Das Vorgehen gegen Fluchthilfe wird militarisiert

Versenken statt helfen

Die Fluchthilfe, im Kalten Krieg noch ein ehrenwertes Gewerbe, gilt nun als Verbrechen, gegen das sogar militärische Mittel gerechtfertigt sind.

Die Rechtslage ist eigentlich seit 1980 geklärt. Es ist »nicht in jedem Fall anstößig, eine Hilfeleistung, selbst für einen Menschen in einer Notlage, von einer Vergütung abhängig zu machen, ebenso wenig, Hilfe bei der Ausübung eines Grundrechts an ein Entgelt zu knüpfen«, urteilte damals der Bundesgerichtshof und befand, eine »in Bedrängnis befindliche Person in die Bundesrepublik Deutschland oder nach West-Berlin zu verbringen«, könne »auf billigenswerten, ja edlen Motiven beruhen«.
Ein Deutscher muss der Flüchtling allerdings sein. Der Fluchthelfer, der Menschen aus der DDR schmuggelte und in der Epoche des Kalten Kriegs als Held gefeiert wurde, wird, wenn er unerwünschte Menschen transportiert, zu einem Schlepper, Schleuser oder gar Menschenhändler, obwohl sein illegales Unternehmen genauso wenig mit Menschen handelt wie die Deutsche Bahn, sondern sie nur von einem Ort zum anderen bringt und dafür ein Entgelt verlangt. Die sonst gelobte unternehmerische Eigeninitiative wird zur »Profitgier« erklärt.
Die professionelle Fluchthilfe ist ein Gewerbe, in dem man an der Not anderer verdient – nicht anders als in der Arztpraxis und im Journalismus. Flüchtlinge wollen ein anerkanntes Grundrecht in Anspruch nehmen. Erst die Abschottung, die eine normale Einreise unmöglich macht, zwingt sie, illegale Anbieter aufzusuchen, und erst die Kriminalisierung sorgt dafür, dass es in diesem Geschäft zu Gewalttaten kommt und die Marktmechanismen außer Kraft gesetzt werden. Niemand würde in einer Bäckerei einkaufen, wenn er weiß, dass jedes hundertste Brot ein tödliches Gift enthält. Werden aber alle Bäckereien geschlossen, dauert es nicht lange, bis die Menschen jedes Brot kaufen, das ihnen angeboten wird. Unweigerlich drängen dann Geschäftsleute auf den Markt, die erkannt haben, dass sich durch die Verwendung von Sägespänen ein höherer Profit erzielen lässt, und die bereit sind, die Kleinhändler mit Gewalt zu verdrängen oder in ihren Dienst zu zwingen.
Wie weit das Vordringen mafioser Gruppen bei der Fluchthilfe über das Mittelmeer fortgeschritten ist, ist unklar und erschließt sich gewiss nicht aus der nun von den vielen Medien und Politikern verbreiteten Propaganda. Weiterhin er­reichen Flüchtlinge ohne professionelle Hilfe Europa, viele Fluchthelfer sind Kleinunternehmer, die nur über ein Fischerboot verfügen. Sicher ist jedoch, dass das Fluchthilfegeschäft brutaler ­geworden ist und die verschärfte Kriminalisierung – womöglich gar in Form eines Kriegsein­satzes, den die EU nun vorbereitet – diesen Trend fördert, während sich bei einer Legalisierung der Überfahrt die Verhältnisse schnell normalisieren würden.
Bislang ist nicht die Rede davon, das Militär nur gegen Fluchtunternehmer einzusetzen, die ihre Kunden gefährden oder Gewalt gegen sie anwenden. Ging es beim nun als Vorbild genannten Kampf gegen die somalischen Piraten (siehe Seite 12) wenigstens noch um ernstzunehmende Straftaten, gilt nun schon Hilfe bei der Einreise als Rechtfertigung für einen Militäreinsatz. Zudem warten nach Schätzungen der EU-Kommission in Libyen, wo die Jihadisten des »Islamischen Staats«, aber auch andere Milizen bereits viele Migranten ermordet haben, 600 000 bis eine Million Menschen auf eine Überfahrt. Für sie gibt es kein Zurück, nun sollen sie im Bürgerkriegsgebiet eingeschlossen werden. Die EU gibt nicht einmal vor, ihnen helfen zu wollen. Da ihr Tod im Mittelmeer dem Image der EU schadet, soll das Sterben in die Wüste verlagert werden.