Eine Verteidigung der Katze gegen den Vorwurf der Hinterhältigkeit

Für die Katz

Liebeserklärung an das Tier, das von ­Dichtern besungen wurde und von den ­Deutschen besteuert werden soll. 

Katzen gefährden die Artenvielfalt, sie sind eine Gefahr für die ­Vogelwelt und werden von ihren verantwortlungslosen Besitzern verhätschelt und verzärtelt. So lauten die Vorwürfe gegen das neuerdings unter Generalverdacht stehende Tier und seine Halter. Auf die Spitze getrieben wurde das Lamento in einem Text von Jörg Albrecht in der FAZ, in dem er suggierte, Katzen seien Massenmörder und längst nicht so niedlich und harmlos, wie die unzähligen Katzenbildchen im Internetes vermitteln. Es sei daher völlig unan­gemessen gewesen, Cat-Content auf Twitter unter dem Hashtag »Katzenstattspekulationen« zu teilen. Damit reagierten User auf die wüsten Spekulationen über den Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt. 
Aber es geht Albrecht nicht um ein paar Bildchen in den sozialen Me­dien, sondern um die Wahrnehmung der Katze an sich und um die Frage, ob das umtriebige Wesen nicht besteuert werden und der Besitzer mithin für den Schaden, den sein Tier anrichtet, zur Kasse gebeten werden sollte. Dass Katzen »ihr Geschäft großenteils im Verborgenen« trieben, wo Unmengen unschuldiger Opfer »von ihnen massakriert werden«, lässt für ihn nur einen Schluss zu: Es »findet dort draußen ein beängstigendes Gemetzel statt«. Der Gott des Gemetzels ist für den Leiter des Wissenschaftsressorts der FAZ eben die Katze. Sie ist sozusagen der de Sade der Tierwelt. Die Katze sei also wirklich als die Ausgeburt des Teufels zu betrachten, die das Mittelalter in ihr zu erkennen glaubte, weshalb man in Pestzeiten pfiffigerweise auch lieber massenweise Katzen statt Ratten getötet hat. Die mittelalter­liche Volksetymologie leitete konsequent auch den Begriff des Ketzers von der Katze ab.
Nun ist Herr Albrecht kein spätmittelalterlicher Inquisitor, sondern ein Biologe, der wissen dürfte, dass die Frage, ob es sich bei der arttypischen Behandlung der Beute um ein Spiel handelt, keineswegs geklärt ist – weshalb sich der Vergleich mit de Sade eigentlich verbietet. Und die Behauptung, dass der »perfekte Killer« (Tagesspiegel) namens Katze ein geborener Serienmörder und Triebtäter sei, verkennt, dass die Jungkatze das Jagen erst von der Mutter erlernen muss. Auch hatte Lars Lachmann, Vogelexperte des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), schon 2013 im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betont, dass die Katze am Vogelsterben nur eine Teilschuld habe: »Die Verschlechterung der Lebensräume ist sicherlich weiterhin mit Abstand das größte Problem.« 
Zurück zum Text in der FAZ: Auch wenn Albrecht nicht ohne die Dämonisierung der Katze auskommt, seine Vorschläge zur Katzenhaltung sind größtenteils vernünftig oder zumindest diskutabel. Über das sogenannte Paderborner Modell, demzufolge alle Freigänger kastriert werden sollten, mag man noch streiten. Dass das Einschläfern oder die Jagd auf Tiere auch nicht annäherungsweise mit dem Holocaust gleichzusetzen ist, wie Tierliebhaber bisweilen andeuten, kann man hingegen nur unterschreiben. Bei der Frage, ob der Gesetzgeber eine Katzensteuer einführen sollte, wird aber vieles verkannt. Der Vergleich mit der Hundesteuer hilft nicht wirklich weiter.
Zur Katzensteuer ließe sich fragen: Wer kontrolliert die Katzen und wie? Werden nur Freigänger besteuert, weil nur sie eine Bedrohung für die Vogelwelt darstellen? Und was ist mit den vielen Streunern, die keinen Halter haben, aber für die Vögel deutlich gefährlicher sind als die vielen Wohnungskatzen, die im Leben noch keinen Spatz zu Gesicht bekommen haben? Es sind ganz praktische Fragen, die gegen eine Katzensteuer sprechen. »Aufwand und Ertrag würden in keinem Verhältnis stehen«, ließ sogar der Bund der Steuerzahler vermelden. 
Mit Hunden scheint Albrecht, Träger des Preises für Naturjournalismus der Deutschen Wildtierstiftung, bei weitem keine so großen Probleme zu haben. Anstatt zu erwähnen, dass diese eben durchaus gefährlich für Menschen sind oder zumindest werden können, betont er wie Platon ihren soldatischen Charakter, unterschlägt aber dessen Ambivalenz in der Betrachtung des Hundes: »Wieso müssen die (Hundehalter) sich überhaupt an alle möglichen Vorschriften halten, während Katzenfreunde sich keinen Deut darum scheren, was ihr Stubentiger alles anrichtet? Ganz einfach: weil der Hund ein Muster an Treue und Solidarität ist, der sogar häufig tut, was man ihm sagt.« Es geht nun ins Psychologische, um die Moralpredigt zu würzen: »Wenn man solche Parallelen schon ziehen will, könnte man genauso gut sagen: Katzen und ihre Halter sind ein neoliberaler Ausbund an Egoismus, Rücksichtslosigkeit und asozialem Verhalten.«
Küchenpsychologie wurde vor kurzem auch in der Zeitschrift Vice unter dem Titel »Warum Hunde besser als Katzen sind (und nur Narzissten das Gegenteil behaupten)« verbreitet. Das Pamphlet beginnt mit dem nachdrücklichen Hinweis darauf, wie nützlich Hunde doch seien. Der auf Tierarten projizierte Nutzen kann schon als Leitmotiv der berühmt-berüchtigten Fabel »Animal Farm« von Orwell gelten. Die Hunde nutzen ihrem Herrn dort als bedingungslos treue Geheimpolizisten, die machen, was man ihnen sagt. Die Katze hingegen ist arbeitsscheu, findet sich erst zu den Mahlzeiten wieder ein und hält wortreiche Entschuldigungen parat. E. T. A. Hoffmann rühmte schon das Ausdrucksvermögens der Katze, diese »wunderbare Gabe, durch das einzige Wörtchen Miau Freude, Schmerz, Wonne und Entzücken, Angst und Verzweiflung, kurz alle Empfindungen und Leidenschaften auszudrücken. Was ist die Sprache der Menschen gegen dieses einfachste aller einfachen Mittel, sich verständlich zu machen!«
Die Orwellsche Katze tritt als Individuum auf. Als namenslose repräsentiert sie das gesammelte, von Marx verachtete Lumpenproletariat. Sie ist aber auch die Personifikation seiner Kritik des Gothaer Programms, welches auf die Forderung hinausläuft: Jeder nach seinen Fä­higkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen! Nur in diesem Sinne ist die Katze »asozial« zu nennen, da ihr Verhalten nicht wirklich mit dem Äquivalenzprinzip zu vereinbaren ist. Sie ist durchaus ein soziales Wesen, man denke nur an die riesigen Rudel in Rom oder Tel Aviv. Andernfalls wäre ihre Domestikation nicht möglich gewesen. Dabei ist sie, untreu der Sache und den Menschen gegenüber, sich der Aufopferung verweigernd, doch noch lange kein Vagabund, sondern über alle Maßen ortsgebunden. Weder flieht sie von der Farm Orwells noch lässt sich mit ihr ohne Probleme umziehen.
In der Vice heißt es nun: »Der Katzenhype der letzten Jahre ist kein Zufall, sondern spiegelt unsere gesellschaftlichen Zustände wider.« Katzenliebhaber verachteten Hunde, »weil ihnen bewusst wird, dass sie diese Form der bedingungslosen ­Liebe und Treue«, die dem Hund eigene, »nie erfahren haben und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nie erfahren werden«. Als würde der Hundebesitzer keinerlei psychische Dispositionen und Beschädigungen aufweisen. Schon die Tatsache, dass man Abhängigkeit mit Treue verwechselt, Kläffen nicht mehr als Lärm oder den Gestank eines Hundes im Büro nicht als Belastung wahrnehmen darf, ist bezeichnend. Der Hund, wiewohl maßgeblicher tierischer ­Begleiter auf dem Weg der Zivilisation, hält den Menschen gerade durch die dumpfe Treue in der Vorgeschichte. Eben deshalb schob Karl Kraus seiner halbrhetorischen Frage, ob man sich an der Treue des Hundes wirklich ein Beispiel nehmen sollte, den Satz nach: »Er ist doch nur dem Menschen treu und nicht dem Hund.« Das Bild der Katze wehrt sich gegen die Vereinnahmung und zwingt zur dialektischen Betrachtung der Treue. Dass beispielsweise Katzen sich durchaus selbst mehrere Heime suchen, in denen sie sich füttern lassen, heißt auch, dass nicht ­jeder eine eigene Katze benötigt, es widerspricht dem Besitzdenken. Die Nähe zur Katze ist eine, die erst durch eine gewisse Distanz zustande kommt.
In »Zur Einführung des Narzissmus« schreibt Freud, dass der Narzissmus »eine große Anziehung auf diejenigen anderen entfaltet, welche sich des vollen Ausmaßes ihres eigenen Narzissmus begeben haben und sich in der Werbung um die Objektliebe befinden. Der Reiz des Kindes beruht zum guten Teil auf dessen Narzissmus, seiner Selbstgenügsamkeit und Unzugänglichkeit, ebenso der Reiz gewisser Tiere, die sich um uns nicht zu kümmern scheinen, wie der Katzen.« Somit sprechen Katzen eben vor allem jene an, die sich des eigenen Narzissmus entledigt haben. Wie sich »Ängste vor Trennung« mit der Beziehung zu einer Katze vertragen sollen, die permanent aus Trennung und Wiedersehen besteht, sei einmal dahingestellt. 
Auch Albrecht hatte in einem anderen Aufsatz unter dem Titel »Sie kann auch ohne uns« das Verhältnis zwischen Katze und Mensch erklärt: »Freundliches Schnurren und ab und zu eine tote Maus als Geschenk – mehr darf der Besitzer nicht von seiner Katze erwarten.« Die Katze, die die Entwicklung des Hundes innerhalb der menschlichen Arbeitsteilung nicht durchgemacht hat, ist demnach zu Nutzlosigkeit verdammt und eigentlich überflüssig. Aber gerade der Umstand, dass eine Katze mehr nimmt, als sie gibt, setzt sie in die Verwandtschaft zur Kunst. Deutlich entspricht sie dem Kant’schen Schönen, das interesselos zu betrachten ist: dem Objekt für »ein uninteressiertes und freies Wohlgefallen«. Auch die Katze »bereitet uns vor, etwas, selbst die Natur, ohne Interesse zu lieben«.
Von Tucholsky stammt der Satz: »Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber dafür nichts zu tun.« Wenn Freud jedoch über diese Tiere schreibt, es seien Wesen, »die sich um uns nicht zu kümmern scheinen«, bezeichnet dies ganz gut die projektive, psychische Ebene, auf der man sich mit solchen Betrachtungen in der Regel bewegt.

In der »Venus im Pelz« beispielsweise beschreibt der Erzähler »den hexenhaft wohltätigen Einfluss, welchen die Gesellschaft von Katzen auf reizbare geistige Menschen übt, diese langgeschwänzten Grazien der Tierwelt, diese niedlichen, funkensprühenden, elektrischen Batterien«. 

»In einer Zimmerecke wacht,/schon länger, als ich denken kann,/die schöne Sphinx und schweigt mich an/im Wechselspiel von Tag und Nacht. (…) Mein träger Liebling, komm heran,/und leg’ den Kopf mir in den Schoß,/damit ich dir den Nacken kos’/und deinen Samtleib streicheln kann … «
Diese Zeilen stammen aus dem Gedicht »Die Sphinx« von Oscar Wilde. Gewidmet hatte er es in Freundschaft und Bewunderung dem französischen Schriftsteller Marcel Schwob, der auf Wildes Avancen nicht eingegangen war. Völlig zurecht wird hier das Moment der zwanglosen, nur Lust versprechenden Verführung auf das Verhältnis zur Katze projiziert. Glückt die Lockung nicht, bleiben doch Bewunderung, Verbundenheit und Respekt. Die Katze wurde vermutlich schon zu Urzeiten zum Symbol weiblicher Lust. Das liegt auch daran, dass die Katze den Kater »verführt« und ein im Tierreich selten ausgeprägtes »Zustimmungsprinzip« sowie regelmäßige Polyandrie bei der Fortpflanzung herrschen. Nicht nur »Muschi«, sondern auch »pussy« oder »chatte« werden immer noch synonym für Katzen und Vulven verwandt. Vermutlich deshalb ist die Lust an der Katze oftmals weiterhin eine Angstlust, nicht zuletzt ein Masochismus. 
Dafür sprechen auch die zahlreichen Katzenbezüge des Namensgebers dieser Perversion: Leopold von Sacher-Masoch. In der »Venus im Pelz« beispielsweise beschreibt der Erzähler »den hexenhaft wohltätigen Einfluss, welchen die Gesellschaft von Katzen auf reizbare geistige Menschen übt, diese langgeschwänzten Grazien der Tierwelt, diese nied­lichen, funkensprühenden, elektrischen Batterien«. Die geradezu knisternde Lust hat hierbei nichts mit Zoophilie zu tun. »Eine Frau, die einen Pelz trägt, ist also nichts anderes als eine große Katze, eine verstärkte elektrische Batterie?« fragt die Protagonistin Wanda und errät zugleich, dass »noch etwas ganz Apartes mit dem Pelz« verbunden ist. Es handelt sich um den sexuellen Fetischismus, welcher vor allem auf der Kastrationsangst und der Entdeckung des mütterlichen Genitals beruht. Das Fell dient hier als Substitut des Schamhaares. In zeitgenössisch desexualisierter Form dürfte sich dies verallgemeinern lassen. Die Lustprämie des Streichelns wird repräsentiert durch das wohlige tierische Schnurren. 
Der penetrante digitale Cat-Content ist nur der letzte Versuch, die Katze imaginär zu bändigen. Es ist eine Verzärtlichung des Restes der sinnlichen Lust, welche von der Katze ausgeht, und im selben Maße deren Ökonomisierung. Eine Katze ist schließlich, wie jedes Haustier und meist zum Unmut ihrer Besitzer, eine Ware. Der Fetischcharakter dieser speziellen, eben lebendigen Ware bleibt nach der Auflösung des leiblichen Moments bestehen wie das Grinsen der heute ebenfalls entsexualisierten Cheshire Cat aus »Alice im Wunderland«. »Genauso, wie dich ausgelassen tanzende Menschen in Clubs an deine eigene Unfähigkeit loszulassen erinnern (…), machen das auch wild spielende und vor Lebensfreude strotzende Hunde«, heißt es in der Vice. Dabei ist der Fokus auf die doppelt falsche Vorstellung einer kindlichen Unschuld der Tiere nur Indiz der gesellschaftlichen Infantilisierung. Bedenkt man ferner, wie krampfhaft das »Ausgelassensein«, wie unerotisch und autistisch das Tanzen ausfällt, kann man nur froh sein, dass mit der Katze, die sehr wohl ausgelassen spielt, sich darin aber nicht erschöpft, ein anderes ­tierisches Ideal zur Anschauung oder gar Korrektur existiert.