»Nicht sonderlich kriminell«

Im Rahmen der Kampagne »Schwarzstrafen« fuhren Dirk Jessen und weitere Mitstreiter in öffentlichen Verkehrsmitteln – ohne Ticket, aber mit ­einem Schild mit der Aufschrift »Ich fahre umsonst«. So wollten sie die Bestimmungen zum »Erschleichen von Leistungen« unterlaufen. Wer sich offensichtlich zum Fahren ohne Ticket bekennt, erschleicht sich nichts, so die Argumentation. Am Montag fand vor dem Landgericht München der Prozess gegen Jessen statt, er hat nach der Urteilsverkündung mit der Jungle World telefoniert.

Wie ist das Urteil ausgefallen?
Das Verfahren wurde gegen eine Auflage von 40 Euro eingestellt.
Ließe es sich als Musterurteil für andere Leute heranziehen?
Nein. Es handelt sich ja nicht um einen Freispruch, sondern um eine Einstellung des Verfahrens. Das Gericht hat gesagt: Herr Jessen, Sie sind nicht vorbestraft, sehen auch nicht sonderlich kriminell aus, und so ein Prozess kostet Geld. Um das zu sparen, wurde das Verfahren dann eingestellt.
Was bedeutet das Urteil für Ihr weiteres Fahrverhalten?
Ich denke nicht, dass ich weiterhin bei jeder Gelegenheit mit dem Schild unterwegs sein werde. Das habe ich vor allem im Zuge unserer Kampagne getan.
Warum haben Sie mit der Kampagne begonnen?
Das Fahrkartensystem ist unsozial. Wer vermögend ist, kann sich leicht Tickets für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr leisten. Wer wenig Geld hat nicht. Es ist auch eine ökologische Frage. Würde der öffentliche Verkehr stärker subventioniert, würden auch mehr Leute umsteigen und der Flug- und Autoverkehr würden reduziert. Außerdem sitzen zurzeit Tausende Menschen wegen Schwarzfahrens im Knast, weil es sich um eine Straftat handelt. Nichtdeutsche werden abgeschoben, wenn sie ohne Fahrschein erwischt werden.
Sie haben die Sache als Einzelner durchgefochten. Wäre nicht eine Organisierung gegen die Verkehrsbetriebe vonnöten?
Ich mache mir persönlich keine Hoffnung, dass da eine Bewegung entsteht. Diese Zeiten sind in Deutschland vorbei. Die Leute äußern ihren politischen Protest eher per Mausklick, als dass sie vor der Haustür aktiv werden.
Und nun fahren Sie von München nach Gießen zum Prozess Ihres Genossen Jörg Bergstedt?
Genau.
Fahren Sie mit Ticket oder ohne?
In diesem Fall ohne. Das gehört zur Kampagne, wir haben das angekündigt und jetzt ziehen wir das durch.