Über Reportagen von US-Militärkorrespondentinnen

»Der Torpedotreffer war nicht so laut, wie ich erwartet hätte«

In einem von Elisabeth Bronfen herausgegebenen Band werden die Reportagen der berühmten US-Militärkorrespondentinnen Lee Miller, Margaret Bourke-White und Martha Gellhorn zugänglich gemacht.

Es sind die Reportagen dreier amerikanischer Kriegsberichterstatterinnen, die mit ihrer Sicht auf Nazideutschland das Narrativ des Zweiten Weltkriegs mitgeprägt haben. Das ehemalige Fotomodell Lee Miller mit ihrem vom Surrealismus beeinflussten Blick auf das Nebeneinander von Idylle und Kriegsgräuel ist die bekannteste der drei. Das liegt auch an dem legendären Foto, das sie am Todestag Hitlers nackt in dessen Badewanne zeigt. Eine vergleichsweise erfahrene Kriegs­reporterin war Martha Gellhorn, die bereits im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite von Ernest Hemingway berichtet hatte. Last but not least ist da Margaret Bourke-White, die zu einer wichtigen Chronistin des Zweiten Weltkriegs wurde und mit dem Foto »Die lebendigen Toten von Buchenwald« eines der erschütternsten Bilder des 20. Jahrhunderts machte. Ihre Aufzeichnungen während der letzten Kriegstage in Deutschland wurden später als Beweismaterial in den Nürnberger Prozessen herangezogen.
Wie der Krieg ist auch die Kriegsberichterstattung lange Zeit Männersache. Mit der Akkreditierung US-amerikanischer Journalistinnen als Reporterinnen im Zweiten Weltkrieg brechen Frauen endgültig in dieses Berufsfeld ein; der Spanische Bürgerkrieg war sozusagen der Testlauf gewesen. In den Nachkriegsjahrzehnten gerieten die Arbeiten von Miller, Gellhorn und Bourke-White in Vergessenheit und wurden erst in den Achtzigern im Zuge der Frauenbewegung und der einsetzenden Geschichtsaufarbeitung in Deutschland wiederentdeckt. Insbesondere Lee Miller stieß mit ihren spektakulären Fotografien und ihrer schillernden Biographie auf große Aufmerksamkeit. Eine Gesamtwürdigung der drei Kriegsreporterinnen versucht nun die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen in dem von ihr und Daniel Kampa herausgegebenen Band »Eine Amerikanerin in Hitlers Badewanne«, der neben kurzen Porträts der drei Journalistinnen und einem Essay der Herausgeberin die wichtigsten Reportagen von Miller, Gellhorn und Bourke-White über den Krieg, das besiegte Deutschland und die Befreiung der Konzentrationslager versammelt.
»Faszinierende Zerstörung des Krieges: Drei weibliche Ansichten« ist der Essay von Bronfen überschrieben. Allzu wörtlich muss man den Titel allerdings nicht nehmen. Nach dem spezifisch Weiblichen fragt die Autorin in ihrem Aufsatz ebensowenig wie nach der besonderen Faszination von Krieg und Zerstörung für die Korrespondentinnen. Bronfens eigentliches Interesse gilt der Ikonographie der Fotografie und der visuellen und narrativen Vermittlung von Kriegsgewalt in Magazinen wie Vogue, Harper’s Bazaar, Life und Look, die ihre Starreporterinnen als Akteurinnen im Schlachtgetümmel präsentieren. Bronfens Lieblings­begriff lautet in diesem Zusammenhang »theater of operations« oder auch »theater of war«. Militärhistoriker wissen die Begriffe zu deuten, alle anderen googlen und stoßen auf Clausewitz. Man macht aber nichts falsch, wenn man sie im Kontext von Bronfens Essay schlicht mit »Kriegsschauplatz« übersetzt.
Miller, Gellhorn und Bourke-White inszenieren sich als Teil ihrer Reportagen, als ein mit Kamera und Schreibmaschine kämpfender Teil der Truppe und als Role Model für ihr vorwiegend weibliches Lesepublikum in den USA. Nicht zuletzt ging es bei den Reportagen um die Mobilmachung und die Vermittlung eines gerechten Krieges, der die menschlichen Opfer und materiellen Entbehrungen lohnte. Es war eine Kriegspropaganda, mit der auch der weibliche Teil der US-amerikanischen Bevölkerung erreicht wurde. Wie Pin-Ups posierten die Reporterinnen oder standen breitbeinig wie John Wayne vor schwerem Militärgerät herum. Das Autorinnenfoto vermittelte Authentizität und Zeitzeugenschaft. Die Korrespondentinnen wurden von ihren Magazinen beworben wie Hollywood-Stars. »Life’s Bourke-White Goes Bombing« titelte Life eine Reportage der berühmten Reporterin und druckte auf der Aufschlagseite eine Aufnahme, die sie mit vom Wind zersausten Haar in einer eigens für sie gefertigten Fliegeruniform vor einem Militärflugzeug zeigt. Das ikonische Bild zierte bald den Spind vieler US-amerikanischer Soldaten. Es gab allerdings an der Front auch Vorbehalte gegen den Einsatz von Frauen in der Kriegs­berichterstattung. Das führte dazu, dass jeder Einsatz für die Korrespondentin bedeutete, sich auch als Frau in dem Beruf beweisen zu müssen.
Auf einem Kriegsschiff vor Tunis erlebte Bourke-White einen Luftangriff und die Evakuierung in ein hoffnungslos überfülltes Rettungsboot, auf dem sie bis zur Aufnahme durch ein britisches Flugboot acht Stunden ausharrte. Das Life Magazine machte daraus ein Medienereignis mit der Reporterin als Hauptperson. In ihrem »Women in Lifeboats« überschriebenen Bericht hebt Bourke-White den Mut der Frauen hervor. Sie seien »im Krieg so tapfer wie die Männer«. Auch die Reporterin zeigte sich nicht zimperlich: »Der Torpedotreffer war nicht so laut, wie ich erwartet hätte, und wir hatten auch nicht so viel Schlagseite, wie man es aus dem Kino kennt«, schreibt sie im Stil des Hardboiled-Romans. Zugleich verweist sie ironisch auf die Ähnlichkeiten zwischen medialer und cinematographischer Kriegsinszenierung. Die Reportage schließt dann auch mit einem hollywoodreifen Happyend: Ein Foto zeigt Bourke-White mit einer Tasse Ovomaltine in der Hand an der Seite des Kapitäns auf dem Deck des Bergungsschiffs. Der Glamour, den solche Bilder versprühen, war allerdings kein Selbstzweck, sondern stand immer im Dienst der guten Sache gegen Deutschland. Die Korrespondentinnen waren unverwechselbare Stimmen politischer Entschlossenheit.
Das gilt auch für Martha Gellhorn. Mit dem Angriff auf Pearl Harbor war für Gellhorn klar, dass sie unmöglich weiter in New York bleiben und über Mode schreiben konnte. Unverzüglich wandte sie sich mit einem Brief an Eleanor Roosevelt, eine Freundin ihrer Mutter, um ihre Akkreditierung zu erreichen. Deutschland hatte sie bereits 1936 aus Anlass der Olympischen Spiele besucht, ohne sich von der Propaganda-Show beeindrucken zu lassen. Offiziell begleitete sie den Krieg ab 1943 im Rang eines US-Hauptmannes und berichtete von den Schlachtfeldern in ganz Europa bis zur Befreiung des KZ Dachau. Auch den D-Day hat sie als Korrespondentin miterlebt. Gellhorn schmuggelte sich als blinde Passagierin auf ein Lazarettschiff und berichtete von dort über die verwundeten Helden von Omaha Beach.
Der Blick auf die Deutschen war voller Verachtung. »Welche Verdrängungsleistung in ihren schlecht belüfteten Hirnwendungen bringt sie zu der Vorstellung, sie seien ein befreites Volk und kein besiegtes«, schreibt Lee Miller, die ein Jahr nach Gellhorn als Militärkorrespondentin nach Deutschland kam – ohne über nennenswerte Erfahrung als Textjournalistin zu verfügen. Miller war als Muse des Surrealisten Man Ray und Fotomodell für Vogue bekannt geworden, bevor sie sich als Fotografin mit eigenem Studio zunächst in Paris und später in New York selbständig machte.
Vor dem Krieg, so spottete der Time Life-Fotograf David E. Sherman, habe man Miller höchstens mal einen Einkaufszettel schreiben sehen, dann aber verfasste sie Texte, »die zum eloquentesten Journalismus aus dem Zweiten Weltkrieg gehören«. In Zusammenarbeit mit Sherman, der zeitweilig auch ihr Geliebter war, entstand dann auch die Reportage über Hitlers Privatwohnung mit dem Badewannen-Foto, das Miller zur Legende machte. Der Bericht mit dem Titel »Hitleriana« beginnt mit den lapidaren Worten: »Ich wohnte in Hitlers Privatwohnung, als sein Tod bekannt gegeben wurde« und beschreibt dessen Wohnung (»Es gab einen Gummibaum und einen schwarzen Gipsadler mit angelegten Flügeln«), seine Bediensteten (»Die Winters waren vulgär und unangenehm, selbst Hitler fand Frau Winter unerträglich«) und die unmittelbare Nachbarschaft (»Sie sprachen zum Beispiel ganz selbstverständlich über Hess als einen der feinsten Menschen der Welt«). Hitlers verlassene Wohnung wird in Millers Reportage zu einem Museum des deutschen Untergangs, die unbenutzt herum­liegenden Dinge. Der Elisabeth-Arden-Lippenstift auf der Kommode von Eva Braun, der Globus, das Porzellan und die Wäsche mit Hakenkreuz und den Inititalien A.H. – bezeugen stumm, dass das »Dritte Reich« fortan Geschichte ist. Ans Ende ihres Manuskripts setzt Miller die euphorischen Worte: »SCHLUSS. AN DIE REDAKTIONSMITGLIEDER VON VOGUE – HAPPY V.E. DAY!« Leider ist das glänzend geschriebene Stück über dem ikonischen Foto »Lee Miller in Hitlers Badewanne« fast in Vergessenheit geraten. Dass zudem das Foto, mit dem sie weltberühmt wurde, nicht von ihr stammt, sondern von ihrem Kollegen David E. Sherman, ist vielleicht die ironische Pointe in der Biographie dieser bedeutenden Reporterin.

Elisabeth Bronfen und Daniel Kampa (Hg.): Eine Amerikanerin in Hitlers Badewanne. Drei Frauen berichten über den Krieg: Martha Gellhorn, Lee Miller, Margaret Bourke-White. Hoffmann und Campe, München 2015, 360 Seiten, 28 Euro