Schwarm-Ekelhaftigkeit

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Das Foto des auf der Flucht ertrunkenen Dreijährigen namens Ailan Kurdi wurde zum Symbolbild – allerdings nicht nur für die Risiken, die Menschen täglich einzugehen gezwungen sind, um vor Krieg und Not nach Europa zu fliehen, sondern auch für die internettypische Schwarm-Ekelhaftigkeit.
Kaum hatte in sozialen Medien eine ausgedehnte und durchaus interessante Diskussion darüber begonnen, ob und unter welchen Umständen Bilder toter Menschen verbreitet werden sollten, wurde das Foto des Kindes auch schon von Rassisten für ihre Zwecke benutzt. Das Ziel ist klar: Diejenigen, die neuerdings vor allem Mitleid mit denen haben, die erschöpft nach langer Flucht endlich in Deutschland landen, sollen verunsichert werden, indem man ihnen einhämmert, dass alle Asylbewerber Betrüger seien. Im Fall des Ailan Kurdi wurde dazu ein Interview des Vaters benutzt. Eine Passage wurde völlig aus dem Zusammenhang gerissen und mit griffigen Schlagzeilen wie »Ailan musste sterben, weil sein Vater in Europa neue Zähne haben wollte« verbreitet. Andere unterstellen, dass das Bild gestellt oder gefälscht sei. Dazu werden dann falsche Angaben über Verbrechensstatistiken, monatliche Zahlungen an Asyl­bewerber und das angebliche Luxusleben von Geflüchteten gepostet – wohl wissend, dass nur wenige sich die Mühe machen, die Quellen für solche Behauptungen zu suchen. Aber nicht nur Rechte benutzen das Bild des kleinen toten Jungen für ihre Zwecke: Auf Twitter missbrauchten es auch eher linke User, um sich als selbsternannte Flüchtlingsengel zu produzieren und Mitleid mit Asylsuchenden zu wecken. Wieder andere erstellten Collagen, auf denen neben dem Foto der am Strand liegenden Kinderleiche Bilder von toten Juden in Auschwitz zu sehen waren, und schrieben dazu Texte über ihre persönlichen Befindlichkeiten – verbunden mit Klagen über zu hohe Managergehälter und Auflistungen amerikanischer Kriegseinsätze.