Die Aussage von Ralf wohlleben im NSU-Prozess

Wohlleben bleibt ­Kamerad

Mit seiner Aussage im NSU-Prozess gewinnt der neben Beate Zschäpe Mitangeklagte Ralf Wohlleben Vertrauen in der Naziszene zurück.

Nach Beate Zschäpe hat nun auch der mutmaßliche Terrorhelfer Ralf »Wolle« Wohlleben vor dem Münchner Oberlandesgericht sein Schweigen gebrochen. Der ehemalige NPD-Funktionär bestritt vergangene Woche, die spätere Mordwaffe des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) beschafft zu haben. Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Keiner hatte ernsthaft damit gerechnet, dass er auspackt. Mit seiner Aussage wollte er vielmehr gegenüber seinen Kameraden bekräftigen, dass er auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung steht. Das ist ihm gelungen. In seiner Erklärung stellte Wohlleben mehrmals seine politischen Positionen heraus. Er habe nichts gegen Ausländer, sondern verurteile nur profitgierige Geschäftemacher und gleichgültige Politiker, die für eine Überfremdung im Land sorgen würden. Um diesen Ethnopluralismus zu unterstreichen, las Wohlleben aus einem Aufruf zum Rechtsrock-Festival »Fest der Völker« in Jena, das er mit veranstaltet hatte, und ließ ein Propagandavideo abspielen. Auch die für die Naziszene typische Selbstinszenierung als Opfer pflegte Wohlleben. Während er Gewalt ablehne, habe er immer wieder unter Angriffen der Antifa und Repressionen des Staates leiden müssen. Nach der Wende sei sein DDR-Nationalstolz nichts mehr wert gewesen, stattdessen habe es Kapitalismus und Überfremdung gegeben. Nicht zuletzt sei er auch Opfer der beiden Mitangeklagten Carsten S. und Holger G., die bereits zu Beginn des Prozesses Wohlleben als Hintermann von Waffenlieferungen an den NSU identifiziert haben wollten.
Mit seiner Inszenierung wollte Wohlleben wohl die zahlreich erschienenen Kameraden auf der Zuschauertribüne beeindrucken. Er musste verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Innerhalb der Neonaziszene galt Wohlleben lange als integre Führungsfigur. Dieser Ruf nahm jedoch Schaden, als seine Verteidigung im NSU-Prozess Anfang des Jahres die Strategie wechselte. Auf einmal planten Wohllebens Anwälte Neonazis und Verfassungsschützer als Zeugen zu laden, um Strukturen der verbotenen Neonazi­organisation »Blood & Honour« in Sachsen zu durchleuchten. Wohllebens Verteidigung zu­folge hätten diese Kreise den NSU versteckt und unterstützt, nicht ihr Mandant. Der Verdacht kam auf, Wohlleben wolle Kameraden verraten, um für sich selbst ein möglichst mildes Urteil herauszuschlagen.
Wohllebens Erklärung wurde in Nazikreisen bereits freudig rezipiert. Der Thüringer Neonazi Thomas Gerlach, selbst Zeuge im NSU-Prozess, schreibt auf seinem Blog: »Warum nun diese ›Wende‹? Ist es überhaupt eine ›Wende‹? Nein! Eigentlich nicht! Wolle stand und steht nach wie vor zu seinen weltanschaulichen Idealen und hat sich dafür grundsätzlich nicht zu verstecken! Warum auch? Alles was er heute so ausführlich darlegte, zeugt von der Richtigkeit unseres Wollens!« Auch das Neonazi-Portal Altermedia veröffentlichte den Text.
Wohlleben dürfte wissen, dass auch seine, sehr spät erfolgte Aussage das Gericht nicht sonderlich beeindrucken wird. Jetzt ist er sich aber zumindest der Unterstützung der Szene sicher. Für Opfer und Hinterbliebene waren die vergangenen Prozesstage hingegen erneut der blanke Hohn.