auch. Und Noten könnte ich da, glaube ich, auch nicht drauf geben. Vielleicht lasse ich sie doch lieber das Seidel-Gedicht lesen, das steht im Buch und ist so schlecht ja auch nicht, da lernen sie wenigstens mal das wichtige deutsche Wort »Schlackerwetter« kennen.